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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Die lvcihrnngsfmge in England.

betrachten mag, immer bleibt sie die schwerste, von welcher die Finanzen Indiens
jemals bedroht waren. Kriege, Hungersnoth und Trockenheit haben dem Schatze
schon schwerere Lasten als in diesem Jahre auferlegt, allein diese Calamitäten
gehen vorüber, die Verluste, welche sie erzeugen, sind bekannt und begrenzt.
Gleiches gilt aber nicht von der jetzigen Ursache der Besorgniß. Schon die un¬
mittelbaren Wirkungen sind schlimm genug; was aber ihre Bedeutung noch er¬
höht, ist das, daß das Ende der Dinge nicht abzusehen und die Zukunft voll
Unsicherheit ist."

Dies alles forderte in den politischen, besonders aber in Regierungskreisen
zu einer eingehenden Untersuchung der Ursachen der Silberentwerthung und damit
zu einer Kritik der landläufigen Währungstheoricn auf. Für die englische Ge¬
schäftswelt aber liegen noch andre Gründe hierzu vor. Das in Ländern mit
Silberwährung in öffentlichen Anleihen, Eisenbahnen, industriellen Unternehmungen
und kaufmännischen Credner angelegte Capital hat eine bedeutende Entwerthung
erfahre". Die Unsicherheit der Wechseleursc hindert in hohem Grade die fernere
gleiche Anlegung englischen Capitals. Dazu kommt die Lähmung des englischen
Handels mit Indien, China, Java, Oesterreich, Chile, Mexiko und andern Ländern
durch die Schwankungen des Silberwerthcs, welche oft in wenigen Tagen größer
sind als in den gesammten 70 Jahren, während welcher die französische Doppel¬
währung bestand. Jede feste Basis für die Calculation der Großkaufleute ist
damit zerrüttet.

Nicht die Lust an wissenschaftlichen Discussionen also, sondern sehr reale
Rücksichten lenkten das Interesse Englands auf die Währungsfrage, und die
erneuerte Erörterung hat denn mit vielen frühern Einseitigkeiten und falschen
Vorstellungen gründlich aufgeräumt.

Noch am 1. April 1879 äußerte der Vorsitzende der Londoner Statistischen
Gesellschaft, das Parlamentsmitglied Shaw Lefebre, öffentlich, er glaube, jeder
der es wage, die Doppelwährung vorzuschlagen, gehöre in das Narrenhaus <Me
doel^ vno vöirtursä to xroxoss vimötMsm poulet vo Äinost vordlr/ ok
u, Me,"z in g, Immtie, g.sMm). Aber schon vom folgenden Tage, vom 2. April
1879, datirt ein Memorial der Liverpooler Handelskammer, welches großes Auf¬
sehen erregen mußte, weil hier zum ersten Male eine mächtige, hochangesehene
Körperschaft einstimmig für erneute Einberufung eines internationalen Congresses
für die Währungsfrage und für den Bimetallismus, gegen die Goldwährung
sich erklärte. Sie blieb mit ihrer Ansicht nicht allein, sondern fand bald nicht
zu unterschätzende Bundesgenosse". Die Handelskammer von Manchester lehnte
es zwar ab, sich der Liverpooler Kundgebung anzuschließen, sprach sich sogar
sehr energisch für einfache Währung aus; sie führte aus, daß die natürliche Be-


Die lvcihrnngsfmge in England.

betrachten mag, immer bleibt sie die schwerste, von welcher die Finanzen Indiens
jemals bedroht waren. Kriege, Hungersnoth und Trockenheit haben dem Schatze
schon schwerere Lasten als in diesem Jahre auferlegt, allein diese Calamitäten
gehen vorüber, die Verluste, welche sie erzeugen, sind bekannt und begrenzt.
Gleiches gilt aber nicht von der jetzigen Ursache der Besorgniß. Schon die un¬
mittelbaren Wirkungen sind schlimm genug; was aber ihre Bedeutung noch er¬
höht, ist das, daß das Ende der Dinge nicht abzusehen und die Zukunft voll
Unsicherheit ist."

Dies alles forderte in den politischen, besonders aber in Regierungskreisen
zu einer eingehenden Untersuchung der Ursachen der Silberentwerthung und damit
zu einer Kritik der landläufigen Währungstheoricn auf. Für die englische Ge¬
schäftswelt aber liegen noch andre Gründe hierzu vor. Das in Ländern mit
Silberwährung in öffentlichen Anleihen, Eisenbahnen, industriellen Unternehmungen
und kaufmännischen Credner angelegte Capital hat eine bedeutende Entwerthung
erfahre». Die Unsicherheit der Wechseleursc hindert in hohem Grade die fernere
gleiche Anlegung englischen Capitals. Dazu kommt die Lähmung des englischen
Handels mit Indien, China, Java, Oesterreich, Chile, Mexiko und andern Ländern
durch die Schwankungen des Silberwerthcs, welche oft in wenigen Tagen größer
sind als in den gesammten 70 Jahren, während welcher die französische Doppel¬
währung bestand. Jede feste Basis für die Calculation der Großkaufleute ist
damit zerrüttet.

