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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Lalderon.

welche die spanische Bühnendichtung auf Grund des vor ihm geleisteten zu er¬
streben habe, und sich bei seinem Schaffen von festen Principien leiten ließ,
darüber kann für den, der Calderons Schöpfungen mit denen seiner Vorgänger
vergleicht, kein Zweifel bestehen. Der kunstvoll durchgeführte Plan und die
innere Geschlossenheit seiner Stücke, die Vermeidung alles müssigen Beiwerks,
mit einem Worte die präcise dramatische Form ist es, die erst bei Calderon völlig
ausgebildet und principiell gehandhabt zu Tage tritt. Freilich ist das Walten
der Reflexion, das sich in seinem Schaffen geltend macht, bisweilen nicht ohne
nachteilige Einwirkung geblieben, indem man das Berechnete zu sehr empfindet,
nicht wir im Aufbau mancher Stücke, in der streng symmetrischen Vertheilung
der Scenen und Situationen, sondern oft auch in der Sprache, die bei all ihren
blendenden Eigenschaften nicht selten der Ursprünglichkeit und Frische eines Lope,
Tirso und Alarcon ermangelt und namentlich in den Jugendwerken sich bisweilen
noch in den Bauden des Gongvrismus gefangen zeigt. Gezierte Wendungen, ge¬
suchte Bilder und spitzfindige Antithesen wirken oft erkältend inmitten der gro߬
artigsten Scenen und lassen es bedauern, daß der Dichter, wohl nicht zum ge¬
ringsten Theil durch seine Stellung zum Hofe, sich zu Concessionen, die feiner
unwürdig waren, verleiten ließ. Die Absichtlichkeit und Künstlichkeit in der Aus¬
führung geht häufig so weit, daß lange Partien des Dialogs hindurch Rede
und Gegenrede in strengster Symmetrie vertheilt ist, wofür als ein Beispiel eine
Stelle aus dem dritten Acte des "standhaften Prinzen" angeführt sei:


Hochcrhabncr Herr von Fez --

Tarudante:

Herr von Fez, so groß und mächtig --

Alfonso:

Dessen Name --

Tar.

Deß Gedeihen -

Als.

Niemals sterbe.

Tar.

Ewig lebe.

Als.

Und dn, dieser Sonn' Aurora --

Tar.

Aufgang dieses Oceideutcs --

Als.

Mögst zum Trotz deu Jahren blühen.

Tar.

Mögst zur Trotz deu Zeiten herrschen.

Als.

Um zu haben --

Tar.

Zu genießen --

Als.
Tar.

Herrlichkeiten --

Lorbeerkränze --

Als.

Große Siege --

Tar.

Hohe Glorien --

Als.

Wenig Uebel.

Tar.

Viele Segen.

Als.
Tar.

Wie, indeß ich rede, Christ,

Kannst dn wagen hier zu reden?

Als.

Weil da, wo ich mich befinde,

Niemand anders eher redet.


Lalderon.

welche die spanische Bühnendichtung auf Grund des vor ihm geleisteten zu er¬
streben habe, und sich bei seinem Schaffen von festen Principien leiten ließ,
darüber kann für den, der Calderons Schöpfungen mit denen seiner Vorgänger
vergleicht, kein Zweifel bestehen. Der kunstvoll durchgeführte Plan und die
innere Geschlossenheit seiner Stücke, die Vermeidung alles müssigen Beiwerks,
mit einem Worte die präcise dramatische Form ist es, die erst bei Calderon völlig
ausgebildet und principiell gehandhabt zu Tage tritt. Freilich ist das Walten
der Reflexion, das sich in seinem Schaffen geltend macht, bisweilen nicht ohne
nachteilige Einwirkung geblieben, indem man das Berechnete zu sehr empfindet,
nicht wir im Aufbau mancher Stücke, in der streng symmetrischen Vertheilung
der Scenen und Situationen, sondern oft auch in der Sprache, die bei all ihren
blendenden Eigenschaften nicht selten der Ursprünglichkeit und Frische eines Lope,
Tirso und Alarcon ermangelt und namentlich in den Jugendwerken sich bisweilen
noch in den Bauden des Gongvrismus gefangen zeigt. Gezierte Wendungen, ge¬
suchte Bilder und spitzfindige Antithesen wirken oft erkältend inmitten der gro߬
artigsten Scenen und lassen es bedauern, daß der Dichter, wohl nicht zum ge¬
ringsten Theil durch seine Stellung zum Hofe, sich zu Concessionen, die feiner
unwürdig waren, verleiten ließ. Die Absichtlichkeit und Künstlichkeit in der Aus¬
führung geht häufig so weit, daß lange Partien des Dialogs hindurch Rede
und Gegenrede in strengster Symmetrie vertheilt ist, wofür als ein Beispiel eine
Stelle aus dem dritten Acte des „standhaften Prinzen" angeführt sei:


Hochcrhabncr Herr von Fez —

Tarudante:

Herr von Fez, so groß und mächtig —

Alfonso:

Dessen Name —

Tar.

Deß Gedeihen -

Als.

Niemals sterbe.

Tar.

Ewig lebe.

Als.

Und dn, dieser Sonn' Aurora —

Tar.

Aufgang dieses Oceideutcs —

Als.

Mögst zum Trotz deu Jahren blühen.

Tar.

Mögst zur Trotz deu Zeiten herrschen.

Als.

Um zu haben —

Tar.

Zu genießen —

Als.
Tar.

Herrlichkeiten —

Lorbeerkränze —

Als.

Große Siege —

Tar.

Hohe Glorien —

Als.

Wenig Uebel.

Tar.

Viele Segen.

Als.
Tar.

Wie, indeß ich rede, Christ,

Kannst dn wagen hier zu reden?

Als.

Weil da, wo ich mich befinde,

Niemand anders eher redet.


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[0324] Lalderon. welche die spanische Bühnendichtung auf Grund des vor ihm geleisteten zu er¬ streben habe, und sich bei seinem Schaffen von festen Principien leiten ließ, darüber kann für den, der Calderons Schöpfungen mit denen seiner Vorgänger vergleicht, kein Zweifel bestehen. Der kunstvoll durchgeführte Plan und die innere Geschlossenheit seiner Stücke, die Vermeidung alles müssigen Beiwerks, mit einem Worte die präcise dramatische Form ist es, die erst bei Calderon völlig ausgebildet und principiell gehandhabt zu Tage tritt. Freilich ist das Walten der Reflexion, das sich in seinem Schaffen geltend macht, bisweilen nicht ohne nachteilige Einwirkung geblieben, indem man das Berechnete zu sehr empfindet, nicht wir im Aufbau mancher Stücke, in der streng symmetrischen Vertheilung der Scenen und Situationen, sondern oft auch in der Sprache, die bei all ihren blendenden Eigenschaften nicht selten der Ursprünglichkeit und Frische eines Lope, Tirso und Alarcon ermangelt und namentlich in den Jugendwerken sich bisweilen noch in den Bauden des Gongvrismus gefangen zeigt. Gezierte Wendungen, ge¬ suchte Bilder und spitzfindige Antithesen wirken oft erkältend inmitten der gro߬ artigsten Scenen und lassen es bedauern, daß der Dichter, wohl nicht zum ge¬ ringsten Theil durch seine Stellung zum Hofe, sich zu Concessionen, die feiner unwürdig waren, verleiten ließ. Die Absichtlichkeit und Künstlichkeit in der Aus¬ führung geht häufig so weit, daß lange Partien des Dialogs hindurch Rede und Gegenrede in strengster Symmetrie vertheilt ist, wofür als ein Beispiel eine Stelle aus dem dritten Acte des „standhaften Prinzen" angeführt sei: Hochcrhabncr Herr von Fez — Tarudante: Herr von Fez, so groß und mächtig — Alfonso: Dessen Name — Tar. Deß Gedeihen - Als. Niemals sterbe. Tar. Ewig lebe. Als. Und dn, dieser Sonn' Aurora — Tar. Aufgang dieses Oceideutcs — Als. Mögst zum Trotz deu Jahren blühen. Tar. Mögst zur Trotz deu Zeiten herrschen. Als. Um zu haben — Tar. Zu genießen — Als. Tar. Herrlichkeiten — Lorbeerkränze — Als. Große Siege — Tar. Hohe Glorien — Als. Wenig Uebel. Tar. Viele Segen. Als. Tar. Wie, indeß ich rede, Christ, Kannst dn wagen hier zu reden? Als. Weil da, wo ich mich befinde, Niemand anders eher redet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/324>, abgerufen am 23.07.2024.