Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Lauchstädt,

Schlößchen hin, so kommt man zuletzt an den ältesten Theil desselben, das so¬
genannte Schiefergebäude, welches Bischof Johannes von Werber 1462 zur Auf¬
nahme des bischöflichen Zinsgctrcidcs erbauen ließ. Nicht 1464, wie überall ge¬
druckt ist; die Inschrift, welche die Erbauung meldet, ist mit der Jahreszahl
(mcccclrii) im Hofe an einem Eckstein des Hauses noch wohl erhalten. Das
eigentliche Schlößchen -- man mache sich keine falsche Vorstellung, es ist ein
kleines Gutsgebäude -- wurde 1536 von Bischof Sigismund von Lindenau voll¬
endet, wie abermals eine mit dem lindenauischen Wappen geschmückte Inschrift am
Erker über der im Hofe liegenden Hauptthür erzählt. Nach der Säcularisation
des Hochstifts, 1561, wurde es von mehreren Mitgliedern der Sachsen-Merhe-
t'urgschen Herzogsfamilie bewohnt. Im Laufe des dreißigjährigen Krieges gänz¬
lich verwüstet, so daß es "mehr von Wölfen, Eulen und dergleichen Unflath denn
von Menschen bewohnet" schien, ließ es Herzog Christian II. wieder erneuern und
überwies es zum Wohnsitz seinem Sohne Philipp, der 1690 als braunschweigischer
Oberst bei Fleurus blieb. Aus jener Zeit stammt wohl die bemalte Zimmerthür
im Erdgeschoß, welche die jetzige freundliche Besitzerin den Fremden zu besichtigen
einlädt und welche auf der einen Seite in der obern Füllung einen Kriegsmann
u"d einen Rechtsgelehrten mit der Wage zeigt, darunter die Worte: Urum rinn,
6rw8 xlurimum x>o886, in der untern Füllung einen Löwen von allerhand Keinem
Gethier geneckt, mit der Unterschrift: "IsmeÄtas. auf der andern Seite in der
obern Füllung zwei feuernde Kanonen, darunter: NsutW einst, während die
untre Füllung hier überstrichen ist. Durch die Drangsale des Kriegs und durch
öftere Feuersbrünste verarmte und verödete die Stadt, bis mit der Entdeckung
und dem Bekanntwerden der Mineralquelle eine glücklichere, ja eine glänzende
Zeit für sie anbrach.

Es war ein außerordentliches Glück, daß das Loos der Lauchstädtcr Quelle
i" die Hand eines der berühmtesten Aerzte und zugleich des größten Kenners
auf dem Gebiete der Phnrmakodynamik der Mineralwässer gelegt wurde. Prof.
Friedrich Hoffmann, der erste Lehrer der Arzneikunde an der 1693 gegründeten
Universität 5alle, der ärztliche Berather vieler deutscher Fürsten und der Ver¬
fasser epochemachender Schriften zur Heilquellcnlehre, war es, der auf die Quelle
aufmerksam gemacht wurde und ein günstiges Urtheil über sie abgab.

Als zu Ende des 17. Jahrhunderts, heißt es, der Zwingergraben so voll
von Schlamm gewesen sei, daß in den Fischkasten, die einige Einwohner darin
stehen hatten, sich keine Fische mehr hielten, da sei der Amtsschösser Ebeling darauf
verfallen, in' seinem in der Nähe befindlichen Garten, wo sich eine Quelle be-
fand, einen Fischhaltcr graben zu lassen. Da er aber zu seiner Verwunderung
gesehen, daß die hineingesetzten Fische nach kurzer Zeit abstanden, so habe er den


GrmMcn II. 1381.
Lauchstädt,

Schlößchen hin, so kommt man zuletzt an den ältesten Theil desselben, das so¬
genannte Schiefergebäude, welches Bischof Johannes von Werber 1462 zur Auf¬
nahme des bischöflichen Zinsgctrcidcs erbauen ließ. Nicht 1464, wie überall ge¬
druckt ist; die Inschrift, welche die Erbauung meldet, ist mit der Jahreszahl
(mcccclrii) im Hofe an einem Eckstein des Hauses noch wohl erhalten. Das
eigentliche Schlößchen — man mache sich keine falsche Vorstellung, es ist ein
kleines Gutsgebäude — wurde 1536 von Bischof Sigismund von Lindenau voll¬
endet, wie abermals eine mit dem lindenauischen Wappen geschmückte Inschrift am
Erker über der im Hofe liegenden Hauptthür erzählt. Nach der Säcularisation
des Hochstifts, 1561, wurde es von mehreren Mitgliedern der Sachsen-Merhe-
t'urgschen Herzogsfamilie bewohnt. Im Laufe des dreißigjährigen Krieges gänz¬
lich verwüstet, so daß es „mehr von Wölfen, Eulen und dergleichen Unflath denn
von Menschen bewohnet" schien, ließ es Herzog Christian II. wieder erneuern und
überwies es zum Wohnsitz seinem Sohne Philipp, der 1690 als braunschweigischer
Oberst bei Fleurus blieb. Aus jener Zeit stammt wohl die bemalte Zimmerthür
im Erdgeschoß, welche die jetzige freundliche Besitzerin den Fremden zu besichtigen
einlädt und welche auf der einen Seite in der obern Füllung einen Kriegsmann
u»d einen Rechtsgelehrten mit der Wage zeigt, darunter die Worte: Urum rinn,
6rw8 xlurimum x>o886, in der untern Füllung einen Löwen von allerhand Keinem
Gethier geneckt, mit der Unterschrift: "IsmeÄtas. auf der andern Seite in der
obern Füllung zwei feuernde Kanonen, darunter: NsutW einst, während die
untre Füllung hier überstrichen ist. Durch die Drangsale des Kriegs und durch
öftere Feuersbrünste verarmte und verödete die Stadt, bis mit der Entdeckung
und dem Bekanntwerden der Mineralquelle eine glücklichere, ja eine glänzende
Zeit für sie anbrach.

