Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Siidpolargebiet.

lieben Sitze der meteorologischen Erscheinungen ansehen, und so lange diese noch
nicht genügend oder gar nicht erforscht sind, wird der praktische Meteorolog in
der gleichen Lage sein wie der Arzt, der eine innere Krankheit der Organe nach
ihren Erscheinungen an der Oberfläche des Körpers kuriren soll. Er sieht eben
nur die Folgen und nicht den Sitz der verändernden Kraft; er faßt die Fäden
der Bewegung nur an ihren Enden, und wenn er sie an sich ziehen will, so
zerreißen sie.

Abgesehen von dieser tiefeingreifenden Bedeutung der Polarforschungen, sind
es aber auch noch eine Menge andrer wichtiger Fragen, die durch sie gefördert
oder gelöst werden. Die Frage, ob die Pole von Land oder von Wasser be¬
deckt werden, ist eine vielbesprochnc; Vermuthungen und deren Widerlegungen
haben viel Papier verschlungen, ohne eine Spur von Gewißheit bewirkt zu haben.
Möglich ist beides. Ferner kann man bei einem Polarlande darüber zweifel¬
haft sein, ob es ganz vergletschert ist oder nicht, und ebenso bei einem Polar¬
meere, ob es ganz vereist ist, ob es zu gewissen Zeiten des Jahres aufthaut oder
nicht, wie weit die warmen Meeresströmungen als solche vordringen. Weitere
Gesichtspunkte ergeben sich durch die Feststellung des Tiefsecbodcus, durch magne¬
tische Beobachtungen, durch Untersuchung des pflanzlichen und thierischen Lebens
(die Polargrenzen des Menschen sind bereits ermittelt), wie weit die Pslauzeu-
und Thierwelt sich nach Nord und Süd zu ausdehnt, und in welchen Formen
sie auftritt. Die Naturwissenschaften und die Erdkunde in ihren vielerlei Ver¬
zweigungen würden durch die systematisch fortgeführte Pvlarfvrschung entschiedne
Bereicherungen und Verbesserungen erfahren; ja die systematische Darstellung
der Oberflächenknnde und der Naturreiche kann erst nach Vollendung dieser Ent¬
deckungen ausgeführt werden.

Die Arbeit am Nordpol ist mit regem Eifer und, oro, g'runo 8!i1i8 genommen,
auch mit entsprechenden Erfolgen in der neuern Zeit fortgeführt worden; die Ar¬
beit am Südpol bildet eine Insel in der Entdeckungsgeschichte von kurzer Dauer
und geringen Ergebnissen, und es verdient daher die höchste Anerkennung und
Aufmunterung, daß die italienischen Geographen der Gegenwart, unter ihnen
besonders Bove, der Begleiter Nordenskjölds, und Negri, der Präsident der
Italienischen geographischen Gesellschaft, den Plan zu einer antarktischen Reise
entworfen und bereits mit der Sammlung der nöthigen Geldmittel begonnen
haben. Ehe wir aber diesen Plan mittheilen, möge es gestattet sein, der
Männer zu gedenken, welche sich um das Bekanntwerden der Südpolargebietc bisher
verdient gemacht haben, und die Ergebnisse ihrer Bestrebungen kurz zu skizziren.

Der südlichste Punkt, welcher vor Cook erreicht worden war, lag unter 67" 17';
es war eine Insel, welche der Entdecker derselben Bccmchesne 1701 nach seinein


Das Siidpolargebiet.

lieben Sitze der meteorologischen Erscheinungen ansehen, und so lange diese noch
nicht genügend oder gar nicht erforscht sind, wird der praktische Meteorolog in
der gleichen Lage sein wie der Arzt, der eine innere Krankheit der Organe nach
ihren Erscheinungen an der Oberfläche des Körpers kuriren soll. Er sieht eben
nur die Folgen und nicht den Sitz der verändernden Kraft; er faßt die Fäden
der Bewegung nur an ihren Enden, und wenn er sie an sich ziehen will, so
zerreißen sie.

