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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Friedrichs des Großen erster wciffengcmg.

war der Erbe Friedrich Wilhelms I. auch aus andern bekannten Gründen nicht
eben verpflichtet.

Der Freund militärischer Darstellung wird in dem dritten Buche des Ver¬
fassers, welches die Kriegsopcrationen im Zusammenhange und nur mit gelegent¬
lichen Hinweisen ans die bestimmend einwirkenden diplomatischen Verhandlungen
darstellt, sein volles Genügen finden, und namentlich den schlesischen Landsleuten
des Verfassers dürfte die eingehende Schilderung auch der kleinern und bei¬
läufigen Unternehmungen ein besondres Interesse einflöße". Das großen Feld¬
herren eigene kühne Vorwärtsgehen gerade auf den Leib des Gegners, um
den Krieg durch schnelle Schläge zu entscheiden, ward in Friedrichs erstem Feld-
zuge noch durch die jugendliche Hast beflügelt, aber er lernte bald einsehen, wie
sehr der Krieg auch eine Sache der unermüdlichen Wachsamkeit, Vorsicht und des
geduldigen Harrens auf den günstigen Moment ist. Ist gleich nicht ihm, sondern
Schwerin der Ruhm zuzuschreiben, die Schlacht bei Mollwitz gewonnen zu haben,
so ist es doch voll sein persönliches Verdienst, gegenüber dem Vormarsche des öster¬
reichischen Feldherrn Neipperg von Neisse auf Breslau zu durch rasche Ent¬
schlossenheit rückwärtsgehend eine Stellung erreicht zu haben, die Neipperg zur
Schlacht zwang. Und wiederum die plötzliche und unblutige Besetzung der Haupt¬
stadt Breslau, der anfangs Neutralität "bei deu jetzigen Conjuncturen und so
lauge dieselben dauern werden" zugesagt worden war, erfolgte gegen die Be¬
denklichkeiten seiner Generale und Minister und hatte den glänzendsten Erfolg.
Neippergs vorsichtige Defensive in einer durch die Festung Neisse gedeckten Stellung
war offenbar diesem König gegenüber die verständigste Kriegführung, und man
mag wohl dem Verfasser beistimmen, wenn er dies gegen die gewöhnliche ge¬
ringschätzige Beurtheilung des österreichischen Feldherrn betont. Der Verfasser
führt in dem vorliegenden ersten Bande die Kriegsereignisse nur bis zu dem
Abmärsche Neippergs aus dieser seiner Stellung bei Neisse im October 1741,
indem er das Hauptgewicht auf die Darstellung der der militärischen parallel¬
laufenden diplomatischen Campagne legt und ihr auf Grund sehr eingehender
archivalischer Studien, namentlich der lMnöverscheu und englischen Papiere,
die hier zum ersten Male erschöpfend benutzt worden sind, fast die ganze zweite
Hälfte des Bandes widmet.

"Wenn König Friedrich die europäische Constellation, unter der er sein
Unternehmen begann, wesentlich unter dem Gesichtspunkte des großen Gegen¬
satzes zwischen England und Frankreich aufgefaßt hatte und in diesem Gegen¬
satze eine Bürgschaft des Gelingens für seine Pläne erblickt hatte, so hat die
wirkliche Entwicklung der Dinge seine Auffassung in vollem Maße bestätigt."
Es erscheint demnach als die Hauptaufgabe der Geschichtschreibung, sür die diplo-


Friedrichs des Großen erster wciffengcmg.

war der Erbe Friedrich Wilhelms I. auch aus andern bekannten Gründen nicht
eben verpflichtet.

Der Freund militärischer Darstellung wird in dem dritten Buche des Ver¬
fassers, welches die Kriegsopcrationen im Zusammenhange und nur mit gelegent¬
lichen Hinweisen ans die bestimmend einwirkenden diplomatischen Verhandlungen
darstellt, sein volles Genügen finden, und namentlich den schlesischen Landsleuten
des Verfassers dürfte die eingehende Schilderung auch der kleinern und bei¬
läufigen Unternehmungen ein besondres Interesse einflöße». Das großen Feld¬
herren eigene kühne Vorwärtsgehen gerade auf den Leib des Gegners, um
den Krieg durch schnelle Schläge zu entscheiden, ward in Friedrichs erstem Feld-
zuge noch durch die jugendliche Hast beflügelt, aber er lernte bald einsehen, wie
sehr der Krieg auch eine Sache der unermüdlichen Wachsamkeit, Vorsicht und des
geduldigen Harrens auf den günstigen Moment ist. Ist gleich nicht ihm, sondern
Schwerin der Ruhm zuzuschreiben, die Schlacht bei Mollwitz gewonnen zu haben,
so ist es doch voll sein persönliches Verdienst, gegenüber dem Vormarsche des öster¬
reichischen Feldherrn Neipperg von Neisse auf Breslau zu durch rasche Ent¬
schlossenheit rückwärtsgehend eine Stellung erreicht zu haben, die Neipperg zur
Schlacht zwang. Und wiederum die plötzliche und unblutige Besetzung der Haupt¬
stadt Breslau, der anfangs Neutralität „bei deu jetzigen Conjuncturen und so
lauge dieselben dauern werden" zugesagt worden war, erfolgte gegen die Be¬
denklichkeiten seiner Generale und Minister und hatte den glänzendsten Erfolg.
Neippergs vorsichtige Defensive in einer durch die Festung Neisse gedeckten Stellung
war offenbar diesem König gegenüber die verständigste Kriegführung, und man
mag wohl dem Verfasser beistimmen, wenn er dies gegen die gewöhnliche ge¬
ringschätzige Beurtheilung des österreichischen Feldherrn betont. Der Verfasser
führt in dem vorliegenden ersten Bande die Kriegsereignisse nur bis zu dem
Abmärsche Neippergs aus dieser seiner Stellung bei Neisse im October 1741,
indem er das Hauptgewicht auf die Darstellung der der militärischen parallel¬
laufenden diplomatischen Campagne legt und ihr auf Grund sehr eingehender
archivalischer Studien, namentlich der lMnöverscheu und englischen Papiere,
die hier zum ersten Male erschöpfend benutzt worden sind, fast die ganze zweite
Hälfte des Bandes widmet.

