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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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iLalderon,

"Eifersucht das größte Scheusal" <M in^or monstruo los oslos)*) ist für
deutsche Leser von speciellen Interesse, weil es ebenfalls eines jener Stücke ist,
welche die Vertreter der Schicksalstragödie sich besonders zum Muster nahmen.
Die Fabel, die, wenn auch vielleicht nur mittelbar, aus Josephus geschöpft ist
und bei deren Gestaltung Calderon zum Theil das "Leben des Herodes" von
Tirso de Molina benutzte, ist folgende. Marianne, die Gattin des Herodes,
des Tetrarchen von Jerusalem, ist in tiefer Trauer über die von einem Astro¬
logen ihr gewordne Weissagung, daß sie durch das größte Scheusal auf Erden
ihren Untergang finden und ihr Gemahl mit dem Dolche fein Liebstes tödten werde.
Herodes wirft, um sie zu beruhigen, die Waffe ins Meer; dieselbe trifft seinen
eben in den Hafen einlaufenden Admiral Ptolemäus, der ihm die niederschmetternde
Nachricht bringt, daß die Flotte, die er dem Antonius zur Unterstützung ge¬
sandt, durch Oetavinnus völlig vernichtet und damit seine Hoffnung zerstört
worden ist, mit Marianne in Rom die Weltherrschaft anzutreten. In Memphis
werden Aristobulus, Marinmnens Bruder und Mitbefehlshaber der aufgeriebnen
Flotte, und sein Diener Polydor, mit dem er, um Gelegenheit zur Flucht zu finden,
seine Rolle getauscht hat, als Gefangne vor Octavian geführt. Die Entdeckung
von Schriftstücken, aus denen Herodes' Pläne sich klar ergeben, bestimmt Octavian,
Polydor, den vermeinten Ariftobul, in den Thurm zu werfen; gleichzeitig mit
Schriftstücken kommt ihm ein Bild Mariannens in die Hand, welches der Pseudo-
Polhdor für das Porträt einer Verstorbnen ausgiebt, das indeß in Octavian eine
glühende Neigung erweckt. In Joppe erhält Herodes durch Philippus die Kunde
von der Genesung des Ptolemäus; den Dolch, der ihm wieder eingehändigt wird,
bietet er der Gattin zur Verwahrung an, um ihre Furcht zu zerstreuen, behält
ihn jedoch auf ihre Bitte und Versicherung, daß sie sich so am ruhigsten fühle.
Die Nachricht, daß Octavian gegen Palästina heranrückt, ruft den Tetrarchen
zu den Waffen.

Der zweite Act führt wieder nach Memphis, wo Herodes als Gefangner
vor Octavian steht. Voll Eifersucht erblickt er in dessen Hand das Bild Mariannens;
als derselbe durch die Thür abgeht, zuckt er nach ihm den Dolch. Da sällt von
der Wand eine größre Copie des Bildes, die Octavian hat anfertigen lassen,
herab, der Dolchstoß trifft diese und verfehlt sein Ziel. Octavian nimmt den
Dolch an sich und läßt den Herodes nun ebenfalls in den Thurm gefangen setzen,
wohin ihn der treue Philippus begleitet. Diesen sendet der Tetrarch, von dem
Gedanken gequält, die angebetete Gattin werde dem Sieger zur Beute fallen,
nach Jerusalem mit dem Befehle sie zu tödten, sobald er selbst nicht mehr unter



*) Ehb. im Bdi-.
iLalderon,

„Eifersucht das größte Scheusal" <M in^or monstruo los oslos)*) ist für
deutsche Leser von speciellen Interesse, weil es ebenfalls eines jener Stücke ist,
welche die Vertreter der Schicksalstragödie sich besonders zum Muster nahmen.
Die Fabel, die, wenn auch vielleicht nur mittelbar, aus Josephus geschöpft ist
und bei deren Gestaltung Calderon zum Theil das „Leben des Herodes" von
Tirso de Molina benutzte, ist folgende. Marianne, die Gattin des Herodes,
des Tetrarchen von Jerusalem, ist in tiefer Trauer über die von einem Astro¬
logen ihr gewordne Weissagung, daß sie durch das größte Scheusal auf Erden
ihren Untergang finden und ihr Gemahl mit dem Dolche fein Liebstes tödten werde.
Herodes wirft, um sie zu beruhigen, die Waffe ins Meer; dieselbe trifft seinen
eben in den Hafen einlaufenden Admiral Ptolemäus, der ihm die niederschmetternde
Nachricht bringt, daß die Flotte, die er dem Antonius zur Unterstützung ge¬
sandt, durch Oetavinnus völlig vernichtet und damit seine Hoffnung zerstört
worden ist, mit Marianne in Rom die Weltherrschaft anzutreten. In Memphis
werden Aristobulus, Marinmnens Bruder und Mitbefehlshaber der aufgeriebnen
Flotte, und sein Diener Polydor, mit dem er, um Gelegenheit zur Flucht zu finden,
seine Rolle getauscht hat, als Gefangne vor Octavian geführt. Die Entdeckung
von Schriftstücken, aus denen Herodes' Pläne sich klar ergeben, bestimmt Octavian,
Polydor, den vermeinten Ariftobul, in den Thurm zu werfen; gleichzeitig mit
Schriftstücken kommt ihm ein Bild Mariannens in die Hand, welches der Pseudo-
Polhdor für das Porträt einer Verstorbnen ausgiebt, das indeß in Octavian eine
glühende Neigung erweckt. In Joppe erhält Herodes durch Philippus die Kunde
von der Genesung des Ptolemäus; den Dolch, der ihm wieder eingehändigt wird,
bietet er der Gattin zur Verwahrung an, um ihre Furcht zu zerstreuen, behält
ihn jedoch auf ihre Bitte und Versicherung, daß sie sich so am ruhigsten fühle.
Die Nachricht, daß Octavian gegen Palästina heranrückt, ruft den Tetrarchen
zu den Waffen.

