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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Das Südpolargebiet.

Die südliche Halbkugel der Erde ist bei weitem zum größer" Theile mit Wasser
überzogen, und von den Erdtheilen schiebt Südamerika sich am weitesten nach Süden
vor, nämlich etwa bis zum 55. Grad südlicher Breite, Afrika dagegen bleibt gegen
dieses um 20, Australien und Tasmanien um mindestens 10 Breitengrade zurück.
Es könnte daher dem oberflächlichen Blicke erscheinen, als gälte es durch die
Erforschung dieser Gebiete zunächst nur das abstracte wissenschaftliche Interesse
zu befriedigen, um sagen zu können, was dort ist und wie es ist, und um die
weißen Stellen, die eine jede ehrliche Karte aufweist, mit einer Farbe, sei es
der des Wassers oder des Landes ausfüllen zu können. Stimmen in derartigem
Sinne erheben sich von Zeit zu Zeit, und sie ertönten besonders damals ziemlich
laut, als die Kosten und die Arbeit, die man der Auffindung des Nordpols
widmete, nicht das gewünschte Ergebniß brachten. "Wissenschaftliche Neugierde"
war das Schlagwort jener Kurzsichtigen, die sich entblödeten, die Nordpolarstreber
etwa auf die gleiche Stufe mit einem spleenigen Engländer zu stellen, der es sich in
den Kopf gesetzt hat, irgend eine jungfräuliche Bergspitze der Hochalpen zu ersteigen.

Solchen Anschauungen gegenüber ist einfach darauf hinzuweisen, daß die
Wissenschaft mit der praktischen Cultur der Menschheit durch feste Bande ver¬
knüpft ist, die nur öfters zu tief liegen, um sofort dem ersten Blick sich unver¬
hüllt zu zeigen. Der praktische Nutzen der Pvlarforschungcn ist aber bereits
über allen Zweifel erhaben, und zwar steht er in enger Verbindung mit dem¬
jenigen Einfluß, welchen die Witterung und die Witteruugskundc (Meteorologie)
auf das öffentliche Leben ausüben.

Die Wetterprvphezciungcn, welche die deutsche Seewarte nach dem Vor¬
gange der Vereinigten Staaten täglich erläßt, haben sich als wichtiger Factor
in das öffentliche Leben eingeschoben. Und mit Recht. Denn unter 100 Vorher-
verkündigungeu pflegen bis zu 70 einzutreffen, ein höchst achtungswerthes Re¬
sultat, zumal wenn man bedenkt, daß das Netz der Bevbachtungsstationen noch
große Löcher zeigt. Die größten Löcher dieser Art aber stellen die beiden Polar¬
gebiete dar, und es ist aus diesem Grnnde von höchster Wichtigkeit, über die
meteorologischen Zustände und Vorgänge gerade der Polargebiete authentische
Auskunft zu erhalten. Denn sowohl das fenchtflüssigc Element, das Wasser,
wie das gasförmige, die Luft, kreisen nicht nur um den Aeauator und den Breiten¬
graden entsprechend, sondern gerade ihre ausschlaggebende Bewegung findet von
Pol zu Pol statt, einmal nach dem Gesetz der Schwere, wonach sich mehr oder
minder erwärmte Fluida in Ausgleich setzen, und ferner, hauptsächlich für das
Wasser, wegen der Configuration der Fcstlandsmassen, die nach dem Nordpol
hin zwar zusammenlaufen, aber doch noch zwei Haupteanäle für das ein- und
ausströmende Wasser offen lassen. Man darf daher die Pole als die eigene-


Das Südpolargebiet.

Die südliche Halbkugel der Erde ist bei weitem zum größer» Theile mit Wasser
überzogen, und von den Erdtheilen schiebt Südamerika sich am weitesten nach Süden
vor, nämlich etwa bis zum 55. Grad südlicher Breite, Afrika dagegen bleibt gegen
dieses um 20, Australien und Tasmanien um mindestens 10 Breitengrade zurück.
Es könnte daher dem oberflächlichen Blicke erscheinen, als gälte es durch die
Erforschung dieser Gebiete zunächst nur das abstracte wissenschaftliche Interesse
zu befriedigen, um sagen zu können, was dort ist und wie es ist, und um die
weißen Stellen, die eine jede ehrliche Karte aufweist, mit einer Farbe, sei es
der des Wassers oder des Landes ausfüllen zu können. Stimmen in derartigem
Sinne erheben sich von Zeit zu Zeit, und sie ertönten besonders damals ziemlich
laut, als die Kosten und die Arbeit, die man der Auffindung des Nordpols
widmete, nicht das gewünschte Ergebniß brachten. „Wissenschaftliche Neugierde"
war das Schlagwort jener Kurzsichtigen, die sich entblödeten, die Nordpolarstreber
etwa auf die gleiche Stufe mit einem spleenigen Engländer zu stellen, der es sich in
den Kopf gesetzt hat, irgend eine jungfräuliche Bergspitze der Hochalpen zu ersteigen.

Solchen Anschauungen gegenüber ist einfach darauf hinzuweisen, daß die
Wissenschaft mit der praktischen Cultur der Menschheit durch feste Bande ver¬
knüpft ist, die nur öfters zu tief liegen, um sofort dem ersten Blick sich unver¬
hüllt zu zeigen. Der praktische Nutzen der Pvlarforschungcn ist aber bereits
über allen Zweifel erhaben, und zwar steht er in enger Verbindung mit dem¬
jenigen Einfluß, welchen die Witterung und die Witteruugskundc (Meteorologie)
auf das öffentliche Leben ausüben.

