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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Zur älteste" Geschichte der Mark Meißen.

geben, aber nicht Ekkehards Sohn Hermann, sondern sein Bruder Gunzelin,
der zugleich als Stiefbruder Boleslaws diesem eine genehme Persönlichkeit war,
folgte im Besitze der Mark. 1009 kam es zum Kampfe zwischen Gunzelin und
Hermann. Erstrer wurde durch Urtheil des Fürstengerichts seiner Würde be¬
raubt, Hermann erhielt die Mark Meißen und behauptete sich in ihrem Besitze.

Um 1018 bricht Thietmars Chronik ab, der wir eine verhältnißmäßig genane
Kunde von den Schicksalen unsrer Lande in den letzten Jahrzehnten des 10.
und deu ersten des 11. Jahrhunderts verdanken. Sie hat keine Fortsetzung ge¬
funden, und die Schwierigkeiten, die sich der Erforschung der folgenden Zeiten
entgegenstellten, waren daher viel größer. Im Vordergründe stehen noch lange
die Beziehungen zu Polen; die Rolle Boleslavs suchte auch unter Konrad II.
sein Sohn Misieo weiterzuspielen, lange Zeit nicht ohne Erfolg, bis er endlich
1031 zum Friede" genöthigt wurde. Damals gelangte die Nicdcrlciusitz und
wahrscheinlich auch die Oberlausitz an das Reich, um nie wieder an Polen
zu fallen. Die erstre kam um 1034 an Dietrich von Wettin, die letztre an
den zweiten Sohn Ekkehards I., Ekkehard II., der (spätestens 1032) seinem Bruder
Hermann in der Mark Meißen gefolgt war und dann um 1034 nach der Er¬
mordung jenes Dietrich von Wettin auch die Niederlausitz erwarb. In den ver¬
schieden Kämpfen mit den slavischen Grenznachbarn, insbesondre dem Herzog
Bretislav von Böhmen, zu denen es nach Konrads II. Tode kam, erscheint Ekke¬
hard II. als stärkste Stütze der deutschen Macht im Osten. Er starb plötzlich
am 24. Januar 1046; mit ihm erlosch sein Geschlecht. Seinen Allodialbcsitz
vermachte er testamentarisch dem Könige.

Je mehr die Ekkehardiner ihren Schwerpunkt nach dem Osten verlegt hatten,
um so mehr war ihr Einfluß in Thüringen gesunken. Hier war das Haus
Weimar, oder wie es später genannt wurde, Orlamünde an ihre Stelle ge¬
treten. Seit der Mitte des 10. Jahrhunderts, in der uns das erste beglaubigte
Mitglied der, wie die Wettiner, aus dem Schwabengau stammenden Familie,
Wilhelm I., als Graf des GausHusitin entgegentritt, entwickelte sich aus kleinen
Anfängen Besitz und Ansehen des Geschlechts sehr rasch. Wiederholt spielten
der Genannte und sein gleichnamiger Sohn und Enkel zur Zeit der Ottonen eine
Rolle in der Reichsgeschichte; auf diesem Boden ist es auch, auf dem sich der
Gegensatz zwischen dem Hause Weimar und den Ekkehardinern zuerst zeigt: als
nach Ottos III. Tode Ekkehard I. nach der Königskrone strebte, trat Wilhelm II.
auf die Seite seines Gegners Heinrich.

An Wilhelms II. Enkel Wilhelm IV. fiel nach dem Aussterben der Ekke¬
hardiner die Mark Meißen, zunächst allerdings, wie es scheint, in sehr beschränktem
Umfange. Die Theilung der Mark nach Ekkehards II. Tode, dnrch welche die


Zur älteste» Geschichte der Mark Meißen.

geben, aber nicht Ekkehards Sohn Hermann, sondern sein Bruder Gunzelin,
der zugleich als Stiefbruder Boleslaws diesem eine genehme Persönlichkeit war,
folgte im Besitze der Mark. 1009 kam es zum Kampfe zwischen Gunzelin und
Hermann. Erstrer wurde durch Urtheil des Fürstengerichts seiner Würde be¬
raubt, Hermann erhielt die Mark Meißen und behauptete sich in ihrem Besitze.

Um 1018 bricht Thietmars Chronik ab, der wir eine verhältnißmäßig genane
Kunde von den Schicksalen unsrer Lande in den letzten Jahrzehnten des 10.
und deu ersten des 11. Jahrhunderts verdanken. Sie hat keine Fortsetzung ge¬
funden, und die Schwierigkeiten, die sich der Erforschung der folgenden Zeiten
entgegenstellten, waren daher viel größer. Im Vordergründe stehen noch lange
die Beziehungen zu Polen; die Rolle Boleslavs suchte auch unter Konrad II.
sein Sohn Misieo weiterzuspielen, lange Zeit nicht ohne Erfolg, bis er endlich
1031 zum Friede» genöthigt wurde. Damals gelangte die Nicdcrlciusitz und
wahrscheinlich auch die Oberlausitz an das Reich, um nie wieder an Polen
zu fallen. Die erstre kam um 1034 an Dietrich von Wettin, die letztre an
den zweiten Sohn Ekkehards I., Ekkehard II., der (spätestens 1032) seinem Bruder
Hermann in der Mark Meißen gefolgt war und dann um 1034 nach der Er¬
mordung jenes Dietrich von Wettin auch die Niederlausitz erwarb. In den ver¬
schieden Kämpfen mit den slavischen Grenznachbarn, insbesondre dem Herzog
Bretislav von Böhmen, zu denen es nach Konrads II. Tode kam, erscheint Ekke¬
hard II. als stärkste Stütze der deutschen Macht im Osten. Er starb plötzlich
am 24. Januar 1046; mit ihm erlosch sein Geschlecht. Seinen Allodialbcsitz
vermachte er testamentarisch dem Könige.

