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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Die Düsseldorfer Schule.

Wem, wir heute, also kam dreißig Jahre mich seiner Entstehung, vor das Bild
in der Kunsthalle in Bremen treten, vermögen wir kaum noch etwas von der
Begeisterung zu empfinden, welche das Bild bei seinem Erscheinen entflammt hat.
Wir erkennen wohl auch heute noch das Packende der Situation, die Lebendig¬
keit und Wahrheit in der Charakteristik an; aber dem Ganzen haftet doch auch
etwas oberflächliches, etwas theatralisches an, und die Farbe vollends ist von
eiuer gewissen gläsernen Härte nicht freizusprechen. Der Cvlorismus hat so rapide
Fortschritte gemacht, daß uns Gemälde, welche vor einem Menschenalter als
Farbenwunder angestaunt wurden, hente fast wie Jnennabeln vorkommen. Vielleicht
hat auch der Stoff für uns einen geringem Reiz, seit unser eignes Leben wieder
einen nationalen Inhalt gewonnen but, seitdem unvergleichliche Großthaten unsres
eignen Volkes nus spröder und unempfänglicher gegen die Bewunderung fremder
gemacht, seitdem auch nur erkannt haben, daß das beste, was wir von der Ge¬
schichte haben, die Begeisterung ist, die sie uns einflößt, daß aber der Quell
dieser Begeisterung nirgends reiner entströmt als aus der eigne" Volksgeschichte.
Vielleicht hat gerade diese Erkenntniß das meiste zum Verfall der Historien¬
malerei beigetragen, die in Deutschland nnr so lange blühen konnte, als wir
unser Sehnen durch die Zuflucht in die Vergangenheit stillen mußten.

Eine kurze Nachblüthe erlebte ti^ Düsseldorfer Historienmalerei noch in
Berlin, wohin sie durch Julius Schulter geführt wurde, der ihr jedoch zunächst
durch starke Anlehnung an die Belgier, dann dnrch stetes Fortschreiten mit der
modernen eolvristischen Bewegung neues Leben einhauchte. Bleibtreu, der
Schlachtenmaler, ist auch ein Zögling der Düsseldorfer Akademie. In seinen
Schlacht- und Kampfgemälden lebt ein echt historischer Geist, eine große Auf-
fassung und eine starke dramatische Kraft. Diese drei Momente erinnern noch an
die Traditionen der Düsseldorfer Schule. Im Colorit und in der Composition
erweist sich Bleibtreu jedoch völlig als ein Sohn der neuesten Zeit, welchem die
Lösung der schwersten eoloristischcu Probleme durchaus geläufig ist. Am engsten
ist noch Otto Knille, ein Schüler von Sohn, Hildebrand und Schadow, mit
den ältern Düsseldorfern verwandt. Aber auch er weiß einen Glanz der Palette
zu entfalten, von dem mau vor zwanzig Jahren in Düsseldorf noch keine Ahnmig
hatte.

In dem Grade wie die Geschichtsmalerei allmählich von ihrem Gipfel herab¬
stieg, erhob die Landschaftsmalerei ihr Haupt, bis sie schließlich zu einem starken,
weitästigen Baum hernuwuchs. Als Schadow nach Düsseldorf kam, dachte er
natürlich nicht daran, eine Landschaftsklasse einzurichten. Lessing, der einzige
Landschafter, sollte zur Historienmalerei angehalten werden, und im übrigen lag
kein Bedürfniß vor. Aber der mächtige Drang, der Lessing zur Lnndschafts-


Greuzbvte" 11. 1SL1. ü
Die Düsseldorfer Schule.

Wem, wir heute, also kam dreißig Jahre mich seiner Entstehung, vor das Bild
in der Kunsthalle in Bremen treten, vermögen wir kaum noch etwas von der
Begeisterung zu empfinden, welche das Bild bei seinem Erscheinen entflammt hat.
Wir erkennen wohl auch heute noch das Packende der Situation, die Lebendig¬
keit und Wahrheit in der Charakteristik an; aber dem Ganzen haftet doch auch
etwas oberflächliches, etwas theatralisches an, und die Farbe vollends ist von
eiuer gewissen gläsernen Härte nicht freizusprechen. Der Cvlorismus hat so rapide
Fortschritte gemacht, daß uns Gemälde, welche vor einem Menschenalter als
Farbenwunder angestaunt wurden, hente fast wie Jnennabeln vorkommen. Vielleicht
hat auch der Stoff für uns einen geringem Reiz, seit unser eignes Leben wieder
einen nationalen Inhalt gewonnen but, seitdem unvergleichliche Großthaten unsres
eignen Volkes nus spröder und unempfänglicher gegen die Bewunderung fremder
gemacht, seitdem auch nur erkannt haben, daß das beste, was wir von der Ge¬
schichte haben, die Begeisterung ist, die sie uns einflößt, daß aber der Quell
dieser Begeisterung nirgends reiner entströmt als aus der eigne» Volksgeschichte.
Vielleicht hat gerade diese Erkenntniß das meiste zum Verfall der Historien¬
malerei beigetragen, die in Deutschland nnr so lange blühen konnte, als wir
unser Sehnen durch die Zuflucht in die Vergangenheit stillen mußten.

