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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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getragen. Schon die ersten Aufführungen sicherten nicht mir die finanzielle
Seite des Unternehmens, sondern brachten dem "Meister" und den Sängern die
glänzendsten Triumphe, die großartigsten Ovationen ein. Einer so imposanten
Manifestation der öffentlichen Meinung vermochten sich die angeblichen Vertreter
derselben nicht zu entziehe". Wie mit einem Schlage verstummte die Opposition
in der Presse, In sichtlicher Bestürzung und Verwirrung wurde zum Rückzug
geblasen, da man es mit den "geschätzten Abonnenten" nicht verderben konnte
und wollte, und selbst die kleine Zahl unversöhnlicher Gegner, die ohne weitres
nicht mit ihrer Vergangenheit zu brechen wagten, beschränkte sich aus eine ruhige,
sachliche Kritik, die eine verletzende Färbung sorglich vermied, Bon Cyklus zu
Cyklus wuchs die Begeistrung, Schaaren bekehrter Gegner gingen in das Lager
der Wagnerianer über, und mit einem Schlage hat die Wagncrbewegung das
Gepräge des Lächerlichen und Uebertriebncn, welches ihr theils von gegnerischer
Seite aufgedrückt worden war, theils wirklich anhaftete, verloren, "Es muß ein
wunderbares sein" -- ernsthafte, ruhige Männer, welche jeder Ueberschwänglich-
keit abhold sind, sprechen in einem Athem von Goethe und Wagner, von Faust
und dem Nibelungenringe, Dort wie hier seien die höchsten Probleme der
Menschheit, die unsre geistige Welt beherrschenden Ideen behandelt und gelöst
worden.

Wagners Auftreten war ausnahmsweise ein sehr diplomatisches. Weder
durch sein Costüm, noch durch sein Gebcchren forderte er die Spottlust heraus.
Liebenswürdige Bescheidenheit und ein beständiges Ablenken der ihm zugedachten
Ovationen aus die ausführenden Künstler war diesmal der Grundzug seines
Wesens, So erreichte unter der lebhaftesten Theilnahme aller Bevölkcrnngs-
klassen der Residenz der Cyklus um Sonntag sein Ende, und der "Kladderadatsch"
konnte mit Recht in einem schwungvollen Gedichte den vollständigen "Sieg" der
Wagnersnche feiern.

Die vielverspvttete Musik der Zukunft ist die Musik der Gegenwart geworden.
Es ist demnach zu erwarten, daß ein fo energischer, durch keine Hindernisse ab¬
zuschreckender Geist wie Richard Wagner auf seinein Wege fortfahren und ver¬
suchen wird, sein Kunstideal ganz zu verwirklichen. Das musikalische Drama ist
ihm das höchste zu erreichende Kunstwerk, und alle übrigen Künste, Malerei,
Sculptur, Architektur sollen, wenn wir seine Theorien recht verstanden haben,
mir dazu dienen, jenes Kunstwerk zur Erscheinung zu bringen. Wie im Mittel-
alter also alle wissenschaftlichen Disciplinen die Dienerinnen der Religion sein
sollten, so soll die Architektur in erster Linie nur dazu da sein, um für Wagnersche
Musikdramen Opernhäuser oder vielmehr "Bühnenfestspielhäuscr" zu bauen, und
die Sculptur und die Malerei sollen diese Tempel verzieren. Hoffentlich wird


getragen. Schon die ersten Aufführungen sicherten nicht mir die finanzielle
Seite des Unternehmens, sondern brachten dem „Meister" und den Sängern die
glänzendsten Triumphe, die großartigsten Ovationen ein. Einer so imposanten
Manifestation der öffentlichen Meinung vermochten sich die angeblichen Vertreter
derselben nicht zu entziehe». Wie mit einem Schlage verstummte die Opposition
in der Presse, In sichtlicher Bestürzung und Verwirrung wurde zum Rückzug
geblasen, da man es mit den „geschätzten Abonnenten" nicht verderben konnte
und wollte, und selbst die kleine Zahl unversöhnlicher Gegner, die ohne weitres
nicht mit ihrer Vergangenheit zu brechen wagten, beschränkte sich aus eine ruhige,
sachliche Kritik, die eine verletzende Färbung sorglich vermied, Bon Cyklus zu
Cyklus wuchs die Begeistrung, Schaaren bekehrter Gegner gingen in das Lager
der Wagnerianer über, und mit einem Schlage hat die Wagncrbewegung das
Gepräge des Lächerlichen und Uebertriebncn, welches ihr theils von gegnerischer
Seite aufgedrückt worden war, theils wirklich anhaftete, verloren, „Es muß ein
wunderbares sein" — ernsthafte, ruhige Männer, welche jeder Ueberschwänglich-
keit abhold sind, sprechen in einem Athem von Goethe und Wagner, von Faust
und dem Nibelungenringe, Dort wie hier seien die höchsten Probleme der
Menschheit, die unsre geistige Welt beherrschenden Ideen behandelt und gelöst
worden.

Wagners Auftreten war ausnahmsweise ein sehr diplomatisches. Weder
durch sein Costüm, noch durch sein Gebcchren forderte er die Spottlust heraus.
Liebenswürdige Bescheidenheit und ein beständiges Ablenken der ihm zugedachten
Ovationen aus die ausführenden Künstler war diesmal der Grundzug seines
Wesens, So erreichte unter der lebhaftesten Theilnahme aller Bevölkcrnngs-
klassen der Residenz der Cyklus um Sonntag sein Ende, und der „Kladderadatsch"
konnte mit Recht in einem schwungvollen Gedichte den vollständigen „Sieg" der
Wagnersnche feiern.

Die vielverspvttete Musik der Zukunft ist die Musik der Gegenwart geworden.
Es ist demnach zu erwarten, daß ein fo energischer, durch keine Hindernisse ab¬
zuschreckender Geist wie Richard Wagner auf seinein Wege fortfahren und ver¬
suchen wird, sein Kunstideal ganz zu verwirklichen. Das musikalische Drama ist
ihm das höchste zu erreichende Kunstwerk, und alle übrigen Künste, Malerei,
Sculptur, Architektur sollen, wenn wir seine Theorien recht verstanden haben,
mir dazu dienen, jenes Kunstwerk zur Erscheinung zu bringen. Wie im Mittel-
alter also alle wissenschaftlichen Disciplinen die Dienerinnen der Religion sein
sollten, so soll die Architektur in erster Linie nur dazu da sein, um für Wagnersche
Musikdramen Opernhäuser oder vielmehr „Bühnenfestspielhäuscr" zu bauen, und
die Sculptur und die Malerei sollen diese Tempel verzieren. Hoffentlich wird


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/460>, abgerufen am 23.07.2024.