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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Die Düsseldorfer Schule.

und den Dünsten des Wassers mischt -- das alles verleiht dem alltäglichen und
trivialen Vorgange ein so großartiges Relief, daß dem Beschauer ein Gefühl
beschleicht, als stünde er dem erhabensten Naturschauspiel gegenüber. Und mit
welcher gesättigten Kraft hält die Farbe diese Seenerie voll Hast und Unruhe
zusammen! Da ist kein Ton, der herausfällt, keiner, der schreiend die Aufmerk¬
samkeit auf sich lenkt. Jeder Farbenfleck hat seine Beziehungen zum Ganzen,
seinen bestimmten Zweck im Organismus, ohne daß irgendwo die Spuren einer
raffinirten Suche nach Effecten, eines spitzfindigen Diftelns sichtbar sind. Rein
instinctiv wie jedes echte Genie stellt der Meister durch den Zusammenklang der
Farben die Harmonie in der Bewegung her, eine ihm eingeborne malerische Pro¬
cedur, über welche er sich in ihren einzelnen Stadien nicht einmal selbst wird
Rechenschaft ablegen können.

Freilich artet die stupende Technik des Künstlers, wie es nicht anders sein
kann, bisweilen auch in Flüchtigkeit aus. Das war namentlich in jener Zeit
der Fall, als der Milliardensegen in die Börsen der Gründer strömte und die
letztem über Nacht zu Kunstkennern wurden, von denen jeder seinen Ueberhand
haben mußte. Da vermochte selbst der furiose Pinsel des Meisters Andreas dem
Ansturm kaum zu genügen, und die Kunsthändler holten ihm die nassen Bilder
aus dem Atelier, unbekümmert, ob sie fertig waren oder nicht. Wenn nur der
splendide Besteller das bekannte, sauber gerundete Zeichen ^. ^.onönbÄoK. in der
Ecke fand. Auch der flotte Export nach Amerika nahm eine Zeit lang den
Meister stark in Anspruch, und so tragen denn die Bilder dieser Epoche nicht
den Stempel liebevoller Durchbildung der Lnftöne und Wasserflächen, an welche
uns Ueberhand gewöhnt hat. Himmel und Wellen sehen "blechern" und "indem"
aus, und das Achenbachsche Grau, eine Farbe, die er in einer erstaunlichen
Weise zu nüanciren weiß, macht sich recht trocken, nüchtern und eintönig. Man
wird also diese Sorte von Bildern aus dem Werke des Meisters, das schon
jetzt über tausend Nummern umfaßt, ausscheiden müssen, weil man sonst zu der
irrigen Auffassung gelangen könnte, daß die Kraft des den Siebzigern zusteuern¬
den Meisters zu erlahmen drohe. In Wahrheit ist aber das Gegentheil der
Fall. Wie seinem Altersgenossen Menzel, der auch im Jahre 1815 geboren ist,
wachsen ihm mit den Jahren die Schwingen zu immer höherm Fluge.

Es ist selbstverständlich, daß eine so geniale Kraft von großem Einfluß
auf ihre Umgebung werden mußte. Gleich Lessing trat zwar auch Ueberhand
in kein näheres Verhältniß zur Akademie, hat auch, wie jener, in seinem Atelier
keine Schüler, mit Ausnahme von zweien, herangebildet. Aber sein Beispiel,
seine gloriosen Thaten wirkten auf die heranwachsende Generation, und so ver¬
dankt ihm die gegenwärtige Düsseldorfer Schule ein gut Theil ihrer Tüchtigkeit.


Die Düsseldorfer Schule.

und den Dünsten des Wassers mischt — das alles verleiht dem alltäglichen und
trivialen Vorgange ein so großartiges Relief, daß dem Beschauer ein Gefühl
beschleicht, als stünde er dem erhabensten Naturschauspiel gegenüber. Und mit
welcher gesättigten Kraft hält die Farbe diese Seenerie voll Hast und Unruhe
zusammen! Da ist kein Ton, der herausfällt, keiner, der schreiend die Aufmerk¬
samkeit auf sich lenkt. Jeder Farbenfleck hat seine Beziehungen zum Ganzen,
seinen bestimmten Zweck im Organismus, ohne daß irgendwo die Spuren einer
raffinirten Suche nach Effecten, eines spitzfindigen Diftelns sichtbar sind. Rein
instinctiv wie jedes echte Genie stellt der Meister durch den Zusammenklang der
Farben die Harmonie in der Bewegung her, eine ihm eingeborne malerische Pro¬
cedur, über welche er sich in ihren einzelnen Stadien nicht einmal selbst wird
Rechenschaft ablegen können.