Eine kurze Nachblüthe erlebte ti^ Düsseldorfer Historienmalerei noch in
Berlin, wohin sie durch Julius Schulter geführt wurde, der ihr jedoch zunächst
durch starke Anlehnung an die Belgier, dann dnrch stetes Fortschreiten mit der
modernen eolvristischen Bewegung neues Leben einhauchte. Bleibtreu, der
Schlachtenmaler, ist auch ein Zögling der Düsseldorfer Akademie. In seinen
Schlacht- und Kampfgemälden lebt ein echt historischer Geist, eine große Auf-
fassung und eine starke dramatische Kraft. Diese drei Momente erinnern noch an
die Traditionen der Düsseldorfer Schule. Im Colorit und in der Composition
erweist sich Bleibtreu jedoch völlig als ein Sohn der neuesten Zeit, welchem die
Lösung der schwersten eoloristischcu Probleme durchaus geläufig ist. Am engsten
ist noch Otto Knille, ein Schüler von Sohn, Hildebrand und Schadow, mit
den ältern Düsseldorfern verwandt. Aber auch er weiß einen Glanz der Palette
zu entfalten, von dem mau vor zwanzig Jahren in Düsseldorf noch keine Ahnmig
hatte.

In dem Grade wie die Geschichtsmalerei allmählich von ihrem Gipfel herab¬
stieg, erhob die Landschaftsmalerei ihr Haupt, bis sie schließlich zu einem starken,
weitästigen Baum hernuwuchs. Als Schadow nach Düsseldorf kam, dachte er
natürlich nicht daran, eine Landschaftsklasse einzurichten. Lessing, der einzige
Landschafter, sollte zur Historienmalerei angehalten werden, und im übrigen lag
kein Bedürfniß vor. Aber der mächtige Drang, der Lessing zur Lnndschafts-


Greuzbvte» 11. 1SL1. ü
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[0037] Die Düsseldorfer Schule. Wem, wir heute, also kam dreißig Jahre mich seiner Entstehung, vor das Bild in der Kunsthalle in Bremen treten, vermögen wir kaum noch etwas von der Begeisterung zu empfinden, welche das Bild bei seinem Erscheinen entflammt hat. Wir erkennen wohl auch heute noch das Packende der Situation, die Lebendig¬ keit und Wahrheit in der Charakteristik an; aber dem Ganzen haftet doch auch etwas oberflächliches, etwas theatralisches an, und die Farbe vollends ist von eiuer gewissen gläsernen Härte nicht freizusprechen. Der Cvlorismus hat so rapide Fortschritte gemacht, daß uns Gemälde, welche vor einem Menschenalter als Farbenwunder angestaunt wurden, hente fast wie Jnennabeln vorkommen. Vielleicht hat auch der Stoff für uns einen geringem Reiz, seit unser eignes Leben wieder einen nationalen Inhalt gewonnen but, seitdem unvergleichliche Großthaten unsres eignen Volkes nus spröder und unempfänglicher gegen die Bewunderung fremder gemacht, seitdem auch nur erkannt haben, daß das beste, was wir von der Ge¬ schichte haben, die Begeisterung ist, die sie uns einflößt, daß aber der Quell dieser Begeisterung nirgends reiner entströmt als aus der eigne» Volksgeschichte. Vielleicht hat gerade diese Erkenntniß das meiste zum Verfall der Historien¬ malerei beigetragen, die in Deutschland nnr so lange blühen konnte, als wir unser Sehnen durch die Zuflucht in die Vergangenheit stillen mußten. Eine kurze Nachblüthe erlebte ti^ Düsseldorfer Historienmalerei noch in Berlin, wohin sie durch Julius Schulter geführt wurde, der ihr jedoch zunächst durch starke Anlehnung an die Belgier, dann dnrch stetes Fortschreiten mit der modernen eolvristischen Bewegung neues Leben einhauchte. Bleibtreu, der Schlachtenmaler, ist auch ein Zögling der Düsseldorfer Akademie. In seinen Schlacht- und Kampfgemälden lebt ein echt historischer Geist, eine große Auf- fassung und eine starke dramatische Kraft. Diese drei Momente erinnern noch an die Traditionen der Düsseldorfer Schule. Im Colorit und in der Composition erweist sich Bleibtreu jedoch völlig als ein Sohn der neuesten Zeit, welchem die Lösung der schwersten eoloristischcu Probleme durchaus geläufig ist. Am engsten ist noch Otto Knille, ein Schüler von Sohn, Hildebrand und Schadow, mit den ältern Düsseldorfern verwandt. Aber auch er weiß einen Glanz der Palette zu entfalten, von dem mau vor zwanzig Jahren in Düsseldorf noch keine Ahnmig hatte. In dem Grade wie die Geschichtsmalerei allmählich von ihrem Gipfel herab¬ stieg, erhob die Landschaftsmalerei ihr Haupt, bis sie schließlich zu einem starken, weitästigen Baum hernuwuchs. Als Schadow nach Düsseldorf kam, dachte er natürlich nicht daran, eine Landschaftsklasse einzurichten. Lessing, der einzige Landschafter, sollte zur Historienmalerei angehalten werden, und im übrigen lag kein Bedürfniß vor. Aber der mächtige Drang, der Lessing zur Lnndschafts- Greuzbvte» 11. 1SL1. ü

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/37>, abgerufen am 23.07.2024.