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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Zur Ältesten Geschichte der lluirk .Meißen,

Sitzungen für verlustig erklärte und die Acht über ihn aussprach (1088). Nach
vergeblichen Bemühungen, die Verlorne Stellung mit den Waffen in der Hand
wieder zu erringen, fiel der letzte der Brunonm im Jahre 1090 in einer ein¬
samen Mühle des Selkethcils von Mörderhand.

Wieder war die Mark Meißen erledigt, und wieder wurde wahrscheinlich
bei dieser Gelegenheit einer der Theile, aus denen sie sich ursprünglich zusammen¬
gesetzt hatte, vom Ganzen losgelöst: wie früher die Zeitzer, so kam jetzt die alte
Merseburger Mark an die Grafen aus dem Hause Stade. Die Markgrafschaft
Meißen selbst vertraute der Kaiser im Jahre 1089 dem ihm treu ergebner Wettiner
Heinrich von Eilenburg, dem Sohne Dedis von der Niederlausitz, an.

Ueber die älteste Geschichte des Hauses Wettin ist so manches geschrieben
und gefabelt worden. Die älteste beglaubigte Nachricht giebt uns bekanntlich
Thietmar von Merseburg, der seinen Zeitgenossen Dcdi den Sohn des ^lükäurivus
as tribu, eins-ö Lunioi clioiwr, nennt. Was es mit dieser tribus Lu^loi eigentlich
auf sich hat, weiß uns anch Posse nicht zu sagen. Mit Recht tritt er entschieden
für die deutsche, nicht slavische Herkunft der Familie ein, und ebenso richtig ist,
wenn er den zwischen Saale, Bode und Harz gelegnen Schwabengau als
ursprüngliche Heimat des Geschlechts nachweist. Dafür spricht, daß Markgraf
Rikdag von Meißen, der ohne Frage dem Hause Wettin angehört, wenn auch
die genealogischen Beziehungen nicht klar nachweisbar sind, die südlichen Graf¬
schaften im Schwabengau besaß, die sein Sohn zwar einbüßte, die aber dann
um die Mitte des 11. Jahrhunderts wieder an die Familie kamen. Dafür spricht
ferner, daß der Sachsenspiegel die Wettiner als Schwaben bezeichnet und daß
das Erbrecht des Hauses, welches die Frauen ausschloß, entschieden auf schwäbischen
Ursprung deutet. Endlich sprechen auch die übrigen Grafschaften und sonstigen
ältesten Besitzungen des Hauses dafür; sie sind sämmtlich dem Schwabengau be¬
nachbart. Ein dem Bande beigegebnes Kärtchen giebt ein anschauliches Bild
dieser Stammesheimat der Wettiner.

Die complicirte älteste Geschichte des Geschlechts klar zu machen, ist ohne
Vorlegung einer Stammtafel, wie Posse eine solche seinem Buche beigegeben
hat, nicht wohl möglich. Auch sind die Qucllennotizen, auf welche sich die
Darstellung stützt, zu dürftig, als daß die Personen, von denen zu handelt: wäre,
irgendwie ein persönliches Interesse erwecken könnten Eine Ausnahme macht
der 1975 gestorbue Markgraf Dedi von der Niederlausitz, der zweite Gemahl
der Adela, der Witwe des Markgrafen Otto von Meißen (aus dem Hause
Weimar); er hat in der Geschichte Heinrichs IV. neben Elbert II. eine sehr
wichtige Rolle gespielt.

Dem Sohne Dedis, Heinrich, der in den Quellen nach seinem Hauptsitze


Zur Ältesten Geschichte der lluirk .Meißen,

Sitzungen für verlustig erklärte und die Acht über ihn aussprach (1088). Nach
vergeblichen Bemühungen, die Verlorne Stellung mit den Waffen in der Hand
wieder zu erringen, fiel der letzte der Brunonm im Jahre 1090 in einer ein¬
samen Mühle des Selkethcils von Mörderhand.

Wieder war die Mark Meißen erledigt, und wieder wurde wahrscheinlich
bei dieser Gelegenheit einer der Theile, aus denen sie sich ursprünglich zusammen¬
gesetzt hatte, vom Ganzen losgelöst: wie früher die Zeitzer, so kam jetzt die alte
Merseburger Mark an die Grafen aus dem Hause Stade. Die Markgrafschaft
Meißen selbst vertraute der Kaiser im Jahre 1089 dem ihm treu ergebner Wettiner
Heinrich von Eilenburg, dem Sohne Dedis von der Niederlausitz, an.