Freilich artet die stupende Technik des Künstlers, wie es nicht anders sein
kann, bisweilen auch in Flüchtigkeit aus. Das war namentlich in jener Zeit
der Fall, als der Milliardensegen in die Börsen der Gründer strömte und die
letztem über Nacht zu Kunstkennern wurden, von denen jeder seinen Ueberhand
haben mußte. Da vermochte selbst der furiose Pinsel des Meisters Andreas dem
Ansturm kaum zu genügen, und die Kunsthändler holten ihm die nassen Bilder
aus dem Atelier, unbekümmert, ob sie fertig waren oder nicht. Wenn nur der
splendide Besteller das bekannte, sauber gerundete Zeichen ^. ^.onönbÄoK. in der
Ecke fand. Auch der flotte Export nach Amerika nahm eine Zeit lang den
Meister stark in Anspruch, und so tragen denn die Bilder dieser Epoche nicht
den Stempel liebevoller Durchbildung der Lnftöne und Wasserflächen, an welche
uns Ueberhand gewöhnt hat. Himmel und Wellen sehen „blechern" und „indem"
aus, und das Achenbachsche Grau, eine Farbe, die er in einer erstaunlichen
Weise zu nüanciren weiß, macht sich recht trocken, nüchtern und eintönig. Man
wird also diese Sorte von Bildern aus dem Werke des Meisters, das schon
jetzt über tausend Nummern umfaßt, ausscheiden müssen, weil man sonst zu der
irrigen Auffassung gelangen könnte, daß die Kraft des den Siebzigern zusteuern¬
den Meisters zu erlahmen drohe. In Wahrheit ist aber das Gegentheil der
Fall. Wie seinem Altersgenossen Menzel, der auch im Jahre 1815 geboren ist,
wachsen ihm mit den Jahren die Schwingen zu immer höherm Fluge.

Es ist selbstverständlich, daß eine so geniale Kraft von großem Einfluß
auf ihre Umgebung werden mußte. Gleich Lessing trat zwar auch Ueberhand
in kein näheres Verhältniß zur Akademie, hat auch, wie jener, in seinem Atelier
keine Schüler, mit Ausnahme von zweien, herangebildet. Aber sein Beispiel,
seine gloriosen Thaten wirkten auf die heranwachsende Generation, und so ver¬
dankt ihm die gegenwärtige Düsseldorfer Schule ein gut Theil ihrer Tüchtigkeit.


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[0337] Die Düsseldorfer Schule. und den Dünsten des Wassers mischt — das alles verleiht dem alltäglichen und trivialen Vorgange ein so großartiges Relief, daß dem Beschauer ein Gefühl beschleicht, als stünde er dem erhabensten Naturschauspiel gegenüber. Und mit welcher gesättigten Kraft hält die Farbe diese Seenerie voll Hast und Unruhe zusammen! Da ist kein Ton, der herausfällt, keiner, der schreiend die Aufmerk¬ samkeit auf sich lenkt. Jeder Farbenfleck hat seine Beziehungen zum Ganzen, seinen bestimmten Zweck im Organismus, ohne daß irgendwo die Spuren einer raffinirten Suche nach Effecten, eines spitzfindigen Diftelns sichtbar sind. Rein instinctiv wie jedes echte Genie stellt der Meister durch den Zusammenklang der Farben die Harmonie in der Bewegung her, eine ihm eingeborne malerische Pro¬ cedur, über welche er sich in ihren einzelnen Stadien nicht einmal selbst wird Rechenschaft ablegen können. Freilich artet die stupende Technik des Künstlers, wie es nicht anders sein kann, bisweilen auch in Flüchtigkeit aus. Das war namentlich in jener Zeit der Fall, als der Milliardensegen in die Börsen der Gründer strömte und die letztem über Nacht zu Kunstkennern wurden, von denen jeder seinen Ueberhand haben mußte. Da vermochte selbst der furiose Pinsel des Meisters Andreas dem Ansturm kaum zu genügen, und die Kunsthändler holten ihm die nassen Bilder aus dem Atelier, unbekümmert, ob sie fertig waren oder nicht. Wenn nur der splendide Besteller das bekannte, sauber gerundete Zeichen ^. ^.onönbÄoK. in der Ecke fand. Auch der flotte Export nach Amerika nahm eine Zeit lang den Meister stark in Anspruch, und so tragen denn die Bilder dieser Epoche nicht den Stempel liebevoller Durchbildung der Lnftöne und Wasserflächen, an welche uns Ueberhand gewöhnt hat. Himmel und Wellen sehen „blechern" und „indem" aus, und das Achenbachsche Grau, eine Farbe, die er in einer erstaunlichen Weise zu nüanciren weiß, macht sich recht trocken, nüchtern und eintönig. Man wird also diese Sorte von Bildern aus dem Werke des Meisters, das schon jetzt über tausend Nummern umfaßt, ausscheiden müssen, weil man sonst zu der irrigen Auffassung gelangen könnte, daß die Kraft des den Siebzigern zusteuern¬ den Meisters zu erlahmen drohe. In Wahrheit ist aber das Gegentheil der Fall. Wie seinem Altersgenossen Menzel, der auch im Jahre 1815 geboren ist, wachsen ihm mit den Jahren die Schwingen zu immer höherm Fluge. Es ist selbstverständlich, daß eine so geniale Kraft von großem Einfluß auf ihre Umgebung werden mußte. Gleich Lessing trat zwar auch Ueberhand in kein näheres Verhältniß zur Akademie, hat auch, wie jener, in seinem Atelier keine Schüler, mit Ausnahme von zweien, herangebildet. Aber sein Beispiel, seine gloriosen Thaten wirkten auf die heranwachsende Generation, und so ver¬ dankt ihm die gegenwärtige Düsseldorfer Schule ein gut Theil ihrer Tüchtigkeit.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/337>, abgerufen am 23.07.2024.