Der zweite Act führt wieder nach Memphis, wo Herodes als Gefangner
vor Octavian steht. Voll Eifersucht erblickt er in dessen Hand das Bild Mariannens;
als derselbe durch die Thür abgeht, zuckt er nach ihm den Dolch. Da sällt von
der Wand eine größre Copie des Bildes, die Octavian hat anfertigen lassen,
herab, der Dolchstoß trifft diese und verfehlt sein Ziel. Octavian nimmt den
Dolch an sich und läßt den Herodes nun ebenfalls in den Thurm gefangen setzen,
wohin ihn der treue Philippus begleitet. Diesen sendet der Tetrarch, von dem
Gedanken gequält, die angebetete Gattin werde dem Sieger zur Beute fallen,
nach Jerusalem mit dem Befehle sie zu tödten, sobald er selbst nicht mehr unter



*) Ehb. im Bdi-.
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[0283] iLalderon, „Eifersucht das größte Scheusal" <M in^or monstruo los oslos)*) ist für deutsche Leser von speciellen Interesse, weil es ebenfalls eines jener Stücke ist, welche die Vertreter der Schicksalstragödie sich besonders zum Muster nahmen. Die Fabel, die, wenn auch vielleicht nur mittelbar, aus Josephus geschöpft ist und bei deren Gestaltung Calderon zum Theil das „Leben des Herodes" von Tirso de Molina benutzte, ist folgende. Marianne, die Gattin des Herodes, des Tetrarchen von Jerusalem, ist in tiefer Trauer über die von einem Astro¬ logen ihr gewordne Weissagung, daß sie durch das größte Scheusal auf Erden ihren Untergang finden und ihr Gemahl mit dem Dolche fein Liebstes tödten werde. Herodes wirft, um sie zu beruhigen, die Waffe ins Meer; dieselbe trifft seinen eben in den Hafen einlaufenden Admiral Ptolemäus, der ihm die niederschmetternde Nachricht bringt, daß die Flotte, die er dem Antonius zur Unterstützung ge¬ sandt, durch Oetavinnus völlig vernichtet und damit seine Hoffnung zerstört worden ist, mit Marianne in Rom die Weltherrschaft anzutreten. In Memphis werden Aristobulus, Marinmnens Bruder und Mitbefehlshaber der aufgeriebnen Flotte, und sein Diener Polydor, mit dem er, um Gelegenheit zur Flucht zu finden, seine Rolle getauscht hat, als Gefangne vor Octavian geführt. Die Entdeckung von Schriftstücken, aus denen Herodes' Pläne sich klar ergeben, bestimmt Octavian, Polydor, den vermeinten Ariftobul, in den Thurm zu werfen; gleichzeitig mit Schriftstücken kommt ihm ein Bild Mariannens in die Hand, welches der Pseudo- Polhdor für das Porträt einer Verstorbnen ausgiebt, das indeß in Octavian eine glühende Neigung erweckt. In Joppe erhält Herodes durch Philippus die Kunde von der Genesung des Ptolemäus; den Dolch, der ihm wieder eingehändigt wird, bietet er der Gattin zur Verwahrung an, um ihre Furcht zu zerstreuen, behält ihn jedoch auf ihre Bitte und Versicherung, daß sie sich so am ruhigsten fühle. Die Nachricht, daß Octavian gegen Palästina heranrückt, ruft den Tetrarchen zu den Waffen. Der zweite Act führt wieder nach Memphis, wo Herodes als Gefangner vor Octavian steht. Voll Eifersucht erblickt er in dessen Hand das Bild Mariannens; als derselbe durch die Thür abgeht, zuckt er nach ihm den Dolch. Da sällt von der Wand eine größre Copie des Bildes, die Octavian hat anfertigen lassen, herab, der Dolchstoß trifft diese und verfehlt sein Ziel. Octavian nimmt den Dolch an sich und läßt den Herodes nun ebenfalls in den Thurm gefangen setzen, wohin ihn der treue Philippus begleitet. Diesen sendet der Tetrarch, von dem Gedanken gequält, die angebetete Gattin werde dem Sieger zur Beute fallen, nach Jerusalem mit dem Befehle sie zu tödten, sobald er selbst nicht mehr unter *) Ehb. im Bdi-.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/283>, abgerufen am 23.07.2024.