Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Liu Zugendfreund Gootlies,

Haus," Und weiter heißt es: "Wäre damals ein Freund, Doctor Ap . , ,,
nicht meines Bruders Stütze gewesen, welches Loos hätte seine Rechnungsab-
legung gehabt! sorgloser als der Sorgloseste hatt' er nicht allein nie etwas
aufgeschrieben oder von seinem starken Honorar gespart; er hatte sogar nie seinen
Geldschrank verschlossen und die gewaltigen Defekte bemerkt; sein Anzug <deu
doch niemand bemerkte) hatte ihn immer viel und verschwenderisch angebrachten
Geld gekostet. Unbekümmert um Rechnung, von Musik und Gesellschaft blind
eingenommen, hielt er seinem Eleven in allem Lehrer, worinnen er ihn selbst
hätte unterweisen sollen, , ,"

Für niemand war Behrischens Abgang von Leipzig schmerzlicher als für
Goethe, Er schreibt darüber in "Dichtung und Wahrheit": "Der Verlust eines
Freundes wie Behrisch war für mich vou der größten Bedeutung, Er hatte
mich verzogen, indem er mich bildete, und seine Gegenwart war nöthig, wenn
das einigermaßen für die Societät Frucht bringen sollte, was er an mich zu
wenden für gut befunden hatte. Er wußte mich zu allerlei Artigem und Schick¬
lichen zu bewegen, ums gerade am Platz war, und meine geselligen Talente heraus¬
zusetzen. Weil ich aber in solchen Dingen keine Selbständigkeit erworben hatte,
so fiel ich gleich, da ich wieder allein war, in mein wirriges, störrisches Wesen
zurück, welches immer zunahm, je nnznfriedner ich über meine Umgebung war,
indem ich mir einbildete, daß sie nicht mit mir zufrieden sei. Mit der will¬
kürlichsten Laune nahm ich übel auf, was ich mir hätte zum Vortheil rechnen
können, entfernte manchen dadurch, mit dem ich bisher in leidlichem Verhältniß
gestanden hatte, und mußte bei manchen Widerwärtigkeiten, die ich mir und
andern, es sei nun im Thun oder Unterlassen, im Zuviel oder Zuwenig zugezogen
hatte, vou Wohlwollenden die Bemerkung hören, daß es mir an Erfahrung fehle,"

Nach allem, was Goethe selbst darüber berichtet, war sein freundschaftlicher
Verkehr mit Behrisch von wesentlicher Bedeutung für seine dichterische wie für
seiue gesellschaftliche Entwicklung, und die Bemerkung Elzes, daß Behrisch zu
Goethe währeud dessen Leipziger Zeit eine ähnliche Stellung eingenommen habe
wie einige Jahre später Merck, ist durchaus zu acceptiren, ja sie wird uus noch
glaubhafter werden, wem, nur Behrisch selbst als Kritiker und Dichter werden
näher kennen lernen.

Was war natürlicher, als daß der Dichter den scheidenden Freund auch
dichterisch feierte? Er widmete ihm drei Oden, in denen sich Achtung vor dem
Freunde, Widerwille gegen Leipzig und die dortigen Verhältnisse, Grimm gegen
die bösen Zungen, die Behrisch angeschwärzt hatten und Sehnsucht eigner Er¬
lösung aus diese" Umgebungen in kräftigen Gedanken äußern. Im ganzen spürt
man freilich von Goethes Eigenthümlichkeit noch wenig in ihnen.


Liu Zugendfreund Gootlies,

Haus," Und weiter heißt es: „Wäre damals ein Freund, Doctor Ap . , ,,
nicht meines Bruders Stütze gewesen, welches Loos hätte seine Rechnungsab-
legung gehabt! sorgloser als der Sorgloseste hatt' er nicht allein nie etwas
aufgeschrieben oder von seinem starken Honorar gespart; er hatte sogar nie seinen
Geldschrank verschlossen und die gewaltigen Defekte bemerkt; sein Anzug <deu
doch niemand bemerkte) hatte ihn immer viel und verschwenderisch angebrachten
Geld gekostet. Unbekümmert um Rechnung, von Musik und Gesellschaft blind
eingenommen, hielt er seinem Eleven in allem Lehrer, worinnen er ihn selbst
hätte unterweisen sollen, , ,"

Für niemand war Behrischens Abgang von Leipzig schmerzlicher als für
Goethe, Er schreibt darüber in „Dichtung und Wahrheit": „Der Verlust eines
Freundes wie Behrisch war für mich vou der größten Bedeutung, Er hatte
mich verzogen, indem er mich bildete, und seine Gegenwart war nöthig, wenn
das einigermaßen für die Societät Frucht bringen sollte, was er an mich zu
wenden für gut befunden hatte. Er wußte mich zu allerlei Artigem und Schick¬
lichen zu bewegen, ums gerade am Platz war, und meine geselligen Talente heraus¬
zusetzen. Weil ich aber in solchen Dingen keine Selbständigkeit erworben hatte,
so fiel ich gleich, da ich wieder allein war, in mein wirriges, störrisches Wesen
zurück, welches immer zunahm, je nnznfriedner ich über meine Umgebung war,
indem ich mir einbildete, daß sie nicht mit mir zufrieden sei. Mit der will¬
kürlichsten Laune nahm ich übel auf, was ich mir hätte zum Vortheil rechnen
können, entfernte manchen dadurch, mit dem ich bisher in leidlichem Verhältniß
gestanden hatte, und mußte bei manchen Widerwärtigkeiten, die ich mir und
andern, es sei nun im Thun oder Unterlassen, im Zuviel oder Zuwenig zugezogen
hatte, vou Wohlwollenden die Bemerkung hören, daß es mir an Erfahrung fehle,"