Nicht die Lust an wissenschaftlichen Discussionen also, sondern sehr reale
Rücksichten lenkten das Interesse Englands auf die Währungsfrage, und die
erneuerte Erörterung hat denn mit vielen frühern Einseitigkeiten und falschen
Vorstellungen gründlich aufgeräumt.

Noch am 1. April 1879 äußerte der Vorsitzende der Londoner Statistischen
Gesellschaft, das Parlamentsmitglied Shaw Lefebre, öffentlich, er glaube, jeder
der es wage, die Doppelwährung vorzuschlagen, gehöre in das Narrenhaus <Me
doel^ vno vöirtursä to xroxoss vimötMsm poulet vo Äinost vordlr/ ok
u, Me,«z in g, Immtie, g.sMm). Aber schon vom folgenden Tage, vom 2. April
1879, datirt ein Memorial der Liverpooler Handelskammer, welches großes Auf¬
sehen erregen mußte, weil hier zum ersten Male eine mächtige, hochangesehene
Körperschaft einstimmig für erneute Einberufung eines internationalen Congresses
für die Währungsfrage und für den Bimetallismus, gegen die Goldwährung
sich erklärte. Sie blieb mit ihrer Ansicht nicht allein, sondern fand bald nicht
zu unterschätzende Bundesgenosse». Die Handelskammer von Manchester lehnte
es zwar ab, sich der Liverpooler Kundgebung anzuschließen, sprach sich sogar
sehr energisch für einfache Währung aus; sie führte aus, daß die natürliche Be-


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[0479] Die lvcihrnngsfmge in England. betrachten mag, immer bleibt sie die schwerste, von welcher die Finanzen Indiens jemals bedroht waren. Kriege, Hungersnoth und Trockenheit haben dem Schatze schon schwerere Lasten als in diesem Jahre auferlegt, allein diese Calamitäten gehen vorüber, die Verluste, welche sie erzeugen, sind bekannt und begrenzt. Gleiches gilt aber nicht von der jetzigen Ursache der Besorgniß. Schon die un¬ mittelbaren Wirkungen sind schlimm genug; was aber ihre Bedeutung noch er¬ höht, ist das, daß das Ende der Dinge nicht abzusehen und die Zukunft voll Unsicherheit ist." Dies alles forderte in den politischen, besonders aber in Regierungskreisen zu einer eingehenden Untersuchung der Ursachen der Silberentwerthung und damit zu einer Kritik der landläufigen Währungstheoricn auf. Für die englische Ge¬ schäftswelt aber liegen noch andre Gründe hierzu vor. Das in Ländern mit Silberwährung in öffentlichen Anleihen, Eisenbahnen, industriellen Unternehmungen und kaufmännischen Credner angelegte Capital hat eine bedeutende Entwerthung erfahre». Die Unsicherheit der Wechseleursc hindert in hohem Grade die fernere gleiche Anlegung englischen Capitals. Dazu kommt die Lähmung des englischen Handels mit Indien, China, Java, Oesterreich, Chile, Mexiko und andern Ländern durch die Schwankungen des Silberwerthcs, welche oft in wenigen Tagen größer sind als in den gesammten 70 Jahren, während welcher die französische Doppel¬ währung bestand. Jede feste Basis für die Calculation der Großkaufleute ist damit zerrüttet. Nicht die Lust an wissenschaftlichen Discussionen also, sondern sehr reale Rücksichten lenkten das Interesse Englands auf die Währungsfrage, und die erneuerte Erörterung hat denn mit vielen frühern Einseitigkeiten und falschen Vorstellungen gründlich aufgeräumt. Noch am 1. April 1879 äußerte der Vorsitzende der Londoner Statistischen Gesellschaft, das Parlamentsmitglied Shaw Lefebre, öffentlich, er glaube, jeder der es wage, die Doppelwährung vorzuschlagen, gehöre in das Narrenhaus <Me doel^ vno vöirtursä to xroxoss vimötMsm poulet vo Äinost vordlr/ ok u, Me,«z in g, Immtie, g.sMm). Aber schon vom folgenden Tage, vom 2. April 1879, datirt ein Memorial der Liverpooler Handelskammer, welches großes Auf¬ sehen erregen mußte, weil hier zum ersten Male eine mächtige, hochangesehene Körperschaft einstimmig für erneute Einberufung eines internationalen Congresses für die Währungsfrage und für den Bimetallismus, gegen die Goldwährung sich erklärte. Sie blieb mit ihrer Ansicht nicht allein, sondern fand bald nicht zu unterschätzende Bundesgenosse». Die Handelskammer von Manchester lehnte es zwar ab, sich der Liverpooler Kundgebung anzuschließen, sprach sich sogar sehr energisch für einfache Währung aus; sie führte aus, daß die natürliche Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/479>, abgerufen am 23.07.2024.