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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Laldoron.

Auch die mythologischen Schauspiele Ccilderons siud durchaus von roman¬
tischem Geiste durchdrungen. Da sie zumeist auf äußere Veranlassung entstanden
und bei festlichen Gelegenheiten, wie Vermählungen am Hofe, zur Aufführung
gelangten, wobei es vor allem auf möglichste samische Prachtentfaltung ankam,
so wird es begreiflich, daß innerhalb dieser Gattung sich manches Minderwerthige
und Mittelmäßige befindet. In einzelnen dieser Schöpfungen aber zeigt sich
die Caldervnsche Poesie in ihrer ganzen Liebenswürdigkeit und bestrickenden An¬
muth, so vor allem in dem köstlichen Festspiel: ^.nor "6 libra as amor
(Auch Amor erliegt der Liebe), einer Behandlung des Märchens von Amor und
Psyche, und in den beiden aus Ovids Metamorphosen geschöpften Stücken:
Oslos Mu M g,irs in^tM (Eifersucht selbst auf die Luft tödtet), einer Combi¬
nation des Mythus von Cephalus und Procris mit dem bekannten Verbrechen
des Hervstrat, der hier den cphesinischen Tempel aus Rache dafür einäschert,
daß Diana ihm die Geliebte Aura in Luft verflüchtigt hat, und ZZoo Mroiso^)
worin, um mit Platen zu reden, "Blume jedes Bildniß, jedes Wort Musik."
M irmM öiKzxmw ^.nor (Ueber allen Zauber Liebe) *^), eine Bearbeitung der
Cireesage, in der mehrere Züge aus Ariosts und Tassos Epen verwerthet sind,
führt uns über zu andern Stücken romantischer Art, die sich an ältere Dich¬
tungen anlehnen, wie "Der Garten der Falerina", aus Bvjardos OrlWÄo iima-
morste, "Loos und Spruch von Leonido und Marsisa" (Hs,av ^ äiviW als
I^omäo ^ An'üsg,), das letzte Werk des Dichters, aus Bojardo und Ariost ge¬
schöpft, und anderes. Eine beträchtliche Anzahl romantischer Schauspiele beruht
dagegen auf freier Erfindung; hierher gehören, um nur das bedeutendste anzu¬
führen, das fein angelegte Jntriguenstück "Das laute Geheimniß" lM ssersto
ä vovos)^) und "Die Schärpe und die Blume" (Ilg. Ks-Mg, 1a llor)f),
beide auf italienischem Boden spielend, ferner "Schweigen genügt" (L-Mg. eM^r),
"Weiße Hände kränken nicht" (I^s-s iNÄnos dlWLA" no oksnäsn) und die düstre
Tragödie "Der Maler seiner Schmach" <M xiutor as su ässnour^ff), ein
Seitenstück zu dem oben angeführten "Arzt seiner Ehre." Liebe und Ehre sind
in diesen Stücken die beiden Grundprincipien, zwischen denen allerhand Kollisionen
herbeigeführt werden. Man muß sich, um sie richtig zu beurtheilen, die spa¬
nischen Sitten jener Zeit gegenwärtig halten, in denen länger als irgendwo die
Traditionen des Ritterthums lebendig blieben, die feinste Galanterie gegen die
Frauen, die sogar dem Fremden zur Pflicht macht, eine Dame zu vertheidigen,
wenn sie seiue Hilfe in Anspruch nimmt, ferner unverbrüchliche Treue gegen den





*") Uebersetzt von Schlegel im 1. Bde. --
") Uebersicht von Malsburg um 3. Bde. --
Uebersetzt von Gries im 2. Bde. -- f) Uebersetzt von Schlegel im 1. Bde. -- ff) Erd¬
ballen im Supplcmentbcmd zu Gries' Uebersetzung, Berlin 13S0.
Laldoron.

Auch die mythologischen Schauspiele Ccilderons siud durchaus von roman¬
tischem Geiste durchdrungen. Da sie zumeist auf äußere Veranlassung entstanden
und bei festlichen Gelegenheiten, wie Vermählungen am Hofe, zur Aufführung
gelangten, wobei es vor allem auf möglichste samische Prachtentfaltung ankam,
so wird es begreiflich, daß innerhalb dieser Gattung sich manches Minderwerthige
und Mittelmäßige befindet. In einzelnen dieser Schöpfungen aber zeigt sich
die Caldervnsche Poesie in ihrer ganzen Liebenswürdigkeit und bestrickenden An¬
muth, so vor allem in dem köstlichen Festspiel: ^.nor «6 libra as amor
(Auch Amor erliegt der Liebe), einer Behandlung des Märchens von Amor und
Psyche, und in den beiden aus Ovids Metamorphosen geschöpften Stücken:
Oslos Mu M g,irs in^tM (Eifersucht selbst auf die Luft tödtet), einer Combi¬
nation des Mythus von Cephalus und Procris mit dem bekannten Verbrechen
des Hervstrat, der hier den cphesinischen Tempel aus Rache dafür einäschert,
daß Diana ihm die Geliebte Aura in Luft verflüchtigt hat, und ZZoo Mroiso^)
worin, um mit Platen zu reden, „Blume jedes Bildniß, jedes Wort Musik."
M irmM öiKzxmw ^.nor (Ueber allen Zauber Liebe) *^), eine Bearbeitung der
Cireesage, in der mehrere Züge aus Ariosts und Tassos Epen verwerthet sind,
führt uns über zu andern Stücken romantischer Art, die sich an ältere Dich¬
tungen anlehnen, wie „Der Garten der Falerina", aus Bvjardos OrlWÄo iima-
morste, „Loos und Spruch von Leonido und Marsisa" (Hs,av ^ äiviW als
I^omäo ^ An'üsg,), das letzte Werk des Dichters, aus Bojardo und Ariost ge¬
schöpft, und anderes. Eine beträchtliche Anzahl romantischer Schauspiele beruht
dagegen auf freier Erfindung; hierher gehören, um nur das bedeutendste anzu¬
führen, das fein angelegte Jntriguenstück „Das laute Geheimniß" lM ssersto
ä vovos)^) und „Die Schärpe und die Blume" (Ilg. Ks-Mg, 1a llor)f),
beide auf italienischem Boden spielend, ferner „Schweigen genügt" (L-Mg. eM^r),
„Weiße Hände kränken nicht" (I^s-s iNÄnos dlWLA« no oksnäsn) und die düstre
Tragödie „Der Maler seiner Schmach" <M xiutor as su ässnour^ff), ein
Seitenstück zu dem oben angeführten „Arzt seiner Ehre." Liebe und Ehre sind
in diesen Stücken die beiden Grundprincipien, zwischen denen allerhand Kollisionen
herbeigeführt werden. Man muß sich, um sie richtig zu beurtheilen, die spa¬
nischen Sitten jener Zeit gegenwärtig halten, in denen länger als irgendwo die
Traditionen des Ritterthums lebendig blieben, die feinste Galanterie gegen die
Frauen, die sogar dem Fremden zur Pflicht macht, eine Dame zu vertheidigen,
wenn sie seiue Hilfe in Anspruch nimmt, ferner unverbrüchliche Treue gegen den





