Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Düsseldorfer Schule.

mehr recht verstehen. Portraitmaler von der universellen Bedeutung eines Hol¬
bein, Tizian, Rubens, van Dhk, Rembrandt, van der Helft sind sie bei weitem
nicht. Was Müller von Königswinter im Ueberschwang der Begeisterung von
Sohn schrieb: "Seine Gemälde werden ans unsrer Zeit in die Nachwelt leuchten,
wie die Meister ans alten Tagen in unsre Gegenwart strahlen," ist schon heute,
nach fünfundzwanzig Jahren, hinfällig. Gleichwohl werden diese Portraits einem
Cultur- und Sittenhistoriker des neunzehnten Jahrhunderts ein werthvolles Ma¬
terial zur Beurtheilung von Stimmungen und Neigungen einer gewissen Gesell¬
schaftsklasse in einem bestimmten Zeitabschnitt liefern. Es ist nicht uninteressant,
aus einer großen Gruppe von zeitlich zusammengehörigen Bildnissen den "Puls-
schlag der Zeit" herauszufühlen. Manches Räthsel, über welches uns die lite-
rarische Ueberlieferung in: Unklaren läßt, kann auf diesem Wege gelöst werden.

Zu den sechs jungen Malern, welche Schcidow aus Berlin nach Düsseldorf
folgten, gehörten auch Christian Köhler, Heinrich Mücke und Julius
Hühner. Köhler (1809-1861) war ein Maler so recht nach dem Herzen Scha-
dows, indem er seine Stoffe fast ausschließlich der alttestamentlichen Geschichte
entlehnte. Er ließ sich meist durch die heroischen Frauengestalten der Bibel be¬
geistern, die er dann in einem bedeutsame" Momente darstellte. Mit seiner gro߬
artigen Auffassung harmonirte ein ernst gestimmtes Colorit, welches erst in seinen
spätern Jahren durch die Einwirkung der Venezianer reicher und lebhafter wurde.
"Mirjams Lobgesang bei dem Zuge der Juden durch das rothe Meer", "Die
Auffindung Mosis", "Jakob und Rahel", "Semiramis während eines Auf-
standes in Babylon" sind die bedeutendsten seiner Bilder. Köhler war von 1855
bis 1858 der Nachfolger Sohns in der akademischen Lehrthätigkeit und gehört
insofern zu den Factoren, welche den gegenwärtigen Stand der Malerei in Düssel¬
dorf vorbereitet haben. Heinrich Mückes Name ist weniger durch seine Fresken
im Schlosse Hektors und seinen Fries ("Die Ausbreitung des Christenthums") im
Rathhause zu Elberfeld, als durch seine von Engeln emporgetragene "Hi. Katha¬
rina" bekannt geworden, welche durch Stich, Lithographie und Photographie verviel¬
fältigt worden ist. Auch er ist für die Geschichte der Düsseldorfer Malerei dadurch
bedeutend geworden, daß er die Freskotechnik lebendig erhielt lind fast alle Düssel¬
dorfer Maler, die sich mit derselben befaßt haben, darin unterwies. Noch in den
letzten Jahren hat der greise Künstler eine äußerst umfangreiche, sriesartige Com-
position geschaffen, eine "Verherrlichung des Rheinstroms von der Quelle bis
zur Mündung" in historischen Scenen. Julius Hühner endlich theilte seine Thätig¬
keit zwischen Bildern religiösen Inhalts und romantischen Darstellungen, die meist
aus Dichtern entlehnt waren. Er war nnr eine kurze Zeit mit der Düsseldorfer
Schule in räumlichen Zusammenhang, zuerst von 1826 bis 1829, dann von 183?


Die Düsseldorfer Schule.

mehr recht verstehen. Portraitmaler von der universellen Bedeutung eines Hol¬
bein, Tizian, Rubens, van Dhk, Rembrandt, van der Helft sind sie bei weitem
nicht. Was Müller von Königswinter im Ueberschwang der Begeisterung von
Sohn schrieb: „Seine Gemälde werden ans unsrer Zeit in die Nachwelt leuchten,
wie die Meister ans alten Tagen in unsre Gegenwart strahlen," ist schon heute,
nach fünfundzwanzig Jahren, hinfällig. Gleichwohl werden diese Portraits einem
Cultur- und Sittenhistoriker des neunzehnten Jahrhunderts ein werthvolles Ma¬
terial zur Beurtheilung von Stimmungen und Neigungen einer gewissen Gesell¬
schaftsklasse in einem bestimmten Zeitabschnitt liefern. Es ist nicht uninteressant,
aus einer großen Gruppe von zeitlich zusammengehörigen Bildnissen den „Puls-
schlag der Zeit" herauszufühlen. Manches Räthsel, über welches uns die lite-
rarische Ueberlieferung in: Unklaren läßt, kann auf diesem Wege gelöst werden.

