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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Zur landwirthschaftlichen Zollfrage.

oder den erstem Marktpreis hätte allgemein werden lassen. Die Wirklichkeit
bietet Beispiele des einen wie des andern Falls.

Kehren wir nun zu unserm idealen Staat zurück und nehmen wir an, der
"ach Abtrennung des Segments verbleibende Ueberrest desselben erfreue sich
eines so günstigen Jahres, daß er ausnahmsweise den ganzen Bedarf der Central-
stadt an Bvdenprvducten zu liefern vermag. Kämen dorthin nun auch noch die
Erzeugnisse des durch die Zollgrenze abgeschnittnen Districts, so müßten deren
Preise weichen und könnten somit keinen Ersatz für den an der Grenze aus¬
gelegten Zoll gewähren. Ist nun für den abgeschnittnen District das Mehr an
Transportkosten bis zu einem andern Markte geringer als der mit einer weitern
Lieferung an den alten Markt verbundne Ausfall, so wendet derselbe sich diesem
neuen Markte zu. Der Zoll hat dann durch die Begünstigung dieser Ablenkung
dazu beigetragen, die Preise auf dem alten Markte höher zu erhalten, als sie
sich bei freiem Handel gestellt haben würden. Vermag nach den Umständen nur
ein Theil des abgetrennten Districts einen neuen Markt aufzusuchen, so bleibt
der Nachtheil, welchen die Verminderung der Concurrenz auf dem alten Markte
den dortigen Consumenten brachte, auch nur zum Theil bestehen. Diesen Nach¬
theil in Zahlen auszudrücken, wird jedoch wesentlich dadurch erschwert, daß man
nie einen Anhaltspunkt dasür besitzt, wie weit freie Concurrenz den Marktpreis
hätte sinken lassen. Bleibt endlich der ganze abgetrennte District an den bis¬
herigen Markt gebunden und muß er also seine Erzeugnisse dort Ä tout xrix
losschlagen, so gestalten sich Concurrenz und Preise daselbst genau so, wie es
bei freiem Handel der Fall gewesen sein würde. Hier bezeichnet also die zwischen
den Marktpreisen diesseits und denen jenseits der Zollgrenze bestehende Differenz
lediglich eine Belastung des ausländischen Producenten.

Etwas anders steht die Sache in gewöhnlichen oder in schlechten Jahren.
Liegen dann nicht bedeutende Borräthe diesseits der Zollgrenze aufgespeichert,
so muß der dortige Consument zur Deckung seines Bedarfs, den er in der Regel
wesentlich einschränken weder will noch kann, auch die Bvdenproducte des ab¬
getrennten Segments in Anspruch nehmen. Halten daher die Producenten bez.
die Kaufleute desselben mit ihrem Angebot nur einigermaßen zurück, so kann
die Nachfrage den Marktpreis innerhalb der Zollgrenzen um den ganzen Betrag
des Zolles höher treiben, als er bei freiem Handel gestanden haben würde, und
den Zoll somit vollständig oder theilweise zu einer Last des Consumenten*)



">) Als "Cousmneiltek" bezeichnen wir der Kürze wegen nicht den unmittelbaren 'Ver¬
zehrn, sondern denjenigen, welcher das Product direct in den Cvnsum bringt. Die Frage,
inwieweit dieser letztere den Zoll aus den eigentlichen Consumenten abwälzen kann, würde
eine besondre Erörterung erfordern.
Zur landwirthschaftlichen Zollfrage.

oder den erstem Marktpreis hätte allgemein werden lassen. Die Wirklichkeit
bietet Beispiele des einen wie des andern Falls.

Kehren wir nun zu unserm idealen Staat zurück und nehmen wir an, der
»ach Abtrennung des Segments verbleibende Ueberrest desselben erfreue sich
eines so günstigen Jahres, daß er ausnahmsweise den ganzen Bedarf der Central-
stadt an Bvdenprvducten zu liefern vermag. Kämen dorthin nun auch noch die
Erzeugnisse des durch die Zollgrenze abgeschnittnen Districts, so müßten deren
Preise weichen und könnten somit keinen Ersatz für den an der Grenze aus¬
gelegten Zoll gewähren. Ist nun für den abgeschnittnen District das Mehr an
Transportkosten bis zu einem andern Markte geringer als der mit einer weitern
Lieferung an den alten Markt verbundne Ausfall, so wendet derselbe sich diesem
neuen Markte zu. Der Zoll hat dann durch die Begünstigung dieser Ablenkung
dazu beigetragen, die Preise auf dem alten Markte höher zu erhalten, als sie
sich bei freiem Handel gestellt haben würden. Vermag nach den Umständen nur
ein Theil des abgetrennten Districts einen neuen Markt aufzusuchen, so bleibt
der Nachtheil, welchen die Verminderung der Concurrenz auf dem alten Markte
den dortigen Consumenten brachte, auch nur zum Theil bestehen. Diesen Nach¬
theil in Zahlen auszudrücken, wird jedoch wesentlich dadurch erschwert, daß man
nie einen Anhaltspunkt dasür besitzt, wie weit freie Concurrenz den Marktpreis
hätte sinken lassen. Bleibt endlich der ganze abgetrennte District an den bis¬
herigen Markt gebunden und muß er also seine Erzeugnisse dort Ä tout xrix
losschlagen, so gestalten sich Concurrenz und Preise daselbst genau so, wie es
bei freiem Handel der Fall gewesen sein würde. Hier bezeichnet also die zwischen
den Marktpreisen diesseits und denen jenseits der Zollgrenze bestehende Differenz
lediglich eine Belastung des ausländischen Producenten.

