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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Die Bildnisse Goethes.

Ueberhaupt kennt das Autvritätsbedürfniß Rolletts, der Respect vor allem, was
jemals gedruckt worden ist, gar keine Grenzen. Selbst die Beobachtung, daß
Mischen den zahlreichen existirenden Goethebildnissen ein großer Unterschied be¬
steht, wagt er nicht selber anzustellen, sondern belegt sie dnrch eines seiner zahl¬
reichen Zettelchen: "Wie verschieden sind doch die Porträts, die man von Goethe
besitzt! sagte der große Shakespeare-Kenner Halliwell zu Heinrich König, als er
mit ihm 1866 das Goethehans zu Frankfurt a. M, besuchte." Als ob man
"der große Shakespeare-Kenner Halliwell" sein müßte, um diesen tiefsinnigen
Nusspruch zu thun.

Fast komisch ist die Art, wie der Verfasser von dein "Apollotypus" und
dem "Zeustypus" in den Bildnissen Goethes redet. Er sortirt sie geradezu in
diese beiden Klassen und erklärt von dem 1791 von Lips gestochnen Porträt
allen Ernstes: "Es bildet den Uebergang vom Apollo-zum Jupiterthpus Goethes."
Es ist ja richtig, daß man den jungen Goethe oft genug um seiner strahlenden
Schönheit willen einen Apoll genannt hat, und ebenso kehrt dem alten Goethe
gegenüber die Phrase vom Zeus, vom Jupiter, vom Olympier fortwährend wieder.
Aber das sind doch Redeblumen, die kein Mensch mit wissenschaftlichem Ernste
behandeln wird. Jeder Kenner der antiken Kunst weiß, daß zwischen den Jdeal-
typen des Apollo und des Zeus, wie die griechische Kunst sie im Lauie der
Zeit ausgebildet hatte, mehr als bloße Altersunterschiede liegen, daß von dem
einen zum andern schlechterdings keine Brücke hinüberführt. Aber auch abge¬
sehen davon: das ewige Geschwätz vom Goethe-Apoll und vom Goethe-Jupiter
soll sich doch mindestens ebensosehr auf das Wesen wie auf das Aeußere Goethes
beziehen. Eben um jenes undefinirbare Etwas auszudrücken, welches zu schildern
so manche Feder verzweifelte, flüchtete man zu dem Vergleich mit den Götter¬
gestalten der antiken Kunst. Dies aber nun so äußerlich zu nehmen und die Bild¬
nisse Goethes demgemäß in zwei Gruppen zu theilen, ist doch eine wunderliche Idee.

Uvah sonst zeigt sich die dilettantische Art des Verfassers in vielen Dingen:


"Als ich ein junger Geselle war,
Lustig und guter Dinge,
Da hielten die Maler offenbar
Mein Gesicht für viel zu geringe"
u. s. w. ist nicht von Goethe, sondern von Friedrich Förster, der es dem Braunschweigischen Hos>
mater Sebbers, nachdem dieser 1826 die später so berühmt gewordne Tasse mit Goethes
Porträt, jetzt in der Bibliothek in Weimar, gemalt hatte, ins Album schrieb. Förster hat
das Gedicht bereits 1808 als sein Eigenthum reclamirt in der Biographie Goethes, die er
dem ersten Baude der Hcmpelscheu Ausgabe vorausgeschickt hat. <S. (ZI.XXX.) "Wie es
geschehen," schreibt er, "daß es sich unter die Gedichte Goethes verirrt hat, ist mir unbelnuut!
ich kann es mir gern gefallen lassen."
Die Bildnisse Goethes.

Ueberhaupt kennt das Autvritätsbedürfniß Rolletts, der Respect vor allem, was
jemals gedruckt worden ist, gar keine Grenzen. Selbst die Beobachtung, daß
Mischen den zahlreichen existirenden Goethebildnissen ein großer Unterschied be¬
steht, wagt er nicht selber anzustellen, sondern belegt sie dnrch eines seiner zahl¬
reichen Zettelchen: „Wie verschieden sind doch die Porträts, die man von Goethe
besitzt! sagte der große Shakespeare-Kenner Halliwell zu Heinrich König, als er
mit ihm 1866 das Goethehans zu Frankfurt a. M, besuchte." Als ob man
„der große Shakespeare-Kenner Halliwell" sein müßte, um diesen tiefsinnigen
Nusspruch zu thun.

Fast komisch ist die Art, wie der Verfasser von dein „Apollotypus" und
dem „Zeustypus" in den Bildnissen Goethes redet. Er sortirt sie geradezu in
diese beiden Klassen und erklärt von dem 1791 von Lips gestochnen Porträt
allen Ernstes: „Es bildet den Uebergang vom Apollo-zum Jupiterthpus Goethes."
Es ist ja richtig, daß man den jungen Goethe oft genug um seiner strahlenden
Schönheit willen einen Apoll genannt hat, und ebenso kehrt dem alten Goethe
gegenüber die Phrase vom Zeus, vom Jupiter, vom Olympier fortwährend wieder.
Aber das sind doch Redeblumen, die kein Mensch mit wissenschaftlichem Ernste
behandeln wird. Jeder Kenner der antiken Kunst weiß, daß zwischen den Jdeal-
typen des Apollo und des Zeus, wie die griechische Kunst sie im Lauie der
Zeit ausgebildet hatte, mehr als bloße Altersunterschiede liegen, daß von dem
einen zum andern schlechterdings keine Brücke hinüberführt. Aber auch abge¬
sehen davon: das ewige Geschwätz vom Goethe-Apoll und vom Goethe-Jupiter
soll sich doch mindestens ebensosehr auf das Wesen wie auf das Aeußere Goethes
beziehen. Eben um jenes undefinirbare Etwas auszudrücken, welches zu schildern
so manche Feder verzweifelte, flüchtete man zu dem Vergleich mit den Götter¬
gestalten der antiken Kunst. Dies aber nun so äußerlich zu nehmen und die Bild¬
nisse Goethes demgemäß in zwei Gruppen zu theilen, ist doch eine wunderliche Idee.

Uvah sonst zeigt sich die dilettantische Art des Verfassers in vielen Dingen:


„Als ich ein junger Geselle war,
Lustig und guter Dinge,
Da hielten die Maler offenbar
Mein Gesicht für viel zu geringe"
u. s. w. ist nicht von Goethe, sondern von Friedrich Förster, der es dem Braunschweigischen Hos>
mater Sebbers, nachdem dieser 1826 die später so berühmt gewordne Tasse mit Goethes
Porträt, jetzt in der Bibliothek in Weimar, gemalt hatte, ins Album schrieb. Förster hat
das Gedicht bereits 1808 als sein Eigenthum reclamirt in der Biographie Goethes, die er
dem ersten Baude der Hcmpelscheu Ausgabe vorausgeschickt hat. <S. (ZI.XXX.) „Wie es
geschehen," schreibt er, „daß es sich unter die Gedichte Goethes verirrt hat, ist mir unbelnuut!
ich kann es mir gern gefallen lassen."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/420>, abgerufen am 23.07.2024.