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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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T>ör Streit um Tunis.

tunesischen auf, mit den Gegnern zusammenzukommen und die gegenseitigen Ent¬
schädigungen zu vereinbare". Bei dieser Verhandlung fand sich -- man weiß
nicht, ob auf Befehl oder aus eignem Antriebe -- auch der französische Distriets-
commandant Major Vivensang ein und unterbrach die Besprechung mit der Er¬
klärung, die Alet Sebra müßten für die beiden Zelte 7000 Piaster Entschädigung
zahlen, widrigenfalls er von seinen Truppen gegen sie Gebrauch machen würde.
Die Alet Sebra entfernten sich, ohne darauf zu antworten. Am folgenden Tage,
dem 30. März, überschritt eine Schaar der Naheds, begleitet von französischen
Soldaten, die tunesische Grenze und überfiel ein Dorf der Chmir, wobei einer
der letztern erschossen wurde. Der Ueberfall wurde von den Chmir am 31. er¬
wiedert, indem 500 derselben die bei El Amm wohnenden nahet angriffen. Auf
die Nachricht hiervon eilten zwei Compagnien Franzosen von Rum Es Suk zur
Hilfe herbei, und es entspann sich ein hartnäckiges Gefecht, welches elf Stunden
währte und den Franzosen 4 Todte und 6 Verwundete, den Gegnern derselben
aber 15 Todte kostete. Die französische Regierung zog darauf ein verhältni߬
mäßig großes Heer zusammen und entsandte zugleich Kriegsschiffe nach der tune¬
sischen Insel Tabarka. Angeblicher Zweck war, den Grenzverletzungen und sonstigem
Unfug der Chmir für immer ein Ende zu bereiten. Der Bey wurde aufgefordert,
durch seine Truppen dabei mitzuwirken. Er lehnte dies aber ab und protestirte
darauf gegen den nunmehr angekündigten Einmarsch der Franzosen in sein Land.
Der Protest blieb unbeachtet, der Einmarsch fand von drei Seiten her statt,
lind die französischen Generale drangen, ohne viel Widerstand zu finden, rasch
weiter vor. Zu gleicher Zeit wurde Tabarka, von wo man auf ein französisches
Kriegsschiff geschossen, besetzt. Von ganz besondrer Wichtigkeit ist endlich die darauf
erfolgte Besetzung von Bizerta. Diese Stadt, im Südwesten der nach ihr be¬
nannten Bucht gelegen, ist nur 60 Kilometer von Tunis entfernt und 100 Kilo¬
meter vom Lande der Chmir, denen der Feldzug doch eigentlich gelten sollte.
Es hat ungefähr 5000 Einwohner und ist als Sitz eines lebhaften Handels die
Residenz von Consuln für Frankreich, England, Italien, Spanien, Holland und
die Vereinigten Staaten. Es hat ferner einige Forts und sonstige Befestigungen,
die indeß nicht viel zu bedeuten haben. Die Erklärung dafür, daß man sich
plötzlich auf einen so wichtigen Punkt in der Mitte des tunesischen Litorals ge¬
worfen, lautet dahin, daß die Occupation von Bizerta die strategische Vervoll¬
ständigung und der Abschluß der Aufstellung gegen die Chmir sei. Während
die Kolonne des Generals Logervt nach der Einnahme Kefs in der Richtung
von Beja vorrückt und sich im Thale Wed Mellegue vorwärts bewegt, und
während die Colonne Vineendon und Bran ihrerseits die Einschließung des Landes
der Chmir vorbereiten, soll die bei Bizerta gekantete Brigade die letztre vollenden.


T>ör Streit um Tunis.

