Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.Die Düsseldorfer Schule, eroberte: "Die trauernden Juden im Exil", Wie Lessings "Trauerndes Königs¬ Lessing hatte sich, wie schon erwähnt, von dieser larmoycinten Richtung am Die Düsseldorfer Schule, eroberte: „Die trauernden Juden im Exil", Wie Lessings „Trauerndes Königs¬ Lessing hatte sich, wie schon erwähnt, von dieser larmoycinten Richtung am <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0035" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149607"/> <fw type="header" place="top"> Die Düsseldorfer Schule,</fw><lb/> <p xml:id="ID_83" prev="#ID_82"> eroberte: „Die trauernden Juden im Exil", Wie Lessings „Trauerndes Königs¬<lb/> paar", gehört dieses Bild, welches durch den Stich eine weite Verbreitung fand<lb/> und gegenwärtig im Besitze des Kölner Museums ist, zu denjenigen Schöpfungen,<lb/> die der ältern Düsseldorfer Schule die Signatur ausdrückten. Ein Historienbild<lb/> im eigentlichen Sinne ist es ebensowenig wie Hildebrandts „Söhne Eduards".<lb/> Daß die Gruppe der Gestalten mit elegisch-contemplativen Gesichtsausdruck die<lb/> Symbole eines nationalen Unglücks sein sollen, daß sie die überlebenden Zeugen<lb/> einer gewaltigen Katastrophe, eines furchtbaren Vernichtungskampfes sind, empfindet<lb/> man vor diesen „Trauerweiden" nicht. Auch hier ist wieder das Rührende oder<lb/> das Traurige mit dem Tragischen verwechselt. Dasselbe gilt von dem „Jeremicis<lb/> auf den Trümmern Jerusalems" (1834), welcher nicht minder populär wurde,<lb/> und von Bendemanns letzter großen Composition „Jeremicis beim Falle Jeru¬<lb/> salems" (1872, in der Berliner Nationalgnlerie). Auf beiden Bildern hat der<lb/> contemplative Zug so stark das Uebergewicht, daß alles übrige dahinter zurück¬<lb/> tritt. Das Thema ist also wieder kein rein malerisches; es kam dein Maler<lb/> vielmehr darauf an, einen geschichtsphilvphischen Gedanken durch eine Figur zum<lb/> Ausdruck zu bringen. Auf dem zweiten der oben genannten Bilder zittern wenig¬<lb/> stens noch die Reflexe der Katastrophe nach: man sieht den babylonischen König<lb/> mit seinen! beutebeladnen Heere im Triumph davonziehen und auf der andern<lb/> Seite die unglücklichen Bewohner Jerusalems, welche die rauchenden Trümmer<lb/> ihrer Heimat verlassen. Aus Ursache und Wirkung läßt sich also noch die Ge-<lb/> müthsstimmung der Hauptfigur im Vordergrunde erklären. Wo ein solcher Com-<lb/> mentnr aber fehlt, muß der Gesammteindruck dieser und ähnlicher Gemälde ein<lb/> ästhetisch durchaus unbefriedigender sein, Adolf Schrödter, der geniale Humorist,<lb/> verspottete deshalb nicht bloß diese ganze Gattung von Bilder», indem er 18Z2,<lb/> also noch in ihrer höchsten Blüthezeit, seine „Trauernden Lohgeber" malte, sondern<lb/> er lieferte zugleich eine treffende Kritik dieser fragwürdigen Elegieen, indem er<lb/> nicht vergaß, die Ursache ihrer Trauer, die fortschwimmenden Felle, mit zu malen.</p><lb/> <p xml:id="ID_84"> Lessing hatte sich, wie schon erwähnt, von dieser larmoycinten Richtung am<lb/> ehesten befreit. Während um ihn her noch alles klagte und weinte oder sich in<lb/> stummem, unverstandenen oder unverständlichem Schmerz verzehrte, war er zu<lb/> den großen Dramen der Weltgeschichte emporgestiegen. Obwohl als Historien¬<lb/> maler mehr refleetirend als aus innerm Impuls schaffend, war er doch eine<lb/> dramatisch angelegte Natur, was sich selbst in seinen Leidenschaften offenbarte.<lb/> Wenn er nicht den Kampf der Elemente, Sturm, Gewitter und Feuersbrunst,<lb/> selbst darstellte, so zeigte er das Walten der zerstörenden Kräfte in ihren Folgen:<lb/> einen Wald, in welchem kurz vorher ein Sturm gewüthet, eine Brandruine oder<lb/> eine andre Spur, welche von einem erschütternden Vorgange erzählt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0035]
Die Düsseldorfer Schule,
eroberte: „Die trauernden Juden im Exil", Wie Lessings „Trauerndes Königs¬
paar", gehört dieses Bild, welches durch den Stich eine weite Verbreitung fand
und gegenwärtig im Besitze des Kölner Museums ist, zu denjenigen Schöpfungen,
die der ältern Düsseldorfer Schule die Signatur ausdrückten. Ein Historienbild
im eigentlichen Sinne ist es ebensowenig wie Hildebrandts „Söhne Eduards".