„Wenn König Friedrich die europäische Constellation, unter der er sein
Unternehmen begann, wesentlich unter dem Gesichtspunkte des großen Gegen¬
satzes zwischen England und Frankreich aufgefaßt hatte und in diesem Gegen¬
satze eine Bürgschaft des Gelingens für seine Pläne erblickt hatte, so hat die
wirkliche Entwicklung der Dinge seine Auffassung in vollem Maße bestätigt."
Es erscheint demnach als die Hauptaufgabe der Geschichtschreibung, sür die diplo-


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[0442] Friedrichs des Großen erster wciffengcmg. war der Erbe Friedrich Wilhelms I. auch aus andern bekannten Gründen nicht eben verpflichtet. Der Freund militärischer Darstellung wird in dem dritten Buche des Ver¬ fassers, welches die Kriegsopcrationen im Zusammenhange und nur mit gelegent¬ lichen Hinweisen ans die bestimmend einwirkenden diplomatischen Verhandlungen darstellt, sein volles Genügen finden, und namentlich den schlesischen Landsleuten des Verfassers dürfte die eingehende Schilderung auch der kleinern und bei¬ läufigen Unternehmungen ein besondres Interesse einflöße». Das großen Feld¬ herren eigene kühne Vorwärtsgehen gerade auf den Leib des Gegners, um den Krieg durch schnelle Schläge zu entscheiden, ward in Friedrichs erstem Feld- zuge noch durch die jugendliche Hast beflügelt, aber er lernte bald einsehen, wie sehr der Krieg auch eine Sache der unermüdlichen Wachsamkeit, Vorsicht und des geduldigen Harrens auf den günstigen Moment ist. Ist gleich nicht ihm, sondern Schwerin der Ruhm zuzuschreiben, die Schlacht bei Mollwitz gewonnen zu haben, so ist es doch voll sein persönliches Verdienst, gegenüber dem Vormarsche des öster¬ reichischen Feldherrn Neipperg von Neisse auf Breslau zu durch rasche Ent¬ schlossenheit rückwärtsgehend eine Stellung erreicht zu haben, die Neipperg zur Schlacht zwang. Und wiederum die plötzliche und unblutige Besetzung der Haupt¬ stadt Breslau, der anfangs Neutralität „bei deu jetzigen Conjuncturen und so lauge dieselben dauern werden" zugesagt worden war, erfolgte gegen die Be¬ denklichkeiten seiner Generale und Minister und hatte den glänzendsten Erfolg. Neippergs vorsichtige Defensive in einer durch die Festung Neisse gedeckten Stellung war offenbar diesem König gegenüber die verständigste Kriegführung, und man mag wohl dem Verfasser beistimmen, wenn er dies gegen die gewöhnliche ge¬ ringschätzige Beurtheilung des österreichischen Feldherrn betont. Der Verfasser führt in dem vorliegenden ersten Bande die Kriegsereignisse nur bis zu dem Abmärsche Neippergs aus dieser seiner Stellung bei Neisse im October 1741, indem er das Hauptgewicht auf die Darstellung der der militärischen parallel¬ laufenden diplomatischen Campagne legt und ihr auf Grund sehr eingehender archivalischer Studien, namentlich der lMnöverscheu und englischen Papiere, die hier zum ersten Male erschöpfend benutzt worden sind, fast die ganze zweite Hälfte des Bandes widmet. „Wenn König Friedrich die europäische Constellation, unter der er sein Unternehmen begann, wesentlich unter dem Gesichtspunkte des großen Gegen¬ satzes zwischen England und Frankreich aufgefaßt hatte und in diesem Gegen¬ satze eine Bürgschaft des Gelingens für seine Pläne erblickt hatte, so hat die wirkliche Entwicklung der Dinge seine Auffassung in vollem Maße bestätigt." Es erscheint demnach als die Hauptaufgabe der Geschichtschreibung, sür die diplo-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/442>, abgerufen am 23.07.2024.