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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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schon bekanntes wird, jedoch nur mich strengster kritischer Prüfung, Aufnahme
finde" müssen. Es galt nicht eigentlich neue Fundamente zu legen, sondern die
vorhandnen auf ihre Haltbarkeit zu untersuchen, nur soweit als nöthig zu ändern
und dann auf ihnen einen tüchtigen Unterban zu errichten.

Das ist dem Verfasser vollkommen gelungen. Er hat mit gewissenhaftem
Fleiße und großem Spürsinn gesammelt und weiß die Schulwissenschaften der
historischen und diplomatischen Kritik mit sichrer Hand anzuwenden. Sollte ein
oder das andre Ergebniß seiner Forschungen jetzt oder später Widerspruch finden,
so wird dies nicht sowohl an ihm liegen als daran, daß trotz sinket und Ficker
die diplomatische Methode doch noch im Flusse ist und kaum so bald zu einem
allseitig befriedigenden Abschlüsse gelangen dürfte.

Vielleicht würde manchem unsrer Leser diese allgemeine Beurtheilung des
Werkes genügen. Allem sie giebt doch einen zu unbestimmten Begriff von seinein
Inhalte; ans diesen glauben wir daher noch etwas eingehen zu sollen, um so
mehr als wohl selten ein andrer als ein Fachmann sich in das Detail des Buches
selbst vertiefe" dürfte.

Daß in der Einleitung die schwierigen Fragen nach den Zuständen des
Landes vor dem 9. Jahrhundert "ur ganz kurz berührt werden, billigen wir
vollkommen. Es wäre zwar sehr zu wünschen, daß dem unverständigen Geschreibsel
über die ältesten Germanen und Slaven oder gar Kelten, das immer und immer
wieder die Federn von Dilettanten beschäftigt, einmal eine sachverständige Dar¬
stellung entgegengesetzt würde, die streng das wenige, was man weiß, von dem vielen,
was man mit mehr oder weniger Recht vermuthen darf oder was man als bares
Phantasiegebilde verwerfen muß, sondert; aber eine solche Darstellung wäre zunächst
Aufgabe des PräHistorikers, des Ethnographen und Linguisten, nicht des Historikers.

Dunkel ist auch die Zeit des Ringens der Germanen und Slave", des all¬
mählichen Vordringens der Deutschen gegen Osten, welches das ganze 9. Jahr¬
hundert ausfüllt. Die Grenzmarken hatten bald nicht mehr, wie zur Zeit Karls
des Großen, die Vertheidigung der Neichsgrenzen zum Hauptzwecke; sie diente"
der Offensive, der Ausbreitung des Christenthums. Bestmders glänzend gestaltete
sich bekanntlich dies Vordringen nach dem Osten unter König Heinrich I. Die
Dalenünzier, die Milzencr wurden unterworfen. Um 928 entstand auf jähem
Felsen dicht an der Elbe die Burg Meißen; sie wurde der Kern der gleichnamigen
Mark und der Ausgangspunkt für alle weitem Unternehmungen gegen die Slaven.
Grcnzgrafen, "Legaten," schälkelen in den Marken; in unsern Gegenden ein Graf
Siegfried, dem 937 der bekannte Gero folgte. Ohne daß wir viel Kunde darüber
hätten, wurde das Slavenland erobert und germanisirt; bei Geros Tode (965)
erscheint der deutsche Besitz als ziemlich gesichert.


schon bekanntes wird, jedoch nur mich strengster kritischer Prüfung, Aufnahme
finde» müssen. Es galt nicht eigentlich neue Fundamente zu legen, sondern die
vorhandnen auf ihre Haltbarkeit zu untersuchen, nur soweit als nöthig zu ändern
und dann auf ihnen einen tüchtigen Unterban zu errichten.

Das ist dem Verfasser vollkommen gelungen. Er hat mit gewissenhaftem
Fleiße und großem Spürsinn gesammelt und weiß die Schulwissenschaften der
historischen und diplomatischen Kritik mit sichrer Hand anzuwenden. Sollte ein
oder das andre Ergebniß seiner Forschungen jetzt oder später Widerspruch finden,
so wird dies nicht sowohl an ihm liegen als daran, daß trotz sinket und Ficker
die diplomatische Methode doch noch im Flusse ist und kaum so bald zu einem
allseitig befriedigenden Abschlüsse gelangen dürfte.

Vielleicht würde manchem unsrer Leser diese allgemeine Beurtheilung des
Werkes genügen. Allem sie giebt doch einen zu unbestimmten Begriff von seinein
Inhalte; ans diesen glauben wir daher noch etwas eingehen zu sollen, um so
mehr als wohl selten ein andrer als ein Fachmann sich in das Detail des Buches
selbst vertiefe» dürfte.

Daß in der Einleitung die schwierigen Fragen nach den Zuständen des
Landes vor dem 9. Jahrhundert »ur ganz kurz berührt werden, billigen wir
vollkommen. Es wäre zwar sehr zu wünschen, daß dem unverständigen Geschreibsel
über die ältesten Germanen und Slaven oder gar Kelten, das immer und immer
wieder die Federn von Dilettanten beschäftigt, einmal eine sachverständige Dar¬
stellung entgegengesetzt würde, die streng das wenige, was man weiß, von dem vielen,
was man mit mehr oder weniger Recht vermuthen darf oder was man als bares
Phantasiegebilde verwerfen muß, sondert; aber eine solche Darstellung wäre zunächst
Aufgabe des PräHistorikers, des Ethnographen und Linguisten, nicht des Historikers.

Dunkel ist auch die Zeit des Ringens der Germanen und Slave», des all¬
mählichen Vordringens der Deutschen gegen Osten, welches das ganze 9. Jahr¬
hundert ausfüllt. Die Grenzmarken hatten bald nicht mehr, wie zur Zeit Karls
des Großen, die Vertheidigung der Neichsgrenzen zum Hauptzwecke; sie diente»
der Offensive, der Ausbreitung des Christenthums. Bestmders glänzend gestaltete
sich bekanntlich dies Vordringen nach dem Osten unter König Heinrich I. Die
Dalenünzier, die Milzencr wurden unterworfen. Um 928 entstand auf jähem
Felsen dicht an der Elbe die Burg Meißen; sie wurde der Kern der gleichnamigen
Mark und der Ausgangspunkt für alle weitem Unternehmungen gegen die Slaven.
Grcnzgrafen, „Legaten," schälkelen in den Marken; in unsern Gegenden ein Graf
Siegfried, dem 937 der bekannte Gero folgte. Ohne daß wir viel Kunde darüber
hätten, wurde das Slavenland erobert und germanisirt; bei Geros Tode (965)
erscheint der deutsche Besitz als ziemlich gesichert.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/364>, abgerufen am 29.09.2024.