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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Die Bildnisse Goethes,

sich höre", wiewohl der gute Schriftsteller immer so zu schreiben weiß, daß er
den Leser auch ohne derartige mechanische Mittelchen zur richtigen Betonung
zwingt. In andern Fällen soll der Ueberblick, das Herausfinden bestimmter Stellen
dadurch erleichtert werden. Auch das hat Sinn, Wozu aber dann hundertmal
und öfter den Namen Goethe, so oft er vorkommt, unterstreichen? Man stelle
sich mir vor, wie das gedruckt aussieht. Jedes nnterstrichne Wort wird gesperrt
gedruckt. So lesen wir z, B. bei Rottele: "Johann Georg Forster äußerte
"ach seinem zu Kassel erfolgten Zusammentreffen mit Goethe, am 17. Sep¬
tember 1779, in einem Briefe an Jacobi aus Kassel vom 24. Oetober des¬
selben Jahres über Goethes Charakter und Wesen, wie es sich auch in seinem
Aeußern gespiegelt hat ?c." Dergleichen ist nicht nur beim Lesen höchst störend,
da man immer das Gefühl hat, als schrieen einen die gesperrten Worte an,
während alle übrigen ruhig sprechen, sondern es sieht auch abscheulich aus. Wenn
das der Verfasser nicht weiß, dann muß es der Drucker wissen, und weiß dieser
es nicht, dann muß der Verleger den Verfasser darüber belehren, daß die Ma¬
rotte des Unterstreichens den ganzen Druck verdirbt,")

Das Facit aus unsrer Besprechung zu ziehen, können wir wohl dem Leser
überlassen. Rvlletts "Gocthebildnisse, biographisch-kunstgeschichtlich dargestellt"
(zu guter letzt fällt uns der wunderliche Titel nochmals in die Auge"!) ist ein
Unternehmen, das entschieden Dank und Anerkennung verdient, das von wahr¬
hafter Begeisterung für die Sache eingegeben ist; trotzdem wird es zu jenen
Arbeiten gehören, von denen man sagen kann: "Sie sind gemacht, ein für allemal
gemacht, und doch nicht gemacht." Als vor einigen Jahren ein Privatmann in Leipzig,
ein warmer Verehrer Robert Schumanns, diesem aus eignen Mitteln ein gutge¬
meintes, aber etwas unzulängliches Denkmal in den Leipziger Promenaden errichtet
hatte, da sagte ein andrer begeisterter Schumanniauer, der mit Schumann selbst
noch Jahre lang verkehrt hatte: "Schade, schade! Nun bekommen wir in Leipzig
nie ein Schumanndenkmal, denn es wird immer heißen, wir hätten ja eins."
Die Geschichte siel uns wieder ein, als wir die Entscheidung der Frage: Rottele
oder Zarncke? erfuhren. Man sagt gewöhnlich, das Bessere sei der Feind des
Guten. Manchmal könnte es aber auch umgekehrt heißen: Das Gute ist der
Feind des Bessern.



*) Auch an Druckfehlern ist kein Mangel. Sie sind immer ärgerlich, dreifach aber in
einem Prachtdrnck, der mit der peinlichsten Sorgfalt hergestellt sein und um dem kein Ständ¬
chen haften sollte. S. 9 steht Egger's für Eggcrs (Verfasser der Biographie Rauchs) -- ein
Fehler, der nicht vorkommen könnte, wenn endlich in den Druckereien das kindische Apostroph
vor dem Genctiv-s abgeschafft würde --, S. 12 XVIII. Jahrhundert (sechs Zeilen drüber
19. Jahrhundert), S. 16 Shnper für Schayer, S. 2S u. 26 bald Diezman", bald Dietzmcmn,
S 61 1744 für 1774,
Die Bildnisse Goethes,

sich höre», wiewohl der gute Schriftsteller immer so zu schreiben weiß, daß er
den Leser auch ohne derartige mechanische Mittelchen zur richtigen Betonung
zwingt. In andern Fällen soll der Ueberblick, das Herausfinden bestimmter Stellen
dadurch erleichtert werden. Auch das hat Sinn, Wozu aber dann hundertmal
und öfter den Namen Goethe, so oft er vorkommt, unterstreichen? Man stelle
sich mir vor, wie das gedruckt aussieht. Jedes nnterstrichne Wort wird gesperrt
gedruckt. So lesen wir z, B. bei Rottele: „Johann Georg Forster äußerte
»ach seinem zu Kassel erfolgten Zusammentreffen mit Goethe, am 17. Sep¬
tember 1779, in einem Briefe an Jacobi aus Kassel vom 24. Oetober des¬
selben Jahres über Goethes Charakter und Wesen, wie es sich auch in seinem
Aeußern gespiegelt hat ?c." Dergleichen ist nicht nur beim Lesen höchst störend,
da man immer das Gefühl hat, als schrieen einen die gesperrten Worte an,
während alle übrigen ruhig sprechen, sondern es sieht auch abscheulich aus. Wenn
das der Verfasser nicht weiß, dann muß es der Drucker wissen, und weiß dieser
es nicht, dann muß der Verleger den Verfasser darüber belehren, daß die Ma¬
rotte des Unterstreichens den ganzen Druck verdirbt,")