Je mehr die Ekkehardiner ihren Schwerpunkt nach dem Osten verlegt hatten,
um so mehr war ihr Einfluß in Thüringen gesunken. Hier war das Haus
Weimar, oder wie es später genannt wurde, Orlamünde an ihre Stelle ge¬
treten. Seit der Mitte des 10. Jahrhunderts, in der uns das erste beglaubigte
Mitglied der, wie die Wettiner, aus dem Schwabengau stammenden Familie,
Wilhelm I., als Graf des GausHusitin entgegentritt, entwickelte sich aus kleinen
Anfängen Besitz und Ansehen des Geschlechts sehr rasch. Wiederholt spielten
der Genannte und sein gleichnamiger Sohn und Enkel zur Zeit der Ottonen eine
Rolle in der Reichsgeschichte; auf diesem Boden ist es auch, auf dem sich der
Gegensatz zwischen dem Hause Weimar und den Ekkehardinern zuerst zeigt: als
nach Ottos III. Tode Ekkehard I. nach der Königskrone strebte, trat Wilhelm II.
auf die Seite seines Gegners Heinrich.

An Wilhelms II. Enkel Wilhelm IV. fiel nach dem Aussterben der Ekke¬
hardiner die Mark Meißen, zunächst allerdings, wie es scheint, in sehr beschränktem
Umfange. Die Theilung der Mark nach Ekkehards II. Tode, dnrch welche die


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[0366] Zur älteste» Geschichte der Mark Meißen. geben, aber nicht Ekkehards Sohn Hermann, sondern sein Bruder Gunzelin, der zugleich als Stiefbruder Boleslaws diesem eine genehme Persönlichkeit war, folgte im Besitze der Mark. 1009 kam es zum Kampfe zwischen Gunzelin und Hermann. Erstrer wurde durch Urtheil des Fürstengerichts seiner Würde be¬ raubt, Hermann erhielt die Mark Meißen und behauptete sich in ihrem Besitze. Um 1018 bricht Thietmars Chronik ab, der wir eine verhältnißmäßig genane Kunde von den Schicksalen unsrer Lande in den letzten Jahrzehnten des 10. und deu ersten des 11. Jahrhunderts verdanken. Sie hat keine Fortsetzung ge¬ funden, und die Schwierigkeiten, die sich der Erforschung der folgenden Zeiten entgegenstellten, waren daher viel größer. Im Vordergründe stehen noch lange die Beziehungen zu Polen; die Rolle Boleslavs suchte auch unter Konrad II. sein Sohn Misieo weiterzuspielen, lange Zeit nicht ohne Erfolg, bis er endlich 1031 zum Friede» genöthigt wurde. Damals gelangte die Nicdcrlciusitz und wahrscheinlich auch die Oberlausitz an das Reich, um nie wieder an Polen zu fallen. Die erstre kam um 1034 an Dietrich von Wettin, die letztre an den zweiten Sohn Ekkehards I., Ekkehard II., der (spätestens 1032) seinem Bruder Hermann in der Mark Meißen gefolgt war und dann um 1034 nach der Er¬ mordung jenes Dietrich von Wettin auch die Niederlausitz erwarb. In den ver¬ schieden Kämpfen mit den slavischen Grenznachbarn, insbesondre dem Herzog Bretislav von Böhmen, zu denen es nach Konrads II. Tode kam, erscheint Ekke¬ hard II. als stärkste Stütze der deutschen Macht im Osten. Er starb plötzlich am 24. Januar 1046; mit ihm erlosch sein Geschlecht. Seinen Allodialbcsitz vermachte er testamentarisch dem Könige. Je mehr die Ekkehardiner ihren Schwerpunkt nach dem Osten verlegt hatten, um so mehr war ihr Einfluß in Thüringen gesunken. Hier war das Haus Weimar, oder wie es später genannt wurde, Orlamünde an ihre Stelle ge¬ treten. Seit der Mitte des 10. Jahrhunderts, in der uns das erste beglaubigte Mitglied der, wie die Wettiner, aus dem Schwabengau stammenden Familie, Wilhelm I., als Graf des GausHusitin entgegentritt, entwickelte sich aus kleinen Anfängen Besitz und Ansehen des Geschlechts sehr rasch. Wiederholt spielten der Genannte und sein gleichnamiger Sohn und Enkel zur Zeit der Ottonen eine Rolle in der Reichsgeschichte; auf diesem Boden ist es auch, auf dem sich der Gegensatz zwischen dem Hause Weimar und den Ekkehardinern zuerst zeigt: als nach Ottos III. Tode Ekkehard I. nach der Königskrone strebte, trat Wilhelm II. auf die Seite seines Gegners Heinrich. An Wilhelms II. Enkel Wilhelm IV. fiel nach dem Aussterben der Ekke¬ hardiner die Mark Meißen, zunächst allerdings, wie es scheint, in sehr beschränktem Umfange. Die Theilung der Mark nach Ekkehards II. Tode, dnrch welche die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/366>, abgerufen am 29.09.2024.