Daß die Gruppe der Gestalten mit elegisch-contemplativen Gesichtsausdruck die
Symbole eines nationalen Unglücks sein sollen, daß sie die überlebenden Zeugen
einer gewaltigen Katastrophe, eines furchtbaren Vernichtungskampfes sind, empfindet
man vor diesen „Trauerweiden" nicht. Auch hier ist wieder das Rührende oder
das Traurige mit dem Tragischen verwechselt. Dasselbe gilt von dem „Jeremicis
auf den Trümmern Jerusalems" (1834), welcher nicht minder populär wurde,
und von Bendemanns letzter großen Composition „Jeremicis beim Falle Jeru¬
salems" (1872, in der Berliner Nationalgnlerie). Auf beiden Bildern hat der
contemplative Zug so stark das Uebergewicht, daß alles übrige dahinter zurück¬
tritt. Das Thema ist also wieder kein rein malerisches; es kam dein Maler
vielmehr darauf an, einen geschichtsphilvphischen Gedanken durch eine Figur zum
Ausdruck zu bringen. Auf dem zweiten der oben genannten Bilder zittern wenig¬
stens noch die Reflexe der Katastrophe nach: man sieht den babylonischen König
mit seinen! beutebeladnen Heere im Triumph davonziehen und auf der andern
Seite die unglücklichen Bewohner Jerusalems, welche die rauchenden Trümmer
ihrer Heimat verlassen. Aus Ursache und Wirkung läßt sich also noch die Ge-
müthsstimmung der Hauptfigur im Vordergrunde erklären. Wo ein solcher Com-
mentnr aber fehlt, muß der Gesammteindruck dieser und ähnlicher Gemälde ein
ästhetisch durchaus unbefriedigender sein, Adolf Schrödter, der geniale Humorist,
verspottete deshalb nicht bloß diese ganze Gattung von Bilder», indem er 18Z2,
also noch in ihrer höchsten Blüthezeit, seine „Trauernden Lohgeber" malte, sondern
er lieferte zugleich eine treffende Kritik dieser fragwürdigen Elegieen, indem er
nicht vergaß, die Ursache ihrer Trauer, die fortschwimmenden Felle, mit zu malen.
Lessing hatte sich, wie schon erwähnt, von dieser larmoycinten Richtung am
ehesten befreit. Während um ihn her noch alles klagte und weinte oder sich in
stummem, unverstandenen oder unverständlichem Schmerz verzehrte, war er zu
den großen Dramen der Weltgeschichte emporgestiegen. Obwohl als Historien¬
maler mehr refleetirend als aus innerm Impuls schaffend, war er doch eine
dramatisch angelegte Natur, was sich selbst in seinen Leidenschaften offenbarte.
Wenn er nicht den Kampf der Elemente, Sturm, Gewitter und Feuersbrunst,
selbst darstellte, so zeigte er das Walten der zerstörenden Kräfte in ihren Folgen:
einen Wald, in welchem kurz vorher ein Sturm gewüthet, eine Brandruine oder
eine andre Spur, welche von einem erschütternden Vorgange erzählt.
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