Das Facit aus unsrer Besprechung zu ziehen, können wir wohl dem Leser
überlassen. Rvlletts „Gocthebildnisse, biographisch-kunstgeschichtlich dargestellt"
(zu guter letzt fällt uns der wunderliche Titel nochmals in die Auge»!) ist ein
Unternehmen, das entschieden Dank und Anerkennung verdient, das von wahr¬
hafter Begeisterung für die Sache eingegeben ist; trotzdem wird es zu jenen
Arbeiten gehören, von denen man sagen kann: „Sie sind gemacht, ein für allemal
gemacht, und doch nicht gemacht." Als vor einigen Jahren ein Privatmann in Leipzig,
ein warmer Verehrer Robert Schumanns, diesem aus eignen Mitteln ein gutge¬
meintes, aber etwas unzulängliches Denkmal in den Leipziger Promenaden errichtet
hatte, da sagte ein andrer begeisterter Schumanniauer, der mit Schumann selbst
noch Jahre lang verkehrt hatte: „Schade, schade! Nun bekommen wir in Leipzig
nie ein Schumanndenkmal, denn es wird immer heißen, wir hätten ja eins."
Die Geschichte siel uns wieder ein, als wir die Entscheidung der Frage: Rottele
oder Zarncke? erfuhren. Man sagt gewöhnlich, das Bessere sei der Feind des
Guten. Manchmal könnte es aber auch umgekehrt heißen: Das Gute ist der
Feind des Bessern.



*) Auch an Druckfehlern ist kein Mangel. Sie sind immer ärgerlich, dreifach aber in
einem Prachtdrnck, der mit der peinlichsten Sorgfalt hergestellt sein und um dem kein Ständ¬
chen haften sollte. S. 9 steht Egger's für Eggcrs (Verfasser der Biographie Rauchs) — ein
Fehler, der nicht vorkommen könnte, wenn endlich in den Druckereien das kindische Apostroph
vor dem Genctiv-s abgeschafft würde —, S. 12 XVIII. Jahrhundert (sechs Zeilen drüber
19. Jahrhundert), S. 16 Shnper für Schayer, S. 2S u. 26 bald Diezman», bald Dietzmcmn,
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[0423] Die Bildnisse Goethes, sich höre», wiewohl der gute Schriftsteller immer so zu schreiben weiß, daß er den Leser auch ohne derartige mechanische Mittelchen zur richtigen Betonung zwingt. In andern Fällen soll der Ueberblick, das Herausfinden bestimmter Stellen dadurch erleichtert werden. Auch das hat Sinn, Wozu aber dann hundertmal und öfter den Namen Goethe, so oft er vorkommt, unterstreichen? Man stelle sich mir vor, wie das gedruckt aussieht. Jedes nnterstrichne Wort wird gesperrt gedruckt. So lesen wir z, B. bei Rottele: „Johann Georg Forster äußerte »ach seinem zu Kassel erfolgten Zusammentreffen mit Goethe, am 17. Sep¬ tember 1779, in einem Briefe an Jacobi aus Kassel vom 24. Oetober des¬ selben Jahres über Goethes Charakter und Wesen, wie es sich auch in seinem Aeußern gespiegelt hat ?c." Dergleichen ist nicht nur beim Lesen höchst störend, da man immer das Gefühl hat, als schrieen einen die gesperrten Worte an, während alle übrigen ruhig sprechen, sondern es sieht auch abscheulich aus. Wenn das der Verfasser nicht weiß, dann muß es der Drucker wissen, und weiß dieser es nicht, dann muß der Verleger den Verfasser darüber belehren, daß die Ma¬ rotte des Unterstreichens den ganzen Druck verdirbt,") Das Facit aus unsrer Besprechung zu ziehen, können wir wohl dem Leser überlassen. Rvlletts „Gocthebildnisse, biographisch-kunstgeschichtlich dargestellt" (zu guter letzt fällt uns der wunderliche Titel nochmals in die Auge»!) ist ein Unternehmen, das entschieden Dank und Anerkennung verdient, das von wahr¬ hafter Begeisterung für die Sache eingegeben ist; trotzdem wird es zu jenen Arbeiten gehören, von denen man sagen kann: „Sie sind gemacht, ein für allemal gemacht, und doch nicht gemacht." Als vor einigen Jahren ein Privatmann in Leipzig, ein warmer Verehrer Robert Schumanns, diesem aus eignen Mitteln ein gutge¬ meintes, aber etwas unzulängliches Denkmal in den Leipziger Promenaden errichtet hatte, da sagte ein andrer begeisterter Schumanniauer, der mit Schumann selbst noch Jahre lang verkehrt hatte: „Schade, schade! Nun bekommen wir in Leipzig nie ein Schumanndenkmal, denn es wird immer heißen, wir hätten ja eins." Die Geschichte siel uns wieder ein, als wir die Entscheidung der Frage: Rottele oder Zarncke? erfuhren. Man sagt gewöhnlich, das Bessere sei der Feind des Guten. Manchmal könnte es aber auch umgekehrt heißen: Das Gute ist der Feind des Bessern. *) Auch an Druckfehlern ist kein Mangel. Sie sind immer ärgerlich, dreifach aber in einem Prachtdrnck, der mit der peinlichsten Sorgfalt hergestellt sein und um dem kein Ständ¬ chen haften sollte. S. 9 steht Egger's für Eggcrs (Verfasser der Biographie Rauchs) — ein Fehler, der nicht vorkommen könnte, wenn endlich in den Druckereien das kindische Apostroph vor dem Genctiv-s abgeschafft würde —, S. 12 XVIII. Jahrhundert (sechs Zeilen drüber 19. Jahrhundert), S. 16 Shnper für Schayer, S. 2S u. 26 bald Diezman», bald Dietzmcmn, S 61 1744 für 1774,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/423>, abgerufen am 23.07.2024.