tunesischen auf, mit den Gegnern zusammenzukommen und die gegenseitigen Ent¬
schädigungen zu vereinbare». Bei dieser Verhandlung fand sich — man weiß
nicht, ob auf Befehl oder aus eignem Antriebe — auch der französische Distriets-
commandant Major Vivensang ein und unterbrach die Besprechung mit der Er¬
klärung, die Alet Sebra müßten für die beiden Zelte 7000 Piaster Entschädigung
zahlen, widrigenfalls er von seinen Truppen gegen sie Gebrauch machen würde.
Die Alet Sebra entfernten sich, ohne darauf zu antworten. Am folgenden Tage,
dem 30. März, überschritt eine Schaar der Naheds, begleitet von französischen
Soldaten, die tunesische Grenze und überfiel ein Dorf der Chmir, wobei einer
der letztern erschossen wurde. Der Ueberfall wurde von den Chmir am 31. er¬
wiedert, indem 500 derselben die bei El Amm wohnenden nahet angriffen. Auf
die Nachricht hiervon eilten zwei Compagnien Franzosen von Rum Es Suk zur
Hilfe herbei, und es entspann sich ein hartnäckiges Gefecht, welches elf Stunden
währte und den Franzosen 4 Todte und 6 Verwundete, den Gegnern derselben
aber 15 Todte kostete. Die französische Regierung zog darauf ein verhältni߬
mäßig großes Heer zusammen und entsandte zugleich Kriegsschiffe nach der tune¬
sischen Insel Tabarka. Angeblicher Zweck war, den Grenzverletzungen und sonstigem
Unfug der Chmir für immer ein Ende zu bereiten. Der Bey wurde aufgefordert,
durch seine Truppen dabei mitzuwirken. Er lehnte dies aber ab und protestirte
darauf gegen den nunmehr angekündigten Einmarsch der Franzosen in sein Land.
Der Protest blieb unbeachtet, der Einmarsch fand von drei Seiten her statt,
lind die französischen Generale drangen, ohne viel Widerstand zu finden, rasch
weiter vor. Zu gleicher Zeit wurde Tabarka, von wo man auf ein französisches
Kriegsschiff geschossen, besetzt. Von ganz besondrer Wichtigkeit ist endlich die darauf
erfolgte Besetzung von Bizerta. Diese Stadt, im Südwesten der nach ihr be¬
nannten Bucht gelegen, ist nur 60 Kilometer von Tunis entfernt und 100 Kilo¬
meter vom Lande der Chmir, denen der Feldzug doch eigentlich gelten sollte.
Es hat ungefähr 5000 Einwohner und ist als Sitz eines lebhaften Handels die
Residenz von Consuln für Frankreich, England, Italien, Spanien, Holland und
die Vereinigten Staaten. Es hat ferner einige Forts und sonstige Befestigungen,
die indeß nicht viel zu bedeuten haben. Die Erklärung dafür, daß man sich
plötzlich auf einen so wichtigen Punkt in der Mitte des tunesischen Litorals ge¬
worfen, lautet dahin, daß die Occupation von Bizerta die strategische Vervoll¬
ständigung und der Abschluß der Aufstellung gegen die Chmir sei. Während
die Kolonne des Generals Logervt nach der Einnahme Kefs in der Richtung
von Beja vorrückt und sich im Thale Wed Mellegue vorwärts bewegt, und
während die Colonne Vineendon und Bran ihrerseits die Einschließung des Landes
der Chmir vorbereiten, soll die bei Bizerta gekantete Brigade die letztre vollenden.


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[0268] T>ör Streit um Tunis. tunesischen auf, mit den Gegnern zusammenzukommen und die gegenseitigen Ent¬ schädigungen zu vereinbare». Bei dieser Verhandlung fand sich — man weiß nicht, ob auf Befehl oder aus eignem Antriebe — auch der französische Distriets- commandant Major Vivensang ein und unterbrach die Besprechung mit der Er¬ klärung, die Alet Sebra müßten für die beiden Zelte 7000 Piaster Entschädigung zahlen, widrigenfalls er von seinen Truppen gegen sie Gebrauch machen würde. Die Alet Sebra entfernten sich, ohne darauf zu antworten. Am folgenden Tage, dem 30. März, überschritt eine Schaar der Naheds, begleitet von französischen Soldaten, die tunesische Grenze und überfiel ein Dorf der Chmir, wobei einer der letztern erschossen wurde. Der Ueberfall wurde von den Chmir am 31. er¬ wiedert, indem 500 derselben die bei El Amm wohnenden nahet angriffen. Auf die Nachricht hiervon eilten zwei Compagnien Franzosen von Rum Es Suk zur Hilfe herbei, und es entspann sich ein hartnäckiges Gefecht, welches elf Stunden währte und den Franzosen 4 Todte und 6 Verwundete, den Gegnern derselben aber 15 Todte kostete. Die französische Regierung zog darauf ein verhältni߬ mäßig großes Heer zusammen und entsandte zugleich Kriegsschiffe nach der tune¬ sischen Insel Tabarka. Angeblicher Zweck war, den Grenzverletzungen und sonstigem Unfug der Chmir für immer ein Ende zu bereiten. Der Bey wurde aufgefordert, durch seine Truppen dabei mitzuwirken. Er lehnte dies aber ab und protestirte darauf gegen den nunmehr angekündigten Einmarsch der Franzosen in sein Land. Der Protest blieb unbeachtet, der Einmarsch fand von drei Seiten her statt, lind die französischen Generale drangen, ohne viel Widerstand zu finden, rasch weiter vor. Zu gleicher Zeit wurde Tabarka, von wo man auf ein französisches Kriegsschiff geschossen, besetzt. Von ganz besondrer Wichtigkeit ist endlich die darauf erfolgte Besetzung von Bizerta. Diese Stadt, im Südwesten der nach ihr be¬ nannten Bucht gelegen, ist nur 60 Kilometer von Tunis entfernt und 100 Kilo¬ meter vom Lande der Chmir, denen der Feldzug doch eigentlich gelten sollte. Es hat ungefähr 5000 Einwohner und ist als Sitz eines lebhaften Handels die Residenz von Consuln für Frankreich, England, Italien, Spanien, Holland und die Vereinigten Staaten. Es hat ferner einige Forts und sonstige Befestigungen, die indeß nicht viel zu bedeuten haben. Die Erklärung dafür, daß man sich plötzlich auf einen so wichtigen Punkt in der Mitte des tunesischen Litorals ge¬ worfen, lautet dahin, daß die Occupation von Bizerta die strategische Vervoll¬ ständigung und der Abschluß der Aufstellung gegen die Chmir sei. Während die Kolonne des Generals Logervt nach der Einnahme Kefs in der Richtung von Beja vorrückt und sich im Thale Wed Mellegue vorwärts bewegt, und während die Colonne Vineendon und Bran ihrerseits die Einschließung des Landes der Chmir vorbereiten, soll die bei Bizerta gekantete Brigade die letztre vollenden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/268>, abgerufen am 29.09.2024.