Zu den sechs jungen Malern, welche Schcidow aus Berlin nach Düsseldorf
folgten, gehörten auch Christian Köhler, Heinrich Mücke und Julius
Hühner. Köhler (1809-1861) war ein Maler so recht nach dem Herzen Scha-
dows, indem er seine Stoffe fast ausschließlich der alttestamentlichen Geschichte
entlehnte. Er ließ sich meist durch die heroischen Frauengestalten der Bibel be¬
geistern, die er dann in einem bedeutsame» Momente darstellte. Mit seiner gro߬
artigen Auffassung harmonirte ein ernst gestimmtes Colorit, welches erst in seinen
spätern Jahren durch die Einwirkung der Venezianer reicher und lebhafter wurde.
„Mirjams Lobgesang bei dem Zuge der Juden durch das rothe Meer", „Die
Auffindung Mosis", „Jakob und Rahel", „Semiramis während eines Auf-
standes in Babylon" sind die bedeutendsten seiner Bilder. Köhler war von 1855
bis 1858 der Nachfolger Sohns in der akademischen Lehrthätigkeit und gehört
insofern zu den Factoren, welche den gegenwärtigen Stand der Malerei in Düssel¬
dorf vorbereitet haben. Heinrich Mückes Name ist weniger durch seine Fresken
im Schlosse Hektors und seinen Fries („Die Ausbreitung des Christenthums") im
Rathhause zu Elberfeld, als durch seine von Engeln emporgetragene „Hi. Katha¬
rina" bekannt geworden, welche durch Stich, Lithographie und Photographie verviel¬
fältigt worden ist. Auch er ist für die Geschichte der Düsseldorfer Malerei dadurch
bedeutend geworden, daß er die Freskotechnik lebendig erhielt lind fast alle Düssel¬
dorfer Maler, die sich mit derselben befaßt haben, darin unterwies. Noch in den
letzten Jahren hat der greise Künstler eine äußerst umfangreiche, sriesartige Com-
position geschaffen, eine „Verherrlichung des Rheinstroms von der Quelle bis
zur Mündung" in historischen Scenen. Julius Hühner endlich theilte seine Thätig¬
keit zwischen Bildern religiösen Inhalts und romantischen Darstellungen, die meist
aus Dichtern entlehnt waren. Er war nnr eine kurze Zeit mit der Düsseldorfer
Schule in räumlichen Zusammenhang, zuerst von 1826 bis 1829, dann von 183?


