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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Die Düsseldorfer Schule.

gestattete, seine enorme Kenntniß des Seewassers in allen Stadien der Erregung,
in allen Metamorphosen von der schwere", schlammigen Sturzwelle bis zum flockigen
Gischt zu zeigen. Mit diesem Studium des Wassers ging ein gleich eingehendes
Studium der Luft über dem Meere und über dem Strande und ihrer eigen¬
thümlichen Reflexe auf dem Wasser Hand in Hand. Man sagt, daß Ueberhand
die gewonnenen Eindrücke nicht in Skizzenbüchern und Oelstudien festhielt, sondern
daß er dieselben, unterstützt durch eine erstaunliche Gedächtnißkraft, im Kopfe mit
sich herumtrug. 1837 begab sich Ueberhand nach Frankfurt a. M, wohin ihn
sein Düsseldorfer Freund Alfred Rethel vorausgegangen war, und dort vollendete
er einen dritten "Seesturm an der Küste mit einem sträubenden Schiffe", welcher
für das Städelsche Institut angekauft wurde. Dann ging er wieder nach Düssel¬
dorf zurück, und dieses blieb nun bis zum Jahre 1843 seine Heimstätte, zu der
er von seinen häufigen Reisen nach England, Frankreich, wo er Turner und
Gudin kennen lernte, und Norwegen (1838) immer wieder zurückkehrte. Die
großartige Schönheit der norwegischen Gebirgsnatur hat er zuerst für die Kunst
entdeckt. Durch seine Erfolge ermuntert, kamen erst junge skandinavische Maler
nach Düsseldorf, um dort von seiner glänzenden Technik zu Prositiren und mit
ihrer Hilfe die Reize ihres Heimatlandes nach seinem Vorgange weiter zu er¬
schöpfen. Ueberhand entfaltete schon in dieser Zeit eine außerordentliche Pro-
ductivität, und bald sagte man ihm nach, daß er am schnellsten von allen Düssel¬
dorfern male, ohne daß die Solidität seiner Mache dadurch geschädigt wurde.
Der "Hardcmger Fjord bei Bergen" (1843) in der städtischen Galerie in Düssel¬
dorf bezeichnet wohl den Höhepunkt der Schöpfungen dieser ersten Epoche.

Es ist ein psychologisches Räthsel, daß Ueberhand in dieser Zeit voll regster
Arbeitsamkeit sich mit Speculntivnen abgab, die im Frühjahr 1843 seinen Ueber¬
tritt zum Katholicismus zur Folge hatten. Zum Gedächtniß an diesen Act
malte er für den Hochaltar der Lambertikirche in Düsseldorf ein Altarbild mit
neun Heiligen auf Goldgrund, das erste und letzte Heiligenbild, das er gemalt
hat. Die Energie und Tiefe der Farbe verräth einen Künstler, der auch auf
diesem, ihm sonst fernen Gebiete zu der süßlichen Romantik der Düsseldorfer
Heiligenmaler in Opposition getreten war.

Mit seineu? Uebertritt zum Katholicismus scheint auch eine Reise nach Italien
in Verbindung gestanden zu haben, die er im Herbst 1843 unternahm. Das
Studium des Meeres und der italienischen Küsten war selbstverständlich fiir ihn
die Hauptsache. Aber im großen und ganzen war die Ausbeute seines Aufent¬
halts in Italien, der sich bis zum Jahre 1845 ausdehnte, nicht sonderlich reich.
Die classischen Linien der italienischen Landschaft bildeten den Inbegriff alles
Studiunis fiir die Fvrmenstilisten im Geiste Rottmanns und Schirmers. Achen-


Die Düsseldorfer Schule.

gestattete, seine enorme Kenntniß des Seewassers in allen Stadien der Erregung,
in allen Metamorphosen von der schwere», schlammigen Sturzwelle bis zum flockigen
Gischt zu zeigen. Mit diesem Studium des Wassers ging ein gleich eingehendes
Studium der Luft über dem Meere und über dem Strande und ihrer eigen¬
thümlichen Reflexe auf dem Wasser Hand in Hand. Man sagt, daß Ueberhand
die gewonnenen Eindrücke nicht in Skizzenbüchern und Oelstudien festhielt, sondern
daß er dieselben, unterstützt durch eine erstaunliche Gedächtnißkraft, im Kopfe mit
sich herumtrug. 1837 begab sich Ueberhand nach Frankfurt a. M, wohin ihn
sein Düsseldorfer Freund Alfred Rethel vorausgegangen war, und dort vollendete
er einen dritten „Seesturm an der Küste mit einem sträubenden Schiffe", welcher
für das Städelsche Institut angekauft wurde. Dann ging er wieder nach Düssel¬
dorf zurück, und dieses blieb nun bis zum Jahre 1843 seine Heimstätte, zu der
er von seinen häufigen Reisen nach England, Frankreich, wo er Turner und
Gudin kennen lernte, und Norwegen (1838) immer wieder zurückkehrte. Die
großartige Schönheit der norwegischen Gebirgsnatur hat er zuerst für die Kunst
entdeckt. Durch seine Erfolge ermuntert, kamen erst junge skandinavische Maler
nach Düsseldorf, um dort von seiner glänzenden Technik zu Prositiren und mit
ihrer Hilfe die Reize ihres Heimatlandes nach seinem Vorgange weiter zu er¬
schöpfen. Ueberhand entfaltete schon in dieser Zeit eine außerordentliche Pro-
ductivität, und bald sagte man ihm nach, daß er am schnellsten von allen Düssel¬
dorfern male, ohne daß die Solidität seiner Mache dadurch geschädigt wurde.
Der „Hardcmger Fjord bei Bergen" (1843) in der städtischen Galerie in Düssel¬
dorf bezeichnet wohl den Höhepunkt der Schöpfungen dieser ersten Epoche.