Ueber die älteste Geschichte des Hauses Wettin ist so manches geschrieben
und gefabelt worden. Die älteste beglaubigte Nachricht giebt uns bekanntlich
Thietmar von Merseburg, der seinen Zeitgenossen Dcdi den Sohn des ^lükäurivus
as tribu, eins-ö Lunioi clioiwr, nennt. Was es mit dieser tribus Lu^loi eigentlich
auf sich hat, weiß uns anch Posse nicht zu sagen. Mit Recht tritt er entschieden
für die deutsche, nicht slavische Herkunft der Familie ein, und ebenso richtig ist,
wenn er den zwischen Saale, Bode und Harz gelegnen Schwabengau als
ursprüngliche Heimat des Geschlechts nachweist. Dafür spricht, daß Markgraf
Rikdag von Meißen, der ohne Frage dem Hause Wettin angehört, wenn auch
die genealogischen Beziehungen nicht klar nachweisbar sind, die südlichen Graf¬
schaften im Schwabengau besaß, die sein Sohn zwar einbüßte, die aber dann
um die Mitte des 11. Jahrhunderts wieder an die Familie kamen. Dafür spricht
ferner, daß der Sachsenspiegel die Wettiner als Schwaben bezeichnet und daß
das Erbrecht des Hauses, welches die Frauen ausschloß, entschieden auf schwäbischen
Ursprung deutet. Endlich sprechen auch die übrigen Grafschaften und sonstigen
ältesten Besitzungen des Hauses dafür; sie sind sämmtlich dem Schwabengau be¬
nachbart. Ein dem Bande beigegebnes Kärtchen giebt ein anschauliches Bild
dieser Stammesheimat der Wettiner.

Die complicirte älteste Geschichte des Geschlechts klar zu machen, ist ohne
Vorlegung einer Stammtafel, wie Posse eine solche seinem Buche beigegeben
hat, nicht wohl möglich. Auch sind die Qucllennotizen, auf welche sich die
Darstellung stützt, zu dürftig, als daß die Personen, von denen zu handelt: wäre,
irgendwie ein persönliches Interesse erwecken könnten Eine Ausnahme macht
der 1975 gestorbue Markgraf Dedi von der Niederlausitz, der zweite Gemahl
der Adela, der Witwe des Markgrafen Otto von Meißen (aus dem Hause
Weimar); er hat in der Geschichte Heinrichs IV. neben Elbert II. eine sehr
wichtige Rolle gespielt.

Dem Sohne Dedis, Heinrich, der in den Quellen nach seinem Hauptsitze


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[0368] Zur Ältesten Geschichte der lluirk .Meißen, Sitzungen für verlustig erklärte und die Acht über ihn aussprach (1088). Nach vergeblichen Bemühungen, die Verlorne Stellung mit den Waffen in der Hand wieder zu erringen, fiel der letzte der Brunonm im Jahre 1090 in einer ein¬ samen Mühle des Selkethcils von Mörderhand. Wieder war die Mark Meißen erledigt, und wieder wurde wahrscheinlich bei dieser Gelegenheit einer der Theile, aus denen sie sich ursprünglich zusammen¬ gesetzt hatte, vom Ganzen losgelöst: wie früher die Zeitzer, so kam jetzt die alte Merseburger Mark an die Grafen aus dem Hause Stade. Die Markgrafschaft Meißen selbst vertraute der Kaiser im Jahre 1089 dem ihm treu ergebner Wettiner Heinrich von Eilenburg, dem Sohne Dedis von der Niederlausitz, an. Ueber die älteste Geschichte des Hauses Wettin ist so manches geschrieben und gefabelt worden. Die älteste beglaubigte Nachricht giebt uns bekanntlich Thietmar von Merseburg, der seinen Zeitgenossen Dcdi den Sohn des ^lükäurivus as tribu, eins-ö Lunioi clioiwr, nennt. Was es mit dieser tribus Lu^loi eigentlich auf sich hat, weiß uns anch Posse nicht zu sagen. Mit Recht tritt er entschieden für die deutsche, nicht slavische Herkunft der Familie ein, und ebenso richtig ist, wenn er den zwischen Saale, Bode und Harz gelegnen Schwabengau als ursprüngliche Heimat des Geschlechts nachweist. Dafür spricht, daß Markgraf Rikdag von Meißen, der ohne Frage dem Hause Wettin angehört, wenn auch die genealogischen Beziehungen nicht klar nachweisbar sind, die südlichen Graf¬ schaften im Schwabengau besaß, die sein Sohn zwar einbüßte, die aber dann um die Mitte des 11. Jahrhunderts wieder an die Familie kamen. Dafür spricht ferner, daß der Sachsenspiegel die Wettiner als Schwaben bezeichnet und daß das Erbrecht des Hauses, welches die Frauen ausschloß, entschieden auf schwäbischen Ursprung deutet. Endlich sprechen auch die übrigen Grafschaften und sonstigen ältesten Besitzungen des Hauses dafür; sie sind sämmtlich dem Schwabengau be¬ nachbart. Ein dem Bande beigegebnes Kärtchen giebt ein anschauliches Bild dieser Stammesheimat der Wettiner. Die complicirte älteste Geschichte des Geschlechts klar zu machen, ist ohne Vorlegung einer Stammtafel, wie Posse eine solche seinem Buche beigegeben hat, nicht wohl möglich. Auch sind die Qucllennotizen, auf welche sich die Darstellung stützt, zu dürftig, als daß die Personen, von denen zu handelt: wäre, irgendwie ein persönliches Interesse erwecken könnten Eine Ausnahme macht der 1975 gestorbue Markgraf Dedi von der Niederlausitz, der zweite Gemahl der Adela, der Witwe des Markgrafen Otto von Meißen (aus dem Hause Weimar); er hat in der Geschichte Heinrichs IV. neben Elbert II. eine sehr wichtige Rolle gespielt. Dem Sohne Dedis, Heinrich, der in den Quellen nach seinem Hauptsitze

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/368>, abgerufen am 03.07.2024.