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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Die Düsseldorfer Schule,

Dauer nicht mit den katholischen, in der Malerei einem schwärmerischen Mysticismus
huldigenden Rheinländern Hand in Hand gehen, Noch bevor er das erste der
Hussitenbilder concipirte, war er der Reformator der Düsseldorfer Schule ge¬
worden, welcher dem transscendentalen Idealismus seinen Realismus, d, h. eine
unbefangene, frische Naturauffassung gegenüberstellte.

Aber diese Einwirkung wäre vielleicht nicht so nachhaltig gewesen, wenn
nicht noch äußere Unistände zu ihrer Unterstützung hinzugetreten wären, Fried¬
rich von Uechtritz soll es gewesen sein, der den befreundeten Lessing während
eines Unwohlseins im Winter 1832 ans 1833 die Darstellung des Hussitenauf-
stcmdes aus Menzels Geschichte der Deutschen vorlas. Diese Schilderung ergriff
ihn so mächtig, daß er sich schon am andern Morgen Kompositionen im Kopf
zurechtlegte und dann eingehende historische Studien machte. Die Neigung für
die Hussiten hatte übrigens schon früher in Lessings Herzen Wurzeln gefaßt.
Nach einer Tradition war seine Familie böhmischen Ursprungs und, mit den
Hussiten, denen sie angehörte, Vertrieben, nach Schlesien eingewandert. Einer
seiner Ahnen hatte 1630 die Augsburger Confession unterzeichnet.

Lessing folgte also nur dem Drange seines Herzens, als er im Lause der
Jahre 1833 und 1834 den Carton der " Hussitenpredigt" schuf, die gleichsam
das Vorspiel zu den großen Dramen der Weltgeschichte bildete, welche er in
einer langen Reihe von Compositionen sich abspielen ließ. Indem Lessing so
einem Herzensbedürfniß nachgab, legte er damit zugleich ein Zeugniß nicht ge¬
ringen persönlichen Muthes ab. In einer überwiegend katholischen Stadt, in¬
mitten einer Bevölkerung, die durch den seit 182S neu entbrannten Streit
zwischen Staat und Kirche aufgeregt war, an einer Akademie, an deren Spitze
ein strenger, glaubenseifriger.Katholik stand, und die Lessing in ihren Räumen
ein Atelier eingeräumt hatte, entstand und erschien ein Bild, welches die von der
allein seligmachenden Kirche verfluchten, verfolgten und Verbannten Ketzer ver¬
herrlichte und mit einer glühenden Beredsamkeit verherrlichte, deren Ueberzeugungs-
kraft selbst die Gegner anerkennen mußten. Im Auftrage des nachmaligen Königs
Friedrich Wilhelms IV. führte Lessing den Carton in Oel ans. 1836 war das
Bild fertig und ging dann auf die Wanderschaft, zuerst nach Frankfurt a. M.
und darauf zur Kunstausstellung nach Berlin, überall Zeugniß ablegend von der
Kühnheit und der geistigen Unabhängigkeit seines Schöpfers und zugleich von
dem neuen Geiste, welcher in die Düsseldorfer Schule eingezogen, überall auch
lebhafte Begeisterung und heftigen Widerspruch hervorrufend.

Lessing hat sicherlich uicht die Absicht gehabt, die Kunst zur politischen Par¬
teigängern! zu machen oder gar durch "Tcndenzmalereien" den Streit des Tages
z" schüren. Aber halte einer die Lawine ans, wenn sie im Rollen ist! Ans


Die Düsseldorfer Schule,

Dauer nicht mit den katholischen, in der Malerei einem schwärmerischen Mysticismus
huldigenden Rheinländern Hand in Hand gehen, Noch bevor er das erste der
Hussitenbilder concipirte, war er der Reformator der Düsseldorfer Schule ge¬
worden, welcher dem transscendentalen Idealismus seinen Realismus, d, h. eine
unbefangene, frische Naturauffassung gegenüberstellte.

Aber diese Einwirkung wäre vielleicht nicht so nachhaltig gewesen, wenn
nicht noch äußere Unistände zu ihrer Unterstützung hinzugetreten wären, Fried¬
rich von Uechtritz soll es gewesen sein, der den befreundeten Lessing während
eines Unwohlseins im Winter 1832 ans 1833 die Darstellung des Hussitenauf-
stcmdes aus Menzels Geschichte der Deutschen vorlas. Diese Schilderung ergriff
ihn so mächtig, daß er sich schon am andern Morgen Kompositionen im Kopf
zurechtlegte und dann eingehende historische Studien machte. Die Neigung für
die Hussiten hatte übrigens schon früher in Lessings Herzen Wurzeln gefaßt.
Nach einer Tradition war seine Familie böhmischen Ursprungs und, mit den
Hussiten, denen sie angehörte, Vertrieben, nach Schlesien eingewandert. Einer
seiner Ahnen hatte 1630 die Augsburger Confession unterzeichnet.

Lessing folgte also nur dem Drange seines Herzens, als er im Lause der
Jahre 1833 und 1834 den Carton der „ Hussitenpredigt" schuf, die gleichsam
das Vorspiel zu den großen Dramen der Weltgeschichte bildete, welche er in
einer langen Reihe von Compositionen sich abspielen ließ. Indem Lessing so
einem Herzensbedürfniß nachgab, legte er damit zugleich ein Zeugniß nicht ge¬
ringen persönlichen Muthes ab. In einer überwiegend katholischen Stadt, in¬
mitten einer Bevölkerung, die durch den seit 182S neu entbrannten Streit
zwischen Staat und Kirche aufgeregt war, an einer Akademie, an deren Spitze
ein strenger, glaubenseifriger.Katholik stand, und die Lessing in ihren Räumen
ein Atelier eingeräumt hatte, entstand und erschien ein Bild, welches die von der
allein seligmachenden Kirche verfluchten, verfolgten und Verbannten Ketzer ver¬
herrlichte und mit einer glühenden Beredsamkeit verherrlichte, deren Ueberzeugungs-
kraft selbst die Gegner anerkennen mußten. Im Auftrage des nachmaligen Königs
Friedrich Wilhelms IV. führte Lessing den Carton in Oel ans. 1836 war das
Bild fertig und ging dann auf die Wanderschaft, zuerst nach Frankfurt a. M.
und darauf zur Kunstausstellung nach Berlin, überall Zeugniß ablegend von der
Kühnheit und der geistigen Unabhängigkeit seines Schöpfers und zugleich von
dem neuen Geiste, welcher in die Düsseldorfer Schule eingezogen, überall auch
lebhafte Begeisterung und heftigen Widerspruch hervorrufend.

Lessing hat sicherlich uicht die Absicht gehabt, die Kunst zur politischen Par¬
teigängern! zu machen oder gar durch „Tcndenzmalereien" den Streit des Tages
z» schüren. Aber halte einer die Lawine ans, wenn sie im Rollen ist! Ans


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/30>, abgerufen am 23.07.2024.