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0033" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149605"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Düsseldorfer Schule.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_78" prev="#ID_77"> mehr recht verstehen. Portraitmaler von der universellen Bedeutung eines Hol¬<lb/>
bein, Tizian, Rubens, van Dhk, Rembrandt, van der Helft sind sie bei weitem<lb/>
nicht. Was Müller von Königswinter im Ueberschwang der Begeisterung von<lb/>
Sohn schrieb: &#x201E;Seine Gemälde werden ans unsrer Zeit in die Nachwelt leuchten,<lb/>
wie die Meister ans alten Tagen in unsre Gegenwart strahlen," ist schon heute,<lb/>
nach fünfundzwanzig Jahren, hinfällig. Gleichwohl werden diese Portraits einem<lb/>
Cultur- und Sittenhistoriker des neunzehnten Jahrhunderts ein werthvolles Ma¬<lb/>
terial zur Beurtheilung von Stimmungen und Neigungen einer gewissen Gesell¬<lb/>
schaftsklasse in einem bestimmten Zeitabschnitt liefern. Es ist nicht uninteressant,<lb/>
aus einer großen Gruppe von zeitlich zusammengehörigen Bildnissen den &#x201E;Puls-<lb/>
schlag der Zeit" herauszufühlen. Manches Räthsel, über welches uns die lite-<lb/>
rarische Ueberlieferung in: Unklaren läßt, kann auf diesem Wege gelöst werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_79" next="#ID_80"> Zu den sechs jungen Malern, welche Schcidow aus Berlin nach Düsseldorf<lb/>
folgten, gehörten auch Christian Köhler, Heinrich Mücke und Julius<lb/>
Hühner. Köhler (1809-1861) war ein Maler so recht nach dem Herzen Scha-<lb/>
dows, indem er seine Stoffe fast ausschließlich der alttestamentlichen Geschichte<lb/>
entlehnte. Er ließ sich meist durch die heroischen Frauengestalten der Bibel be¬<lb/>
geistern, die er dann in einem bedeutsame» Momente darstellte. Mit seiner gro߬<lb/>
artigen Auffassung harmonirte ein ernst gestimmtes Colorit, welches erst in seinen<lb/>
spätern Jahren durch die Einwirkung der Venezianer reicher und lebhafter wurde.<lb/>
&#x201E;Mirjams Lobgesang bei dem Zuge der Juden durch das rothe Meer", &#x201E;Die<lb/>
Auffindung Mosis", &#x201E;Jakob und Rahel", &#x201E;Semiramis während eines Auf-<lb/>
standes in Babylon" sind die bedeutendsten seiner Bilder. Köhler war von 1855<lb/>
bis 1858 der Nachfolger Sohns in der akademischen Lehrthätigkeit und gehört<lb/>
insofern zu den Factoren, welche den gegenwärtigen Stand der Malerei in Düssel¬<lb/>
dorf vorbereitet haben. Heinrich Mückes Name ist weniger durch seine Fresken<lb/>
im Schlosse Hektors und seinen Fries (&#x201E;Die Ausbreitung des Christenthums") im<lb/>
Rathhause zu Elberfeld, als durch seine von Engeln emporgetragene &#x201E;Hi. Katha¬<lb/>
rina" bekannt geworden, welche durch Stich, Lithographie und Photographie verviel¬<lb/>
fältigt worden ist. Auch er ist für die Geschichte der Düsseldorfer Malerei dadurch<lb/>
bedeutend geworden, daß er die Freskotechnik lebendig erhielt lind fast alle Düssel¬<lb/>
dorfer Maler, die sich mit derselben befaßt haben, darin unterwies. Noch in den<lb/>
letzten Jahren hat der greise Künstler eine äußerst umfangreiche, sriesartige Com-<lb/>
position geschaffen, eine &#x201E;Verherrlichung des Rheinstroms von der Quelle bis<lb/>
zur Mündung" in historischen Scenen. Julius Hühner endlich theilte seine Thätig¬<lb/>
keit zwischen Bildern religiösen Inhalts und romantischen Darstellungen, die meist<lb/>
aus Dichtern entlehnt waren. Er war nnr eine kurze Zeit mit der Düsseldorfer<lb/>
Schule in räumlichen Zusammenhang, zuerst von 1826 bis 1829, dann von 183?</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0033] Die Düsseldorfer Schule. mehr recht verstehen. Portraitmaler von der universellen Bedeutung eines Hol¬ bein, Tizian, Rubens, van Dhk, Rembrandt, van der Helft sind sie bei weitem nicht. Was Müller von Königswinter im Ueberschwang der Begeisterung von Sohn schrieb: „Seine Gemälde werden ans unsrer Zeit in die Nachwelt leuchten, wie die Meister ans alten Tagen in unsre Gegenwart strahlen," ist schon heute, nach fünfundzwanzig Jahren, hinfällig. Gleichwohl werden diese Portraits einem Cultur- und Sittenhistoriker des neunzehnten Jahrhunderts ein werthvolles Ma¬ terial zur Beurtheilung von Stimmungen und Neigungen einer gewissen Gesell¬ schaftsklasse in einem bestimmten Zeitabschnitt liefern. Es ist nicht uninteressant, aus einer großen Gruppe von zeitlich zusammengehörigen Bildnissen den „Puls- schlag der Zeit" herauszufühlen. Manches Räthsel, über welches uns die lite- rarische Ueberlieferung in: Unklaren läßt, kann auf diesem Wege gelöst werden. Zu den sechs jungen Malern, welche Schcidow aus Berlin nach Düsseldorf folgten, gehörten auch Christian Köhler, Heinrich Mücke und Julius Hühner. Köhler (1809-1861) war ein Maler so recht nach dem Herzen Scha- dows, indem er seine Stoffe fast ausschließlich der alttestamentlichen Geschichte entlehnte. Er ließ sich meist durch die heroischen Frauengestalten der Bibel be¬ geistern, die er dann in einem bedeutsame» Momente darstellte. Mit seiner gro߬ artigen Auffassung harmonirte ein ernst gestimmtes Colorit, welches erst in seinen spätern Jahren durch die Einwirkung der Venezianer reicher und lebhafter wurde. „Mirjams Lobgesang bei dem Zuge der Juden durch das rothe Meer", „Die Auffindung Mosis", „Jakob und Rahel", „Semiramis während eines Auf- standes in Babylon" sind die bedeutendsten seiner Bilder. Köhler war von 1855 bis 1858 der Nachfolger Sohns in der akademischen Lehrthätigkeit und gehört insofern zu den Factoren, welche den gegenwärtigen Stand der Malerei in Düssel¬ dorf vorbereitet haben. Heinrich Mückes Name ist weniger durch seine Fresken im Schlosse Hektors und seinen Fries („Die Ausbreitung des Christenthums") im Rathhause zu Elberfeld, als durch seine von Engeln emporgetragene „Hi. Katha¬ rina" bekannt geworden, welche durch Stich, Lithographie und Photographie verviel¬ fältigt worden ist. Auch er ist für die Geschichte der Düsseldorfer Malerei dadurch bedeutend geworden, daß er die Freskotechnik lebendig erhielt lind fast alle Düssel¬ dorfer Maler, die sich mit derselben befaßt haben, darin unterwies. Noch in den letzten Jahren hat der greise Künstler eine äußerst umfangreiche, sriesartige Com- position geschaffen, eine „Verherrlichung des Rheinstroms von der Quelle bis zur Mündung" in historischen Scenen. Julius Hühner endlich theilte seine Thätig¬ keit zwischen Bildern religiösen Inhalts und romantischen Darstellungen, die meist aus Dichtern entlehnt waren. Er war nnr eine kurze Zeit mit der Düsseldorfer Schule in räumlichen Zusammenhang, zuerst von 1826 bis 1829, dann von 183?

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/33
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/33>, abgerufen am 23.07.2024.