Es war ein außerordentliches Glück, daß das Loos der Lauchstädtcr Quelle
i" die Hand eines der berühmtesten Aerzte und zugleich des größten Kenners
auf dem Gebiete der Phnrmakodynamik der Mineralwässer gelegt wurde. Prof.
Friedrich Hoffmann, der erste Lehrer der Arzneikunde an der 1693 gegründeten
Universität 5alle, der ärztliche Berather vieler deutscher Fürsten und der Ver¬
fasser epochemachender Schriften zur Heilquellcnlehre, war es, der auf die Quelle
aufmerksam gemacht wurde und ein günstiges Urtheil über sie abgab.

Als zu Ende des 17. Jahrhunderts, heißt es, der Zwingergraben so voll
von Schlamm gewesen sei, daß in den Fischkasten, die einige Einwohner darin
stehen hatten, sich keine Fische mehr hielten, da sei der Amtsschösser Ebeling darauf
verfallen, in' seinem in der Nähe befindlichen Garten, wo sich eine Quelle be-
fand, einen Fischhaltcr graben zu lassen. Da er aber zu seiner Verwunderung
gesehen, daß die hineingesetzten Fische nach kurzer Zeit abstanden, so habe er den


GrmMcn II. 1381.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0493" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150065"/>
          <fw type="header" place="top"> Lauchstädt,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1656" prev="#ID_1655"> Schlößchen hin, so kommt man zuletzt an den ältesten Theil desselben, das so¬<lb/>
genannte Schiefergebäude, welches Bischof Johannes von Werber 1462 zur Auf¬<lb/>
nahme des bischöflichen Zinsgctrcidcs erbauen ließ. Nicht 1464, wie überall ge¬<lb/>
druckt ist; die Inschrift, welche die Erbauung meldet, ist mit der Jahreszahl<lb/>
(mcccclrii) im Hofe an einem Eckstein des Hauses noch wohl erhalten. Das<lb/>
eigentliche Schlößchen &#x2014; man mache sich keine falsche Vorstellung, es ist ein<lb/>
kleines Gutsgebäude &#x2014; wurde 1536 von Bischof Sigismund von Lindenau voll¬<lb/>
endet, wie abermals eine mit dem lindenauischen Wappen geschmückte Inschrift am<lb/>
Erker über der im Hofe liegenden Hauptthür erzählt. Nach der Säcularisation<lb/>
des Hochstifts, 1561, wurde es von mehreren Mitgliedern der Sachsen-Merhe-<lb/>
t'urgschen Herzogsfamilie bewohnt. Im Laufe des dreißigjährigen Krieges gänz¬<lb/>
lich verwüstet, so daß es &#x201E;mehr von Wölfen, Eulen und dergleichen Unflath denn<lb/>
von Menschen bewohnet" schien, ließ es Herzog Christian II. wieder erneuern und<lb/>
überwies es zum Wohnsitz seinem Sohne Philipp, der 1690 als braunschweigischer<lb/>
Oberst bei Fleurus blieb. Aus jener Zeit stammt wohl die bemalte Zimmerthür<lb/>
im Erdgeschoß, welche die jetzige freundliche Besitzerin den Fremden zu besichtigen<lb/>
einlädt und welche auf der einen Seite in der obern Füllung einen Kriegsmann<lb/>
u»d einen Rechtsgelehrten mit der Wage zeigt, darunter die Worte: Urum rinn,<lb/>
6rw8 xlurimum x&gt;o886, in der untern Füllung einen Löwen von allerhand Keinem<lb/>
Gethier geneckt, mit der Unterschrift: "IsmeÄtas. auf der andern Seite in der<lb/>
obern Füllung zwei feuernde Kanonen, darunter: NsutW einst, während die<lb/>
untre Füllung hier überstrichen ist. Durch die Drangsale des Kriegs und durch<lb/>
öftere Feuersbrünste verarmte und verödete die Stadt, bis mit der Entdeckung<lb/>
und dem Bekanntwerden der Mineralquelle eine glücklichere, ja eine glänzende<lb/>
Zeit für sie anbrach.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1657"> Es war ein außerordentliches Glück, daß das Loos der Lauchstädtcr Quelle<lb/>
i" die Hand eines der berühmtesten Aerzte und zugleich des größten Kenners<lb/>
auf dem Gebiete der Phnrmakodynamik der Mineralwässer gelegt wurde. Prof.<lb/>
Friedrich Hoffmann, der erste Lehrer der Arzneikunde an der 1693 gegründeten<lb/>
Universität 5alle, der ärztliche Berather vieler deutscher Fürsten und der Ver¬<lb/>
fasser epochemachender Schriften zur Heilquellcnlehre, war es, der auf die Quelle<lb/>