Abgesehen von dieser tiefeingreifenden Bedeutung der Polarforschungen, sind
es aber auch noch eine Menge andrer wichtiger Fragen, die durch sie gefördert
oder gelöst werden. Die Frage, ob die Pole von Land oder von Wasser be¬
deckt werden, ist eine vielbesprochnc; Vermuthungen und deren Widerlegungen
haben viel Papier verschlungen, ohne eine Spur von Gewißheit bewirkt zu haben.
Möglich ist beides. Ferner kann man bei einem Polarlande darüber zweifel¬
haft sein, ob es ganz vergletschert ist oder nicht, und ebenso bei einem Polar¬
meere, ob es ganz vereist ist, ob es zu gewissen Zeiten des Jahres aufthaut oder
nicht, wie weit die warmen Meeresströmungen als solche vordringen. Weitere
Gesichtspunkte ergeben sich durch die Feststellung des Tiefsecbodcus, durch magne¬
tische Beobachtungen, durch Untersuchung des pflanzlichen und thierischen Lebens
(die Polargrenzen des Menschen sind bereits ermittelt), wie weit die Pslauzeu-
und Thierwelt sich nach Nord und Süd zu ausdehnt, und in welchen Formen
sie auftritt. Die Naturwissenschaften und die Erdkunde in ihren vielerlei Ver¬
zweigungen würden durch die systematisch fortgeführte Pvlarfvrschung entschiedne
Bereicherungen und Verbesserungen erfahren; ja die systematische Darstellung
der Oberflächenknnde und der Naturreiche kann erst nach Vollendung dieser Ent¬
deckungen ausgeführt werden.

Die Arbeit am Nordpol ist mit regem Eifer und, oro, g'runo 8!i1i8 genommen,
auch mit entsprechenden Erfolgen in der neuern Zeit fortgeführt worden; die Ar¬
beit am Südpol bildet eine Insel in der Entdeckungsgeschichte von kurzer Dauer
und geringen Ergebnissen, und es verdient daher die höchste Anerkennung und
Aufmunterung, daß die italienischen Geographen der Gegenwart, unter ihnen
besonders Bove, der Begleiter Nordenskjölds, und Negri, der Präsident der
Italienischen geographischen Gesellschaft, den Plan zu einer antarktischen Reise
entworfen und bereits mit der Sammlung der nöthigen Geldmittel begonnen
haben. Ehe wir aber diesen Plan mittheilen, möge es gestattet sein, der
Männer zu gedenken, welche sich um das Bekanntwerden der Südpolargebietc bisher
verdient gemacht haben, und die Ergebnisse ihrer Bestrebungen kurz zu skizziren.

Der südlichste Punkt, welcher vor Cook erreicht worden war, lag unter 67" 17';
es war eine Insel, welche der Entdecker derselben Bccmchesne 1701 nach seinein


