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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Gladstones Programm und Erfolge.

Note des französischen Botschafters die Unterhandlungen wegen Abschlusses eines
neuen Handelsvertrags nicht erwähne. Die Regierung Ihrer Majestät der Königin
habe bis jetzt keine klare Darlegung über die Absichten der französischen Regie¬
rung in bezug auf jene Unterhandlungen erhalten, während die französische Re¬
gierung, wie bekannt, die bestehenden Verträge, unter deren Einflüsse die Handels-
nnd Freundschaftsbeziehungen der beiden Länder erheblich gefördert worden seien,
gekündigt habe. Die britische Regierung glaube, daß es unter den obwaltenden
Umständen Sache der französischen sei, die Grundlagen eines neuen Handels¬
vertrags in Vorschlag zu bringen. Granville führt sodann die im verflossnen
Jahre von Leon Sah vvrgeschlagnen Grundlagen eines solchen an und bemerkt,
daß dieselben in England große Befriedigung hervorgerufen hätten. Darauf
spricht er die Hoffnung aus, daß die gegen die gänzliche Aufhebung der Werth¬
zölle vorgebrachten Einwendungen gründlicher Erwägung unterzogen werden
würden, und daß Frankreich wirklich die Absicht habe, den quo in betreff
der streitigen Nebcnpunkte der Zölle aufrecht zu erhalten. Schließlich erklärt
der britische Minister des Auswärtigen, daß man englischerseits bereit sei, die
Unterhandlungen wieder aufzunehmen, und fragt an, ob dieselben in London
oder Paris stattfinden sollen. Die Correspondenz endigt mit nachstehender De¬
pesche Granvillcs an Lord Lyons, den britischen Botschafter beim Präsidenten
der französischen Republik:


"Auswärtiges Amt, 11. Meil. Mylord, Herr Challemel-Lacour machte nur
heute seine Aufwartung und sagte, er habe meine Note vom 10. d. M. bezüglich
der Unterhandlungen wegen des Abschlusses eines neuen Handelsvertrags mit Frank¬
reich erhalten und keine Zeit verloren, dieselbe seiner Regierung zu übersenden,
und er befinde sich mit mir insofern in voller Uebereinstimmung, als auch er glaube,
daß ohne Verzug Schritte zum Beginn solcher Unterhandlungen gethan werden
müßten. Fernerhin bemerkte Se. Excellenz, er sei der Meinung, daß in England
unnöthige Aufregung in betreff der Veränderungen in den französischen Eingangs-
zöllcn im Zusammenhange mit dem neuen Generaltarife herrsche. Er wiederholte,
daß es die Absicht der französischen Regierung sei, die Werthzölle abzuschaffen, aber
daß sie den Wunsch und die Absicht hege, dieselben durch den richtigen äquivalenten
Betrag in specifischen Abgaben zu ersetzen. Ich sagte, ich hätte stets gehofft, daß
die französische Regierung in der Durchführung der Verwandlung der Werthzölle
in specifische Abgaben nicht darnach trachten werde, den Betrag, zu dem jene ge¬
schätzt worden, zu erhöhen, und daß ich mich sehr freue, die von Sr. Excellenz
ertheilte Versicherung entgegenzunehmen. Es würde diesem Lande (d. h. England)
zu großer Befriedigung gereichen, zu erfahren, ob die französische Regierung in
Wirklichkeit von dem Status guo nicht abzuweichen beabsichtigt."

Aus dem Diplomatischen übersetzt heißt das: 1) England liegt sehr viel an
einem neuen Handelsvertrage mit Frankreich, der von dem alten möglichst wenig
verschieden ist, und 2) Granville ist keineswegs darüber beruhigt, daß es einen
solchen erhalten wird. Dies geht noch deutlicher aus folgendem hervor. Um


Ärmzboten U. 1S81. Ü0
Gladstones Programm und Erfolge.

Note des französischen Botschafters die Unterhandlungen wegen Abschlusses eines
neuen Handelsvertrags nicht erwähne. Die Regierung Ihrer Majestät der Königin
habe bis jetzt keine klare Darlegung über die Absichten der französischen Regie¬
rung in bezug auf jene Unterhandlungen erhalten, während die französische Re¬
gierung, wie bekannt, die bestehenden Verträge, unter deren Einflüsse die Handels-
nnd Freundschaftsbeziehungen der beiden Länder erheblich gefördert worden seien,
gekündigt habe. Die britische Regierung glaube, daß es unter den obwaltenden
Umständen Sache der französischen sei, die Grundlagen eines neuen Handels¬
vertrags in Vorschlag zu bringen. Granville führt sodann die im verflossnen
Jahre von Leon Sah vvrgeschlagnen Grundlagen eines solchen an und bemerkt,
daß dieselben in England große Befriedigung hervorgerufen hätten. Darauf
spricht er die Hoffnung aus, daß die gegen die gänzliche Aufhebung der Werth¬
zölle vorgebrachten Einwendungen gründlicher Erwägung unterzogen werden
würden, und daß Frankreich wirklich die Absicht habe, den quo in betreff
der streitigen Nebcnpunkte der Zölle aufrecht zu erhalten. Schließlich erklärt
der britische Minister des Auswärtigen, daß man englischerseits bereit sei, die
Unterhandlungen wieder aufzunehmen, und fragt an, ob dieselben in London
oder Paris stattfinden sollen. Die Correspondenz endigt mit nachstehender De¬
pesche Granvillcs an Lord Lyons, den britischen Botschafter beim Präsidenten
der französischen Republik:


„Auswärtiges Amt, 11. Meil. Mylord, Herr Challemel-Lacour machte nur
heute seine Aufwartung und sagte, er habe meine Note vom 10. d. M. bezüglich
der Unterhandlungen wegen des Abschlusses eines neuen Handelsvertrags mit Frank¬
reich erhalten und keine Zeit verloren, dieselbe seiner Regierung zu übersenden,
und er befinde sich mit mir insofern in voller Uebereinstimmung, als auch er glaube,
daß ohne Verzug Schritte zum Beginn solcher Unterhandlungen gethan werden
müßten. Fernerhin bemerkte Se. Excellenz, er sei der Meinung, daß in England
unnöthige Aufregung in betreff der Veränderungen in den französischen Eingangs-
zöllcn im Zusammenhange mit dem neuen Generaltarife herrsche. Er wiederholte,
daß es die Absicht der französischen Regierung sei, die Werthzölle abzuschaffen, aber
daß sie den Wunsch und die Absicht hege, dieselben durch den richtigen äquivalenten
Betrag in specifischen Abgaben zu ersetzen. Ich sagte, ich hätte stets gehofft, daß
die französische Regierung in der Durchführung der Verwandlung der Werthzölle
in specifische Abgaben nicht darnach trachten werde, den Betrag, zu dem jene ge¬
schätzt worden, zu erhöhen, und daß ich mich sehr freue, die von Sr. Excellenz
ertheilte Versicherung entgegenzunehmen. Es würde diesem Lande (d. h. England)
zu großer Befriedigung gereichen, zu erfahren, ob die französische Regierung in
Wirklichkeit von dem Status guo nicht abzuweichen beabsichtigt."

Aus dem Diplomatischen übersetzt heißt das: 1) England liegt sehr viel an
einem neuen Handelsvertrage mit Frankreich, der von dem alten möglichst wenig
verschieden ist, und 2) Granville ist keineswegs darüber beruhigt, daß es einen
solchen erhalten wird. Dies geht noch deutlicher aus folgendem hervor. Um


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[0397] Gladstones Programm und Erfolge. Note des französischen Botschafters die Unterhandlungen wegen Abschlusses eines neuen Handelsvertrags nicht erwähne. Die Regierung Ihrer Majestät der Königin habe bis jetzt keine klare Darlegung über die Absichten der französischen Regie¬ rung in bezug auf jene Unterhandlungen erhalten, während die französische Re¬ gierung, wie bekannt, die bestehenden Verträge, unter deren Einflüsse die Handels- nnd Freundschaftsbeziehungen der beiden Länder erheblich gefördert worden seien, gekündigt habe. Die britische Regierung glaube, daß es unter den obwaltenden Umständen Sache der französischen sei, die Grundlagen eines neuen Handels¬ vertrags in Vorschlag zu bringen. Granville führt sodann die im verflossnen Jahre von Leon Sah vvrgeschlagnen Grundlagen eines solchen an und bemerkt, daß dieselben in England große Befriedigung hervorgerufen hätten. Darauf spricht er die Hoffnung aus, daß die gegen die gänzliche Aufhebung der Werth¬ zölle vorgebrachten Einwendungen gründlicher Erwägung unterzogen werden würden, und daß Frankreich wirklich die Absicht habe, den quo in betreff der streitigen Nebcnpunkte der Zölle aufrecht zu erhalten. Schließlich erklärt der britische Minister des Auswärtigen, daß man englischerseits bereit sei, die Unterhandlungen wieder aufzunehmen, und fragt an, ob dieselben in London oder Paris stattfinden sollen. Die Correspondenz endigt mit nachstehender De¬ pesche Granvillcs an Lord Lyons, den britischen Botschafter beim Präsidenten der französischen Republik: „Auswärtiges Amt, 11. Meil. Mylord, Herr Challemel-Lacour machte nur heute seine Aufwartung und sagte, er habe meine Note vom 10. d. M. bezüglich der Unterhandlungen wegen des Abschlusses eines neuen Handelsvertrags mit Frank¬ reich erhalten und keine Zeit verloren, dieselbe seiner Regierung zu übersenden, und er befinde sich mit mir insofern in voller Uebereinstimmung, als auch er glaube, daß ohne Verzug Schritte zum Beginn solcher Unterhandlungen gethan werden müßten. Fernerhin bemerkte Se. Excellenz, er sei der Meinung, daß in England unnöthige Aufregung in betreff der Veränderungen in den französischen Eingangs- zöllcn im Zusammenhange mit dem neuen Generaltarife herrsche. Er wiederholte, daß es die Absicht der französischen Regierung sei, die Werthzölle abzuschaffen, aber daß sie den Wunsch und die Absicht hege, dieselben durch den richtigen äquivalenten Betrag in specifischen Abgaben zu ersetzen. Ich sagte, ich hätte stets gehofft, daß die französische Regierung in der Durchführung der Verwandlung der Werthzölle in specifische Abgaben nicht darnach trachten werde, den Betrag, zu dem jene ge¬ schätzt worden, zu erhöhen, und daß ich mich sehr freue, die von Sr. Excellenz ertheilte Versicherung entgegenzunehmen. Es würde diesem Lande (d. h. England) zu großer Befriedigung gereichen, zu erfahren, ob die französische Regierung in Wirklichkeit von dem Status guo nicht abzuweichen beabsichtigt." Aus dem Diplomatischen übersetzt heißt das: 1) England liegt sehr viel an einem neuen Handelsvertrage mit Frankreich, der von dem alten möglichst wenig verschieden ist, und 2) Granville ist keineswegs darüber beruhigt, daß es einen solchen erhalten wird. Dies geht noch deutlicher aus folgendem hervor. Um Ärmzboten U. 1S81. Ü0

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/397>, abgerufen am 01.10.2024.