Etwas anders steht die Sache in gewöhnlichen oder in schlechten Jahren.
Liegen dann nicht bedeutende Borräthe diesseits der Zollgrenze aufgespeichert,
so muß der dortige Consument zur Deckung seines Bedarfs, den er in der Regel
wesentlich einschränken weder will noch kann, auch die Bvdenproducte des ab¬
getrennten Segments in Anspruch nehmen. Halten daher die Producenten bez.
die Kaufleute desselben mit ihrem Angebot nur einigermaßen zurück, so kann
die Nachfrage den Marktpreis innerhalb der Zollgrenzen um den ganzen Betrag
des Zolles höher treiben, als er bei freiem Handel gestanden haben würde, und
den Zoll somit vollständig oder theilweise zu einer Last des Consumenten*)



">) Als „Cousmneiltek" bezeichnen wir der Kürze wegen nicht den unmittelbaren 'Ver¬
zehrn, sondern denjenigen, welcher das Product direct in den Cvnsum bringt. Die Frage,
inwieweit dieser letztere den Zoll aus den eigentlichen Consumenten abwälzen kann, würde
eine besondre Erörterung erfordern.
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[0463] Zur landwirthschaftlichen Zollfrage. oder den erstem Marktpreis hätte allgemein werden lassen. Die Wirklichkeit bietet Beispiele des einen wie des andern Falls. Kehren wir nun zu unserm idealen Staat zurück und nehmen wir an, der »ach Abtrennung des Segments verbleibende Ueberrest desselben erfreue sich eines so günstigen Jahres, daß er ausnahmsweise den ganzen Bedarf der Central- stadt an Bvdenprvducten zu liefern vermag. Kämen dorthin nun auch noch die Erzeugnisse des durch die Zollgrenze abgeschnittnen Districts, so müßten deren Preise weichen und könnten somit keinen Ersatz für den an der Grenze aus¬ gelegten Zoll gewähren. Ist nun für den abgeschnittnen District das Mehr an Transportkosten bis zu einem andern Markte geringer als der mit einer weitern Lieferung an den alten Markt verbundne Ausfall, so wendet derselbe sich diesem neuen Markte zu. Der Zoll hat dann durch die Begünstigung dieser Ablenkung dazu beigetragen, die Preise auf dem alten Markte höher zu erhalten, als sie sich bei freiem Handel gestellt haben würden. Vermag nach den Umständen nur ein Theil des abgetrennten Districts einen neuen Markt aufzusuchen, so bleibt der Nachtheil, welchen die Verminderung der Concurrenz auf dem alten Markte den dortigen Consumenten brachte, auch nur zum Theil bestehen. Diesen Nach¬ theil in Zahlen auszudrücken, wird jedoch wesentlich dadurch erschwert, daß man nie einen Anhaltspunkt dasür besitzt, wie weit freie Concurrenz den Marktpreis hätte sinken lassen. Bleibt endlich der ganze abgetrennte District an den bis¬ herigen Markt gebunden und muß er also seine Erzeugnisse dort Ä tout xrix losschlagen, so gestalten sich Concurrenz und Preise daselbst genau so, wie es bei freiem Handel der Fall gewesen sein würde. Hier bezeichnet also die zwischen den Marktpreisen diesseits und denen jenseits der Zollgrenze bestehende Differenz lediglich eine Belastung des ausländischen Producenten. Etwas anders steht die Sache in gewöhnlichen oder in schlechten Jahren. Liegen dann nicht bedeutende Borräthe diesseits der Zollgrenze aufgespeichert, so muß der dortige Consument zur Deckung seines Bedarfs, den er in der Regel wesentlich einschränken weder will noch kann, auch die Bvdenproducte des ab¬ getrennten Segments in Anspruch nehmen. Halten daher die Producenten bez. die Kaufleute desselben mit ihrem Angebot nur einigermaßen zurück, so kann die Nachfrage den Marktpreis innerhalb der Zollgrenzen um den ganzen Betrag des Zolles höher treiben, als er bei freiem Handel gestanden haben würde, und den Zoll somit vollständig oder theilweise zu einer Last des Consumenten*) ">) Als „Cousmneiltek" bezeichnen wir der Kürze wegen nicht den unmittelbaren 'Ver¬ zehrn, sondern denjenigen, welcher das Product direct in den Cvnsum bringt. Die Frage, inwieweit dieser letztere den Zoll aus den eigentlichen Consumenten abwälzen kann, würde eine besondre Erörterung erfordern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/463>, abgerufen am 23.07.2024.