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0379" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149951"/>
          <fw type="header" place="top"> Das Siidpolargebiet.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1273" prev="#ID_1272"> lieben Sitze der meteorologischen Erscheinungen ansehen, und so lange diese noch<lb/>
nicht genügend oder gar nicht erforscht sind, wird der praktische Meteorolog in<lb/>
der gleichen Lage sein wie der Arzt, der eine innere Krankheit der Organe nach<lb/>
ihren Erscheinungen an der Oberfläche des Körpers kuriren soll. Er sieht eben<lb/>
nur die Folgen und nicht den Sitz der verändernden Kraft; er faßt die Fäden<lb/>
der Bewegung nur an ihren Enden, und wenn er sie an sich ziehen will, so<lb/>
zerreißen sie.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1274"> Abgesehen von dieser tiefeingreifenden Bedeutung der Polarforschungen, sind<lb/>
es aber auch noch eine Menge andrer wichtiger Fragen, die durch sie gefördert<lb/>
oder gelöst werden. Die Frage, ob die Pole von Land oder von Wasser be¬<lb/>
deckt werden, ist eine vielbesprochnc; Vermuthungen und deren Widerlegungen<lb/>
haben viel Papier verschlungen, ohne eine Spur von Gewißheit bewirkt zu haben.<lb/>
Möglich ist beides. Ferner kann man bei einem Polarlande darüber zweifel¬<lb/>
haft sein, ob es ganz vergletschert ist oder nicht, und ebenso bei einem Polar¬<lb/>
meere, ob es ganz vereist ist, ob es zu gewissen Zeiten des Jahres aufthaut oder<lb/>
nicht, wie weit die warmen Meeresströmungen als solche vordringen. Weitere<lb/>
Gesichtspunkte ergeben sich durch die Feststellung des Tiefsecbodcus, durch magne¬<lb/>
tische Beobachtungen, durch Untersuchung des pflanzlichen und thierischen Lebens<lb/>
(die Polargrenzen des Menschen sind bereits ermittelt), wie weit die Pslauzeu-<lb/>
und Thierwelt sich nach Nord und Süd zu ausdehnt, und in welchen Formen<lb/>
sie auftritt. Die Naturwissenschaften und die Erdkunde in ihren vielerlei Ver¬<lb/>
zweigungen würden durch die systematisch fortgeführte Pvlarfvrschung entschiedne<lb/>
Bereicherungen und Verbesserungen erfahren; ja die systematische Darstellung<lb/>
der Oberflächenknnde und der Naturreiche kann erst nach Vollendung dieser Ent¬<lb/>
deckungen ausgeführt werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1275"> Die Arbeit am Nordpol ist mit regem Eifer und, oro, g'runo 8!i1i8 genommen,<lb/>
auch mit entsprechenden Erfolgen in der neuern Zeit fortgeführt worden; die Ar¬<lb/>
beit am Südpol bildet eine Insel in der Entdeckungsgeschichte von kurzer Dauer<lb/>
und geringen Ergebnissen, und es verdient daher die höchste Anerkennung und<lb/>
Aufmunterung, daß die italienischen Geographen der Gegenwart, unter ihnen<lb/>
besonders Bove, der Begleiter Nordenskjölds, und Negri, der Präsident der<lb/>
Italienischen geographischen Gesellschaft, den Plan zu einer antarktischen Reise<lb/>
entworfen und bereits mit der Sammlung der nöthigen Geldmittel begonnen<lb/>
haben. Ehe wir aber diesen Plan mittheilen, möge es gestattet sein, der<lb/>
Männer zu gedenken, welche sich um das Bekanntwerden der Südpolargebietc bisher<lb/>
verdient gemacht haben, und die Ergebnisse ihrer Bestrebungen kurz zu skizziren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1276" next="#ID_1277"> Der südlichste Punkt, welcher vor Cook erreicht worden war, lag unter 67" 17';<lb/>
es war eine Insel, welche der Entdecker derselben Bccmchesne 1701 nach seinein</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0379] Das Siidpolargebiet. lieben Sitze der meteorologischen Erscheinungen ansehen, und so lange diese noch nicht genügend oder gar nicht erforscht sind, wird der praktische Meteorolog in der gleichen Lage sein wie der Arzt, der eine innere Krankheit der Organe nach ihren Erscheinungen an der Oberfläche des Körpers kuriren soll. Er sieht eben nur die Folgen und nicht den Sitz der verändernden Kraft; er faßt die Fäden der Bewegung nur an ihren Enden, und wenn er sie an sich ziehen will, so zerreißen sie. Abgesehen von dieser tiefeingreifenden Bedeutung der Polarforschungen, sind es aber auch noch eine Menge andrer wichtiger Fragen, die durch sie gefördert oder gelöst werden. Die Frage, ob die Pole von Land oder von Wasser be¬ deckt werden, ist eine vielbesprochnc; Vermuthungen und deren Widerlegungen haben viel Papier verschlungen, ohne eine Spur von Gewißheit bewirkt zu haben. Möglich ist beides. Ferner kann man bei einem Polarlande darüber zweifel¬ haft sein, ob es ganz vergletschert ist oder nicht, und ebenso bei einem Polar¬ meere, ob es ganz vereist ist, ob es zu gewissen Zeiten des Jahres aufthaut oder nicht, wie weit die warmen Meeresströmungen als solche vordringen. Weitere Gesichtspunkte ergeben sich durch die Feststellung des Tiefsecbodcus, durch magne¬ tische Beobachtungen, durch Untersuchung des pflanzlichen und thierischen Lebens (die Polargrenzen des Menschen sind bereits ermittelt), wie weit die Pslauzeu- und Thierwelt sich nach Nord und Süd zu ausdehnt, und in welchen Formen sie auftritt. Die Naturwissenschaften und die Erdkunde in ihren vielerlei Ver¬ zweigungen würden durch die systematisch fortgeführte Pvlarfvrschung entschiedne Bereicherungen und Verbesserungen erfahren; ja die systematische Darstellung der Oberflächenknnde und der Naturreiche kann erst nach Vollendung dieser Ent¬ deckungen ausgeführt werden. Die Arbeit am Nordpol ist mit regem Eifer und, oro, g'runo 8!i1i8 genommen, auch mit entsprechenden Erfolgen in der neuern Zeit fortgeführt worden; die Ar¬ beit am Südpol bildet eine Insel in der Entdeckungsgeschichte von kurzer Dauer und geringen Ergebnissen, und es verdient daher die höchste Anerkennung und Aufmunterung, daß die italienischen Geographen der Gegenwart, unter ihnen besonders Bove, der Begleiter Nordenskjölds, und Negri, der Präsident der Italienischen geographischen Gesellschaft, den Plan zu einer antarktischen Reise entworfen und bereits mit der Sammlung der nöthigen Geldmittel begonnen haben. Ehe wir aber diesen Plan mittheilen, möge es gestattet sein, der Männer zu gedenken, welche sich um das Bekanntwerden der Südpolargebietc bisher verdient gemacht haben, und die Ergebnisse ihrer Bestrebungen kurz zu skizziren. Der südlichste Punkt, welcher vor Cook erreicht worden war, lag unter 67" 17'; es war eine Insel, welche der Entdecker derselben Bccmchesne 1701 nach seinein

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/379
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/379>, abgerufen am 23.07.2024.