Die Wetterprvphezciungcn, welche die deutsche Seewarte nach dem Vor¬
gange der Vereinigten Staaten täglich erläßt, haben sich als wichtiger Factor
in das öffentliche Leben eingeschoben. Und mit Recht. Denn unter 100 Vorher-
verkündigungeu pflegen bis zu 70 einzutreffen, ein höchst achtungswerthes Re¬
sultat, zumal wenn man bedenkt, daß das Netz der Bevbachtungsstationen noch
große Löcher zeigt. Die größten Löcher dieser Art aber stellen die beiden Polar¬
gebiete dar, und es ist aus diesem Grnnde von höchster Wichtigkeit, über die
meteorologischen Zustände und Vorgänge gerade der Polargebiete authentische
Auskunft zu erhalten. Denn sowohl das fenchtflüssigc Element, das Wasser,
wie das gasförmige, die Luft, kreisen nicht nur um den Aeauator und den Breiten¬
graden entsprechend, sondern gerade ihre ausschlaggebende Bewegung findet von
Pol zu Pol statt, einmal nach dem Gesetz der Schwere, wonach sich mehr oder
minder erwärmte Fluida in Ausgleich setzen, und ferner, hauptsächlich für das
Wasser, wegen der Configuration der Fcstlandsmassen, die nach dem Nordpol
hin zwar zusammenlaufen, aber doch noch zwei Haupteanäle für das ein- und
ausströmende Wasser offen lassen. Man darf daher die Pole als die eigene-


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[0378] Das Südpolargebiet. Die südliche Halbkugel der Erde ist bei weitem zum größer» Theile mit Wasser überzogen, und von den Erdtheilen schiebt Südamerika sich am weitesten nach Süden vor, nämlich etwa bis zum 55. Grad südlicher Breite, Afrika dagegen bleibt gegen dieses um 20, Australien und Tasmanien um mindestens 10 Breitengrade zurück. Es könnte daher dem oberflächlichen Blicke erscheinen, als gälte es durch die Erforschung dieser Gebiete zunächst nur das abstracte wissenschaftliche Interesse zu befriedigen, um sagen zu können, was dort ist und wie es ist, und um die weißen Stellen, die eine jede ehrliche Karte aufweist, mit einer Farbe, sei es der des Wassers oder des Landes ausfüllen zu können. Stimmen in derartigem Sinne erheben sich von Zeit zu Zeit, und sie ertönten besonders damals ziemlich laut, als die Kosten und die Arbeit, die man der Auffindung des Nordpols widmete, nicht das gewünschte Ergebniß brachten. „Wissenschaftliche Neugierde" war das Schlagwort jener Kurzsichtigen, die sich entblödeten, die Nordpolarstreber etwa auf die gleiche Stufe mit einem spleenigen Engländer zu stellen, der es sich in den Kopf gesetzt hat, irgend eine jungfräuliche Bergspitze der Hochalpen zu ersteigen. Solchen Anschauungen gegenüber ist einfach darauf hinzuweisen, daß die Wissenschaft mit der praktischen Cultur der Menschheit durch feste Bande ver¬ knüpft ist, die nur öfters zu tief liegen, um sofort dem ersten Blick sich unver¬ hüllt zu zeigen. Der praktische Nutzen der Pvlarforschungcn ist aber bereits über allen Zweifel erhaben, und zwar steht er in enger Verbindung mit dem¬ jenigen Einfluß, welchen die Witterung und die Witteruugskundc (Meteorologie) auf das öffentliche Leben ausüben. Die Wetterprvphezciungcn, welche die deutsche Seewarte nach dem Vor¬ gange der Vereinigten Staaten täglich erläßt, haben sich als wichtiger Factor in das öffentliche Leben eingeschoben. Und mit Recht. Denn unter 100 Vorher- verkündigungeu pflegen bis zu 70 einzutreffen, ein höchst achtungswerthes Re¬ sultat, zumal wenn man bedenkt, daß das Netz der Bevbachtungsstationen noch große Löcher zeigt. Die größten Löcher dieser Art aber stellen die beiden Polar¬ gebiete dar, und es ist aus diesem Grnnde von höchster Wichtigkeit, über die meteorologischen Zustände und Vorgänge gerade der Polargebiete authentische Auskunft zu erhalten. Denn sowohl das fenchtflüssigc Element, das Wasser, wie das gasförmige, die Luft, kreisen nicht nur um den Aeauator und den Breiten¬ graden entsprechend, sondern gerade ihre ausschlaggebende Bewegung findet von Pol zu Pol statt, einmal nach dem Gesetz der Schwere, wonach sich mehr oder minder erwärmte Fluida in Ausgleich setzen, und ferner, hauptsächlich für das Wasser, wegen der Configuration der Fcstlandsmassen, die nach dem Nordpol hin zwar zusammenlaufen, aber doch noch zwei Haupteanäle für das ein- und ausströmende Wasser offen lassen. Man darf daher die Pole als die eigene-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/378>, abgerufen am 23.07.2024.