aufmerksam gemacht wurde und ein günstiges Urtheil über sie abgab.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1658" next="#ID_1659"> Als zu Ende des 17. Jahrhunderts, heißt es, der Zwingergraben so voll<lb/>
von Schlamm gewesen sei, daß in den Fischkasten, die einige Einwohner darin<lb/>
stehen hatten, sich keine Fische mehr hielten, da sei der Amtsschösser Ebeling darauf<lb/>
verfallen, in' seinem in der Nähe befindlichen Garten, wo sich eine Quelle be-<lb/>
fand, einen Fischhaltcr graben zu lassen. Da er aber zu seiner Verwunderung<lb/>
gesehen, daß die hineingesetzten Fische nach kurzer Zeit abstanden, so habe er den</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> GrmMcn II. 1381.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0493] Lauchstädt, Schlößchen hin, so kommt man zuletzt an den ältesten Theil desselben, das so¬ genannte Schiefergebäude, welches Bischof Johannes von Werber 1462 zur Auf¬ nahme des bischöflichen Zinsgctrcidcs erbauen ließ. Nicht 1464, wie überall ge¬ druckt ist; die Inschrift, welche die Erbauung meldet, ist mit der Jahreszahl (mcccclrii) im Hofe an einem Eckstein des Hauses noch wohl erhalten. Das eigentliche Schlößchen — man mache sich keine falsche Vorstellung, es ist ein kleines Gutsgebäude — wurde 1536 von Bischof Sigismund von Lindenau voll¬ endet, wie abermals eine mit dem lindenauischen Wappen geschmückte Inschrift am Erker über der im Hofe liegenden Hauptthür erzählt. Nach der Säcularisation des Hochstifts, 1561, wurde es von mehreren Mitgliedern der Sachsen-Merhe- t'urgschen Herzogsfamilie bewohnt. Im Laufe des dreißigjährigen Krieges gänz¬ lich verwüstet, so daß es „mehr von Wölfen, Eulen und dergleichen Unflath denn von Menschen bewohnet" schien, ließ es Herzog Christian II. wieder erneuern und überwies es zum Wohnsitz seinem Sohne Philipp, der 1690 als braunschweigischer Oberst bei Fleurus blieb. Aus jener Zeit stammt wohl die bemalte Zimmerthür im Erdgeschoß, welche die jetzige freundliche Besitzerin den Fremden zu besichtigen einlädt und welche auf der einen Seite in der obern Füllung einen Kriegsmann u»d einen Rechtsgelehrten mit der Wage zeigt, darunter die Worte: Urum rinn, 6rw8 xlurimum x>o886, in der untern Füllung einen Löwen von allerhand Keinem Gethier geneckt, mit der Unterschrift: "IsmeÄtas. auf der andern Seite in der obern Füllung zwei feuernde Kanonen, darunter: NsutW einst, während die untre Füllung hier überstrichen ist. Durch die Drangsale des Kriegs und durch öftere Feuersbrünste verarmte und verödete die Stadt, bis mit der Entdeckung und dem Bekanntwerden der Mineralquelle eine glücklichere, ja eine glänzende Zeit für sie anbrach. Es war ein außerordentliches Glück, daß das Loos der Lauchstädtcr Quelle i" die Hand eines der berühmtesten Aerzte und zugleich des größten Kenners auf dem Gebiete der Phnrmakodynamik der Mineralwässer gelegt wurde. Prof. Friedrich Hoffmann, der erste Lehrer der Arzneikunde an der 1693 gegründeten Universität 5alle, der ärztliche Berather vieler deutscher Fürsten und der Ver¬ fasser epochemachender Schriften zur Heilquellcnlehre, war es, der auf die Quelle aufmerksam gemacht wurde und ein günstiges Urtheil über sie abgab. Als zu Ende des 17. Jahrhunderts, heißt es, der Zwingergraben so voll von Schlamm gewesen sei, daß in den Fischkasten, die einige Einwohner darin stehen hatten, sich keine Fische mehr hielten, da sei der Amtsschösser Ebeling darauf verfallen, in' seinem in der Nähe befindlichen Garten, wo sich eine Quelle be- fand, einen Fischhaltcr graben zu lassen. Da er aber zu seiner Verwunderung gesehen, daß die hineingesetzten Fische nach kurzer Zeit abstanden, so habe er den GrmMcn II. 1381.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/493
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/493>, abgerufen am 23.07.2024.