Es ist ein psychologisches Räthsel, daß Ueberhand in dieser Zeit voll regster
Arbeitsamkeit sich mit Speculntivnen abgab, die im Frühjahr 1843 seinen Ueber¬
tritt zum Katholicismus zur Folge hatten. Zum Gedächtniß an diesen Act
malte er für den Hochaltar der Lambertikirche in Düsseldorf ein Altarbild mit
neun Heiligen auf Goldgrund, das erste und letzte Heiligenbild, das er gemalt
hat. Die Energie und Tiefe der Farbe verräth einen Künstler, der auch auf
diesem, ihm sonst fernen Gebiete zu der süßlichen Romantik der Düsseldorfer
Heiligenmaler in Opposition getreten war.

Mit seineu? Uebertritt zum Katholicismus scheint auch eine Reise nach Italien
in Verbindung gestanden zu haben, die er im Herbst 1843 unternahm. Das
Studium des Meeres und der italienischen Küsten war selbstverständlich fiir ihn
die Hauptsache. Aber im großen und ganzen war die Ausbeute seines Aufent¬
halts in Italien, der sich bis zum Jahre 1845 ausdehnte, nicht sonderlich reich.
Die classischen Linien der italienischen Landschaft bildeten den Inbegriff alles
Studiunis fiir die Fvrmenstilisten im Geiste Rottmanns und Schirmers. Achen-


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[0334] Die Düsseldorfer Schule. gestattete, seine enorme Kenntniß des Seewassers in allen Stadien der Erregung, in allen Metamorphosen von der schwere», schlammigen Sturzwelle bis zum flockigen Gischt zu zeigen. Mit diesem Studium des Wassers ging ein gleich eingehendes Studium der Luft über dem Meere und über dem Strande und ihrer eigen¬ thümlichen Reflexe auf dem Wasser Hand in Hand. Man sagt, daß Ueberhand die gewonnenen Eindrücke nicht in Skizzenbüchern und Oelstudien festhielt, sondern daß er dieselben, unterstützt durch eine erstaunliche Gedächtnißkraft, im Kopfe mit sich herumtrug. 1837 begab sich Ueberhand nach Frankfurt a. M, wohin ihn sein Düsseldorfer Freund Alfred Rethel vorausgegangen war, und dort vollendete er einen dritten „Seesturm an der Küste mit einem sträubenden Schiffe", welcher für das Städelsche Institut angekauft wurde. Dann ging er wieder nach Düssel¬ dorf zurück, und dieses blieb nun bis zum Jahre 1843 seine Heimstätte, zu der er von seinen häufigen Reisen nach England, Frankreich, wo er Turner und Gudin kennen lernte, und Norwegen (1838) immer wieder zurückkehrte. Die großartige Schönheit der norwegischen Gebirgsnatur hat er zuerst für die Kunst entdeckt. Durch seine Erfolge ermuntert, kamen erst junge skandinavische Maler nach Düsseldorf, um dort von seiner glänzenden Technik zu Prositiren und mit ihrer Hilfe die Reize ihres Heimatlandes nach seinem Vorgange weiter zu er¬ schöpfen. Ueberhand entfaltete schon in dieser Zeit eine außerordentliche Pro- ductivität, und bald sagte man ihm nach, daß er am schnellsten von allen Düssel¬ dorfern male, ohne daß die Solidität seiner Mache dadurch geschädigt wurde. Der „Hardcmger Fjord bei Bergen" (1843) in der städtischen Galerie in Düssel¬ dorf bezeichnet wohl den Höhepunkt der Schöpfungen dieser ersten Epoche. Es ist ein psychologisches Räthsel, daß Ueberhand in dieser Zeit voll regster Arbeitsamkeit sich mit Speculntivnen abgab, die im Frühjahr 1843 seinen Ueber¬ tritt zum Katholicismus zur Folge hatten. Zum Gedächtniß an diesen Act malte er für den Hochaltar der Lambertikirche in Düsseldorf ein Altarbild mit neun Heiligen auf Goldgrund, das erste und letzte Heiligenbild, das er gemalt hat. Die Energie und Tiefe der Farbe verräth einen Künstler, der auch auf diesem, ihm sonst fernen Gebiete zu der süßlichen Romantik der Düsseldorfer Heiligenmaler in Opposition getreten war. Mit seineu? Uebertritt zum Katholicismus scheint auch eine Reise nach Italien in Verbindung gestanden zu haben, die er im Herbst 1843 unternahm. Das Studium des Meeres und der italienischen Küsten war selbstverständlich fiir ihn die Hauptsache. Aber im großen und ganzen war die Ausbeute seines Aufent¬ halts in Italien, der sich bis zum Jahre 1845 ausdehnte, nicht sonderlich reich. Die classischen Linien der italienischen Landschaft bildeten den Inbegriff alles Studiunis fiir die Fvrmenstilisten im Geiste Rottmanns und Schirmers. Achen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/334>, abgerufen am 03.07.2024.