*») Uebersetzt von Schlegel im 1. Bde. —
») Uebersicht von Malsburg um 3. Bde. —
Uebersetzt von Gries im 2. Bde. — f) Uebersetzt von Schlegel im 1. Bde. — ff) Erd¬
ballen im Supplcmentbcmd zu Gries' Uebersetzung, Berlin 13S0.
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[0319] Laldoron. Auch die mythologischen Schauspiele Ccilderons siud durchaus von roman¬ tischem Geiste durchdrungen. Da sie zumeist auf äußere Veranlassung entstanden und bei festlichen Gelegenheiten, wie Vermählungen am Hofe, zur Aufführung gelangten, wobei es vor allem auf möglichste samische Prachtentfaltung ankam, so wird es begreiflich, daß innerhalb dieser Gattung sich manches Minderwerthige und Mittelmäßige befindet. In einzelnen dieser Schöpfungen aber zeigt sich die Caldervnsche Poesie in ihrer ganzen Liebenswürdigkeit und bestrickenden An¬ muth, so vor allem in dem köstlichen Festspiel: ^.nor «6 libra as amor (Auch Amor erliegt der Liebe), einer Behandlung des Märchens von Amor und Psyche, und in den beiden aus Ovids Metamorphosen geschöpften Stücken: Oslos Mu M g,irs in^tM (Eifersucht selbst auf die Luft tödtet), einer Combi¬ nation des Mythus von Cephalus und Procris mit dem bekannten Verbrechen des Hervstrat, der hier den cphesinischen Tempel aus Rache dafür einäschert, daß Diana ihm die Geliebte Aura in Luft verflüchtigt hat, und ZZoo Mroiso^) worin, um mit Platen zu reden, „Blume jedes Bildniß, jedes Wort Musik." M irmM öiKzxmw ^.nor (Ueber allen Zauber Liebe) *^), eine Bearbeitung der Cireesage, in der mehrere Züge aus Ariosts und Tassos Epen verwerthet sind, führt uns über zu andern Stücken romantischer Art, die sich an ältere Dich¬ tungen anlehnen, wie „Der Garten der Falerina", aus Bvjardos OrlWÄo iima- morste, „Loos und Spruch von Leonido und Marsisa" (Hs,av ^ äiviW als I^omäo ^ An'üsg,), das letzte Werk des Dichters, aus Bojardo und Ariost ge¬ schöpft, und anderes. Eine beträchtliche Anzahl romantischer Schauspiele beruht dagegen auf freier Erfindung; hierher gehören, um nur das bedeutendste anzu¬ führen, das fein angelegte Jntriguenstück „Das laute Geheimniß" lM ssersto ä vovos)^) und „Die Schärpe und die Blume" (Ilg. Ks-Mg, 1a llor)f), beide auf italienischem Boden spielend, ferner „Schweigen genügt" (L-Mg. eM^r), „Weiße Hände kränken nicht" (I^s-s iNÄnos dlWLA« no oksnäsn) und die düstre Tragödie „Der Maler seiner Schmach" <M xiutor as su ässnour^ff), ein Seitenstück zu dem oben angeführten „Arzt seiner Ehre." Liebe und Ehre sind in diesen Stücken die beiden Grundprincipien, zwischen denen allerhand Kollisionen herbeigeführt werden. Man muß sich, um sie richtig zu beurtheilen, die spa¬ nischen Sitten jener Zeit gegenwärtig halten, in denen länger als irgendwo die Traditionen des Ritterthums lebendig blieben, die feinste Galanterie gegen die Frauen, die sogar dem Fremden zur Pflicht macht, eine Dame zu vertheidigen, wenn sie seiue Hilfe in Anspruch nimmt, ferner unverbrüchliche Treue gegen den *») Uebersetzt von Schlegel im 1. Bde. — ») Uebersicht von Malsburg um 3. Bde. — Uebersetzt von Gries im 2. Bde. — f) Uebersetzt von Schlegel im 1. Bde. — ff) Erd¬ ballen im Supplcmentbcmd zu Gries' Uebersetzung, Berlin 13S0.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/319>, abgerufen am 23.07.2024.