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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Friedrichs dos Große" erster IVaffougang,

inatische Seite des Krieges den Antheil dieser beiden Mächte an den einzelnen
Acten des großen Dramas und ihr Einwirken auf die Steigerung und endliche
Lösung des Conflictes zu schildern. Der erste Gedanke in London nach dem
Bekanntwerden der preußischen Pläne auf Schlesien war, daß man Oesterreich
zu bewegen suchen müsse, durch eine Concession die Begehrlichkeit des ehrgeizigen
Fürsten zu stillen, um ihn in dem Bunde mit den Seemächten und mit Ru߬
land zu erhalten und ihn von einer Verbindung mit dem die Praginatische Sanc¬
tion offen bekämpfenden Vaiern und dem hinter diesem stehenden Frankreich ab¬
zubringen. Da sich aber keine Aussicht zeigte, in Wien damit durchzudringen
und das unerhört kühne Vordringen Friedrichs den stets für die Interessen
Hannovers besorgten König Georg II. mit Mißtrauen erfüllte, zumal seitdem
Friedrich ein Truppencvrps im Magdeburgischen durch deu alten Fürsten von
Dessau zusammenziehen ließ, ging von diesem persönlich die Idee aus, durch einen
Bund der genannten nordischen Seemächte und Sachsen-Polens den unruhigen
König niederzuwerfen und durch Beschneidung seiner Macht für die Zukunft un¬
schädlich zu macheu. Dresden wurde der Mittelpunkt für die Verhandlungen
dieses prenßenfeindlichen "Concerts," als sich der dortige Hof von der Aussicht
verlocken ließ, eine bei dem Thronwechsel in Oesterreich erstrebte, aber von diesem
hartnäckig verweigerte Vergrößerung durch Abtretung einiger Kreise Böhmens
nun auf Kosten Preußens zu suchen. Dazu war Oesterreich wenigstens bereit
eine Geldhilfe zu gewähren Diese ganze Combination hing indeß von der
Voraussetzung ab, daß Frankreich in der großen continentcilen Krise neutral bleiben
werde, wie es in den ersten Monaten nach Karls VI. Tode allerdings den An¬
schein hatte. Als letzteres im Frühjahr 1741 aus seiner Reserve heraustrat,
sah sich England doch wieder auf den alten Standpunkt zurückzukommen genöthigt,
daß man Preußen in der Coalition der Seemächte und Rußlands mit Oester¬
reich festhalten müsse, um es nicht in die geöffnete" Arme Frankreichs sinken
zu lassen. Daß König Georg bei dieser neuen Schwenkung den einmal gegen
Friedrich gefaßten Groll nicht wieder fahren lassen konnte und sich sein Ein¬
treten für Preußen durch möglichst hochgeschraubte Cvuvcuienzcn für Hnuuvver
bezahlen lassen wollte, gab der englischen Politik einen Charakter der Unauf-
richtigkeit und Hinterhältigkeit, durch den sie es mit einem Manne von der Art
des jungen Königs von Preußen verderben mußte.

Friedrich hatte von Anfang an nicht übel Lust gehabt, ein französisches
Bündniß einzugehen, aber einmal hatte sich zuerst Cardinal Fleury sehr kühl
gezeigt, dann hatte sein Minister Podewils ihn beschworen, diese gefährliche Idee
aufzugeben. Frankreich suche im Grunde nur den Umsturz des europäischen
Gleichgewichts durch die Niederwerfung des Hauses Oesterreich, um dann einen


Friedrichs dos Große» erster IVaffougang,

inatische Seite des Krieges den Antheil dieser beiden Mächte an den einzelnen
Acten des großen Dramas und ihr Einwirken auf die Steigerung und endliche
Lösung des Conflictes zu schildern. Der erste Gedanke in London nach dem
Bekanntwerden der preußischen Pläne auf Schlesien war, daß man Oesterreich
zu bewegen suchen müsse, durch eine Concession die Begehrlichkeit des ehrgeizigen
Fürsten zu stillen, um ihn in dem Bunde mit den Seemächten und mit Ru߬
land zu erhalten und ihn von einer Verbindung mit dem die Praginatische Sanc¬
tion offen bekämpfenden Vaiern und dem hinter diesem stehenden Frankreich ab¬
zubringen. Da sich aber keine Aussicht zeigte, in Wien damit durchzudringen
und das unerhört kühne Vordringen Friedrichs den stets für die Interessen
Hannovers besorgten König Georg II. mit Mißtrauen erfüllte, zumal seitdem
Friedrich ein Truppencvrps im Magdeburgischen durch deu alten Fürsten von
Dessau zusammenziehen ließ, ging von diesem persönlich die Idee aus, durch einen
Bund der genannten nordischen Seemächte und Sachsen-Polens den unruhigen
König niederzuwerfen und durch Beschneidung seiner Macht für die Zukunft un¬
schädlich zu macheu. Dresden wurde der Mittelpunkt für die Verhandlungen
dieses prenßenfeindlichen „Concerts," als sich der dortige Hof von der Aussicht
verlocken ließ, eine bei dem Thronwechsel in Oesterreich erstrebte, aber von diesem
hartnäckig verweigerte Vergrößerung durch Abtretung einiger Kreise Böhmens
nun auf Kosten Preußens zu suchen. Dazu war Oesterreich wenigstens bereit
eine Geldhilfe zu gewähren Diese ganze Combination hing indeß von der
Voraussetzung ab, daß Frankreich in der großen continentcilen Krise neutral bleiben
werde, wie es in den ersten Monaten nach Karls VI. Tode allerdings den An¬
schein hatte. Als letzteres im Frühjahr 1741 aus seiner Reserve heraustrat,
sah sich England doch wieder auf den alten Standpunkt zurückzukommen genöthigt,
daß man Preußen in der Coalition der Seemächte und Rußlands mit Oester¬
reich festhalten müsse, um es nicht in die geöffnete» Arme Frankreichs sinken
zu lassen. Daß König Georg bei dieser neuen Schwenkung den einmal gegen
Friedrich gefaßten Groll nicht wieder fahren lassen konnte und sich sein Ein¬
treten für Preußen durch möglichst hochgeschraubte Cvuvcuienzcn für Hnuuvver
bezahlen lassen wollte, gab der englischen Politik einen Charakter der Unauf-
richtigkeit und Hinterhältigkeit, durch den sie es mit einem Manne von der Art
des jungen Königs von Preußen verderben mußte.

