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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Die Düsseldorfer Schule,

hands Streben ging aber anderswohin. Seinem Bruder Oswald blieb es vor¬
behalten, eine neue Auffassung der italienischen Landschaft zu begründen.

Andreas fand indessen auch in Italien manches, was seine Eigenart reizte.
Die "Pontinischen Sümpfe" in der Neuen Pinakothek zu München (1846), die
"Cyklopenfelsen" (1847) im Museum zu Philadelphia, die Landschaft von Cor-
levue (im Besitz des deutschen Kaisers), "Scylla" an der Küste von Sicilien sind
Beispiele für die Art und Weise, in welcher sich Ueberhand mit der südlichen
Natur abfand. Indessen bilden diese italienischen Landschaften und Mariner
,nur eine Episode in seiner Thätigkeit, die man getrost streichen könnte, ohne daß
sich das Charakterbild seiner Kunst ändern würde. Seine Kraft wurzelt im Norden,
an der nordischen Küste, in Holland, Belgien und Norwegen. Die schäumenden
Wasserfälle des letztern Landes hat Ueberhand oft mit unübertroffner Bravour
dargestellt: romantische Motive, die durch die realistische Auffassungsart des
Malers nur "och großartiger wirken.

Obwohl aber Achenbachs größte Erfolge nach der Seite des geräuschvollen
Effects auf dem Gebiete des Seestücks liegen, hat er sein Leben lang mit gleicher
Liebe die Binnenlandschnft cultivirt. Und gerade auf diesen Bildern erkennen
wir am deutlichsten, wie nachhaltig und für sein ganzes Leben bestimmend Lessing
auf ihn eingewirkt hat. Wie Lessing, wählt Ueberhand gern einen hohen Stand¬
punkt und läßt von diesem aus den Beschauer in stille Thalwinkel, auf Wiesen
und Felder, auf die Windungen kleiner Flüsse, in die Gäßchen alterthümlicher
Städte blicken, die er mit lichtem Sonnenglanz oder mit dem Scheine des Mond¬
lichts umwebt. Da zeigt sich denn der Meister, der sonst gewöhnt ist, mit
breitem Pinsel ungeberdige Sturzwellen zu malen, als liebevoller, sorgsamer
Miniaturmaler, den die geringste Einzelheit nicht zu unbedeutend ist. Die Mo¬
tive zu diesen Landschaften sind meist vom Niederrhein gewählt. Gelegentlich
macht Ueberhand dann einen Abstecher ins Hannöversche, wo ihm besonders
Hildesheim mit seinem mittelalterlichen Charakter fesselte. Bisweilen drang er
auch in das innere Gassengewirr holländischer Städte, wie zum Beispiel in das
Judenviertel Amsterdams, ein und holte sich mit seinem treffsichern Blick für das
Malerische Motive heraus, an die niemand zuvor gedacht hatte. Das Malerische
sucht er stets in der Bewegung, mag sie ihm das Gewühl der Menschen oder
das Treiben der Wolken oder das Spiel des Lichts und des Windes ans der
Wasserfläche darbieten. Innerhalb dieser Bewegung bleibt aber immer die pla¬
stische Form bestehen, die ihm niemals zum Spielball wird. Ueberhand ist des¬
halb ein ebenso tüchtiger Terrain- und Architekturmaler, wie es Lessing gewesen,
und deshalb durften wir oben sagen, daß die formale Seite seiner Kunst an
Lessing anknüpft. Aber noch in einem andern Sinne. Lessing war der erste,


Die Düsseldorfer Schule,

hands Streben ging aber anderswohin. Seinem Bruder Oswald blieb es vor¬
behalten, eine neue Auffassung der italienischen Landschaft zu begründen.

Andreas fand indessen auch in Italien manches, was seine Eigenart reizte.
Die „Pontinischen Sümpfe" in der Neuen Pinakothek zu München (1846), die
„Cyklopenfelsen" (1847) im Museum zu Philadelphia, die Landschaft von Cor-
levue (im Besitz des deutschen Kaisers), „Scylla" an der Küste von Sicilien sind
Beispiele für die Art und Weise, in welcher sich Ueberhand mit der südlichen
Natur abfand. Indessen bilden diese italienischen Landschaften und Mariner
,nur eine Episode in seiner Thätigkeit, die man getrost streichen könnte, ohne daß
sich das Charakterbild seiner Kunst ändern würde. Seine Kraft wurzelt im Norden,
an der nordischen Küste, in Holland, Belgien und Norwegen. Die schäumenden
Wasserfälle des letztern Landes hat Ueberhand oft mit unübertroffner Bravour
dargestellt: romantische Motive, die durch die realistische Auffassungsart des
Malers nur «och großartiger wirken.

