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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Vorigen waren; er wirft ihr vor, sie benutze die Aussicht auf eine Vermählung,
um mit ihm zu brechen, sie ihm, daß er eine andre liebe. Das plötzliche Er¬
scheinen des Don Felix führt zum Kampfe zwischen den Rivalen, die Frauen
löschen die Lichter aus, und Gomez bewegt durch Drohungen und Schmeichel¬
worte Dorotea, mit ihm zu fliehen. Im zweiten Act befinden sich die Flüchtigen
in einem wilden Thale auf der Rast; Gomez Arms verläßt schnöde die Ent¬
schlummerte, die von Cancri, dem Führer der empörten Mauren, gefunden wird.
Diego, der mit bewaffneter Macht erscheint, rettet sie, die den Gomez im
Kampfe gefallen glaubt, aus Ccweris Händen und bringt sie zu seiner Tochter
Beatriz nach Granada. Dort ergeben sich allerhand Verwicklungen durch erneutes
Zusammentreffen der beiden Nebenbuhler, die damit enden, daß Gomez mit
Dorotea, die er im Dunkel für Beatriz hält, zum zweiten Male entflieht. Im
dritten Act entdeckt er in demselben Thale wie zu Anfang des vorigen Auszugs
seinen Irrthum und macht seiner Wuth darüber auf die roheste Weise Luft; er
verkauft zuletzt das betrvgne Mädchen als Sclavin an Cancri, den heftige Leiden¬
schaft zu ihr erfaßt hat. Wunderbar ergreifend in ihrer volksthümlichen Färbung
sind die Verse, in denen Dorotea den Erbarmungslosen um Mitleid rüstest.
Dieser ist schamlos genng, in Granada vor Beatriz zu erscheinen und ihr vor¬
zuspiegeln, daß er aus Liebe zu ihr die Rivalin verkauft habe. Beatriz wendet
sich schaudernd von ihm ab. Die Königin Jsabella, die an der Spitze einer
Streitmacht vor der maurischen Festung Benamegi erschien, erfährt durch Don
Luis von der Schmach seiner Tochter, befreit dieselbe und verurtheilt ihren Ver¬
führer, den Bauern gefangen herbeibringen, zum Tode, nachdem sie ihn gezwungen,
seinem Opfer zur Wiederherstellung ihrer Ehre die Hand zu reichen.

In dem trefflich componirter Stücke "Der letzte Zweikampf in Spanien"
M postrsr Äuslo als Mxg.Sg.) und in der wunderbaren, wenn auch grauen¬
haften Tragödie "Der Arzt seiner Ehre" <M möäioo ÄK so. noura)*) bildet der
streng gefaßte Begriff der Ehre die treibende Kraft. Nur wenn man die Be¬
deutung dieses Begriffs im damaligen Spanien kennt, ist es möglich, diesem
Stücke gerecht zu werden, das mit seinem entsetzlichen Ausgange für unser Gefühl
sonst verletzend wirkt. Wohl bei keinem andern Stücke Calderons ist es so un-
thunlich, das Materielle der Fabel zu referiren,, da diese ohne eine genaue Ana¬
lyse der psychologischen Entwicklung nur halb verständlich sein würde. Es sei
nur besonders auf die geniale Scene des zweiten Actes hingewiesen, in welcher
der von Eifersucht erfüllte Don Gutierre Nachts, in seinen Nebenbuhler ver¬
stellt, aus dem Munde seines unschuldigen Weibes Beweise ihrer Schuld zu ver-



*) Uebersicht von Gries im L., von Malsburg im 5. Bde.

Vorigen waren; er wirft ihr vor, sie benutze die Aussicht auf eine Vermählung,
um mit ihm zu brechen, sie ihm, daß er eine andre liebe. Das plötzliche Er¬
scheinen des Don Felix führt zum Kampfe zwischen den Rivalen, die Frauen
löschen die Lichter aus, und Gomez bewegt durch Drohungen und Schmeichel¬
worte Dorotea, mit ihm zu fliehen. Im zweiten Act befinden sich die Flüchtigen
in einem wilden Thale auf der Rast; Gomez Arms verläßt schnöde die Ent¬
schlummerte, die von Cancri, dem Führer der empörten Mauren, gefunden wird.
Diego, der mit bewaffneter Macht erscheint, rettet sie, die den Gomez im
Kampfe gefallen glaubt, aus Ccweris Händen und bringt sie zu seiner Tochter
Beatriz nach Granada. Dort ergeben sich allerhand Verwicklungen durch erneutes
Zusammentreffen der beiden Nebenbuhler, die damit enden, daß Gomez mit
Dorotea, die er im Dunkel für Beatriz hält, zum zweiten Male entflieht. Im
dritten Act entdeckt er in demselben Thale wie zu Anfang des vorigen Auszugs
seinen Irrthum und macht seiner Wuth darüber auf die roheste Weise Luft; er
verkauft zuletzt das betrvgne Mädchen als Sclavin an Cancri, den heftige Leiden¬
schaft zu ihr erfaßt hat. Wunderbar ergreifend in ihrer volksthümlichen Färbung
sind die Verse, in denen Dorotea den Erbarmungslosen um Mitleid rüstest.
Dieser ist schamlos genng, in Granada vor Beatriz zu erscheinen und ihr vor¬
zuspiegeln, daß er aus Liebe zu ihr die Rivalin verkauft habe. Beatriz wendet
sich schaudernd von ihm ab. Die Königin Jsabella, die an der Spitze einer
Streitmacht vor der maurischen Festung Benamegi erschien, erfährt durch Don
Luis von der Schmach seiner Tochter, befreit dieselbe und verurtheilt ihren Ver¬
führer, den Bauern gefangen herbeibringen, zum Tode, nachdem sie ihn gezwungen,
seinem Opfer zur Wiederherstellung ihrer Ehre die Hand zu reichen.

In dem trefflich componirter Stücke „Der letzte Zweikampf in Spanien"
M postrsr Äuslo als Mxg.Sg.) und in der wunderbaren, wenn auch grauen¬
haften Tragödie „Der Arzt seiner Ehre" <M möäioo ÄK so. noura)*) bildet der
streng gefaßte Begriff der Ehre die treibende Kraft. Nur wenn man die Be¬
deutung dieses Begriffs im damaligen Spanien kennt, ist es möglich, diesem
Stücke gerecht zu werden, das mit seinem entsetzlichen Ausgange für unser Gefühl
sonst verletzend wirkt. Wohl bei keinem andern Stücke Calderons ist es so un-
thunlich, das Materielle der Fabel zu referiren,, da diese ohne eine genaue Ana¬
lyse der psychologischen Entwicklung nur halb verständlich sein würde. Es sei
nur besonders auf die geniale Scene des zweiten Actes hingewiesen, in welcher
der von Eifersucht erfüllte Don Gutierre Nachts, in seinen Nebenbuhler ver¬
stellt, aus dem Munde seines unschuldigen Weibes Beweise ihrer Schuld zu ver-



*) Uebersicht von Gries im L., von Malsburg im 5. Bde.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/280>, abgerufen am 23.07.2024.