Friedrich hatte von Anfang an nicht übel Lust gehabt, ein französisches
Bündniß einzugehen, aber einmal hatte sich zuerst Cardinal Fleury sehr kühl
gezeigt, dann hatte sein Minister Podewils ihn beschworen, diese gefährliche Idee
aufzugeben. Frankreich suche im Grunde nur den Umsturz des europäischen
Gleichgewichts durch die Niederwerfung des Hauses Oesterreich, um dann einen


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[0443] Friedrichs dos Große» erster IVaffougang, inatische Seite des Krieges den Antheil dieser beiden Mächte an den einzelnen Acten des großen Dramas und ihr Einwirken auf die Steigerung und endliche Lösung des Conflictes zu schildern. Der erste Gedanke in London nach dem Bekanntwerden der preußischen Pläne auf Schlesien war, daß man Oesterreich zu bewegen suchen müsse, durch eine Concession die Begehrlichkeit des ehrgeizigen Fürsten zu stillen, um ihn in dem Bunde mit den Seemächten und mit Ru߬ land zu erhalten und ihn von einer Verbindung mit dem die Praginatische Sanc¬ tion offen bekämpfenden Vaiern und dem hinter diesem stehenden Frankreich ab¬ zubringen. Da sich aber keine Aussicht zeigte, in Wien damit durchzudringen und das unerhört kühne Vordringen Friedrichs den stets für die Interessen Hannovers besorgten König Georg II. mit Mißtrauen erfüllte, zumal seitdem Friedrich ein Truppencvrps im Magdeburgischen durch deu alten Fürsten von Dessau zusammenziehen ließ, ging von diesem persönlich die Idee aus, durch einen Bund der genannten nordischen Seemächte und Sachsen-Polens den unruhigen König niederzuwerfen und durch Beschneidung seiner Macht für die Zukunft un¬ schädlich zu macheu. Dresden wurde der Mittelpunkt für die Verhandlungen dieses prenßenfeindlichen „Concerts," als sich der dortige Hof von der Aussicht verlocken ließ, eine bei dem Thronwechsel in Oesterreich erstrebte, aber von diesem hartnäckig verweigerte Vergrößerung durch Abtretung einiger Kreise Böhmens nun auf Kosten Preußens zu suchen. Dazu war Oesterreich wenigstens bereit eine Geldhilfe zu gewähren Diese ganze Combination hing indeß von der Voraussetzung ab, daß Frankreich in der großen continentcilen Krise neutral bleiben werde, wie es in den ersten Monaten nach Karls VI. Tode allerdings den An¬ schein hatte. Als letzteres im Frühjahr 1741 aus seiner Reserve heraustrat, sah sich England doch wieder auf den alten Standpunkt zurückzukommen genöthigt, daß man Preußen in der Coalition der Seemächte und Rußlands mit Oester¬ reich festhalten müsse, um es nicht in die geöffnete» Arme Frankreichs sinken zu lassen. Daß König Georg bei dieser neuen Schwenkung den einmal gegen Friedrich gefaßten Groll nicht wieder fahren lassen konnte und sich sein Ein¬ treten für Preußen durch möglichst hochgeschraubte Cvuvcuienzcn für Hnuuvver bezahlen lassen wollte, gab der englischen Politik einen Charakter der Unauf- richtigkeit und Hinterhältigkeit, durch den sie es mit einem Manne von der Art des jungen Königs von Preußen verderben mußte. Friedrich hatte von Anfang an nicht übel Lust gehabt, ein französisches Bündniß einzugehen, aber einmal hatte sich zuerst Cardinal Fleury sehr kühl gezeigt, dann hatte sein Minister Podewils ihn beschworen, diese gefährliche Idee aufzugeben. Frankreich suche im Grunde nur den Umsturz des europäischen Gleichgewichts durch die Niederwerfung des Hauses Oesterreich, um dann einen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/443>, abgerufen am 23.07.2024.