Obwohl aber Achenbachs größte Erfolge nach der Seite des geräuschvollen
Effects auf dem Gebiete des Seestücks liegen, hat er sein Leben lang mit gleicher
Liebe die Binnenlandschnft cultivirt. Und gerade auf diesen Bildern erkennen
wir am deutlichsten, wie nachhaltig und für sein ganzes Leben bestimmend Lessing
auf ihn eingewirkt hat. Wie Lessing, wählt Ueberhand gern einen hohen Stand¬
punkt und läßt von diesem aus den Beschauer in stille Thalwinkel, auf Wiesen
und Felder, auf die Windungen kleiner Flüsse, in die Gäßchen alterthümlicher
Städte blicken, die er mit lichtem Sonnenglanz oder mit dem Scheine des Mond¬
lichts umwebt. Da zeigt sich denn der Meister, der sonst gewöhnt ist, mit
breitem Pinsel ungeberdige Sturzwellen zu malen, als liebevoller, sorgsamer
Miniaturmaler, den die geringste Einzelheit nicht zu unbedeutend ist. Die Mo¬
tive zu diesen Landschaften sind meist vom Niederrhein gewählt. Gelegentlich
macht Ueberhand dann einen Abstecher ins Hannöversche, wo ihm besonders
Hildesheim mit seinem mittelalterlichen Charakter fesselte. Bisweilen drang er
auch in das innere Gassengewirr holländischer Städte, wie zum Beispiel in das
Judenviertel Amsterdams, ein und holte sich mit seinem treffsichern Blick für das
Malerische Motive heraus, an die niemand zuvor gedacht hatte. Das Malerische
sucht er stets in der Bewegung, mag sie ihm das Gewühl der Menschen oder
das Treiben der Wolken oder das Spiel des Lichts und des Windes ans der
Wasserfläche darbieten. Innerhalb dieser Bewegung bleibt aber immer die pla¬
stische Form bestehen, die ihm niemals zum Spielball wird. Ueberhand ist des¬
halb ein ebenso tüchtiger Terrain- und Architekturmaler, wie es Lessing gewesen,
und deshalb durften wir oben sagen, daß die formale Seite seiner Kunst an
Lessing anknüpft. Aber noch in einem andern Sinne. Lessing war der erste,


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[0335] Die Düsseldorfer Schule, hands Streben ging aber anderswohin. Seinem Bruder Oswald blieb es vor¬ behalten, eine neue Auffassung der italienischen Landschaft zu begründen. Andreas fand indessen auch in Italien manches, was seine Eigenart reizte. Die „Pontinischen Sümpfe" in der Neuen Pinakothek zu München (1846), die „Cyklopenfelsen" (1847) im Museum zu Philadelphia, die Landschaft von Cor- levue (im Besitz des deutschen Kaisers), „Scylla" an der Küste von Sicilien sind Beispiele für die Art und Weise, in welcher sich Ueberhand mit der südlichen Natur abfand. Indessen bilden diese italienischen Landschaften und Mariner ,nur eine Episode in seiner Thätigkeit, die man getrost streichen könnte, ohne daß sich das Charakterbild seiner Kunst ändern würde. Seine Kraft wurzelt im Norden, an der nordischen Küste, in Holland, Belgien und Norwegen. Die schäumenden Wasserfälle des letztern Landes hat Ueberhand oft mit unübertroffner Bravour dargestellt: romantische Motive, die durch die realistische Auffassungsart des Malers nur «och großartiger wirken. Obwohl aber Achenbachs größte Erfolge nach der Seite des geräuschvollen Effects auf dem Gebiete des Seestücks liegen, hat er sein Leben lang mit gleicher Liebe die Binnenlandschnft cultivirt. Und gerade auf diesen Bildern erkennen wir am deutlichsten, wie nachhaltig und für sein ganzes Leben bestimmend Lessing auf ihn eingewirkt hat. Wie Lessing, wählt Ueberhand gern einen hohen Stand¬ punkt und läßt von diesem aus den Beschauer in stille Thalwinkel, auf Wiesen und Felder, auf die Windungen kleiner Flüsse, in die Gäßchen alterthümlicher Städte blicken, die er mit lichtem Sonnenglanz oder mit dem Scheine des Mond¬ lichts umwebt. Da zeigt sich denn der Meister, der sonst gewöhnt ist, mit breitem Pinsel ungeberdige Sturzwellen zu malen, als liebevoller, sorgsamer Miniaturmaler, den die geringste Einzelheit nicht zu unbedeutend ist. Die Mo¬ tive zu diesen Landschaften sind meist vom Niederrhein gewählt. Gelegentlich macht Ueberhand dann einen Abstecher ins Hannöversche, wo ihm besonders Hildesheim mit seinem mittelalterlichen Charakter fesselte. Bisweilen drang er auch in das innere Gassengewirr holländischer Städte, wie zum Beispiel in das Judenviertel Amsterdams, ein und holte sich mit seinem treffsichern Blick für das Malerische Motive heraus, an die niemand zuvor gedacht hatte. Das Malerische sucht er stets in der Bewegung, mag sie ihm das Gewühl der Menschen oder das Treiben der Wolken oder das Spiel des Lichts und des Windes ans der Wasserfläche darbieten. Innerhalb dieser Bewegung bleibt aber immer die pla¬ stische Form bestehen, die ihm niemals zum Spielball wird. Ueberhand ist des¬ halb ein ebenso tüchtiger Terrain- und Architekturmaler, wie es Lessing gewesen, und deshalb durften wir oben sagen, daß die formale Seite seiner Kunst an Lessing anknüpft. Aber noch in einem andern Sinne. Lessing war der erste,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/335>, abgerufen am 23.07.2024.