Nach allem, was Goethe selbst darüber berichtet, war sein freundschaftlicher
Verkehr mit Behrisch von wesentlicher Bedeutung für seine dichterische wie für
seiue gesellschaftliche Entwicklung, und die Bemerkung Elzes, daß Behrisch zu
Goethe währeud dessen Leipziger Zeit eine ähnliche Stellung eingenommen habe
wie einige Jahre später Merck, ist durchaus zu acceptiren, ja sie wird uus noch
glaubhafter werden, wem, nur Behrisch selbst als Kritiker und Dichter werden
näher kennen lernen.

Was war natürlicher, als daß der Dichter den scheidenden Freund auch
dichterisch feierte? Er widmete ihm drei Oden, in denen sich Achtung vor dem
Freunde, Widerwille gegen Leipzig und die dortigen Verhältnisse, Grimm gegen
die bösen Zungen, die Behrisch angeschwärzt hatten und Sehnsucht eigner Er¬
lösung aus diese» Umgebungen in kräftigen Gedanken äußern. Im ganzen spürt
man freilich von Goethes Eigenthümlichkeit noch wenig in ihnen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149598"/>
          <fw type="header" place="top"> Liu Zugendfreund Gootlies,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_58" prev="#ID_57"> Haus," Und weiter heißt es: &#x201E;Wäre damals ein Freund, Doctor Ap . , ,,<lb/>
nicht meines Bruders Stütze gewesen, welches Loos hätte seine Rechnungsab-<lb/>
legung gehabt! sorgloser als der Sorgloseste hatt' er nicht allein nie etwas<lb/>
aufgeschrieben oder von seinem starken Honorar gespart; er hatte sogar nie seinen<lb/>
Geldschrank verschlossen und die gewaltigen Defekte bemerkt; sein Anzug &lt;deu<lb/>
doch niemand bemerkte) hatte ihn immer viel und verschwenderisch angebrachten<lb/>
Geld gekostet. Unbekümmert um Rechnung, von Musik und Gesellschaft blind<lb/>
eingenommen, hielt er seinem Eleven in allem Lehrer, worinnen er ihn selbst<lb/>
hätte unterweisen sollen, , ,"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_59"> Für niemand war Behrischens Abgang von Leipzig schmerzlicher als für<lb/>
Goethe, Er schreibt darüber in &#x201E;Dichtung und Wahrheit": &#x201E;Der Verlust eines<lb/>
Freundes wie Behrisch war für mich vou der größten Bedeutung, Er hatte<lb/>
mich verzogen, indem er mich bildete, und seine Gegenwart war nöthig, wenn<lb/>
das einigermaßen für die Societät Frucht bringen sollte, was er an mich zu<lb/>
wenden für gut befunden hatte. Er wußte mich zu allerlei Artigem und Schick¬<lb/>
lichen zu bewegen, ums gerade am Platz war, und meine geselligen Talente heraus¬<lb/>
zusetzen. Weil ich aber in solchen Dingen keine Selbständigkeit erworben hatte,<lb/>
so fiel ich gleich, da ich wieder allein war, in mein wirriges, störrisches Wesen<lb/>
zurück, welches immer zunahm, je nnznfriedner ich über meine Umgebung war,<lb/>
indem ich mir einbildete, daß sie nicht mit mir zufrieden sei. Mit der will¬<lb/>
kürlichsten Laune nahm ich übel auf, was ich mir hätte zum Vortheil rechnen<lb/>
können, entfernte manchen dadurch, mit dem ich bisher in leidlichem Verhältniß<lb/>
gestanden hatte, und mußte bei manchen Widerwärtigkeiten, die ich mir und<lb/>
andern, es sei nun im Thun oder Unterlassen, im Zuviel oder Zuwenig zugezogen<lb/>
hatte, vou Wohlwollenden die Bemerkung hören, daß es mir an Erfahrung fehle,"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_60"> Nach allem, was Goethe selbst darüber berichtet, war sein freundschaftlicher<lb/>
Verkehr mit Behrisch von wesentlicher Bedeutung für seine dichterische wie für<lb/>
seiue gesellschaftliche Entwicklung, und die Bemerkung Elzes, daß Behrisch zu<lb/>
Goethe währeud dessen Leipziger Zeit eine ähnliche Stellung eingenommen habe<lb/>
wie einige Jahre später Merck, ist durchaus zu acceptiren, ja sie wird uus noch<lb/>
glaubhafter werden, wem, nur Behrisch selbst als Kritiker und Dichter werden<lb/>
näher kennen lernen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_61"> Was war natürlicher, als daß der Dichter den scheidenden Freund auch<lb/>
dichterisch feierte? Er widmete ihm drei Oden, in denen sich Achtung vor dem<lb/>
Freunde, Widerwille gegen Leipzig und die dortigen Verhältnisse, Grimm gegen<lb/>
die bösen Zungen, die Behrisch angeschwärzt hatten und Sehnsucht eigner Er¬<lb/>
lösung aus diese» Umgebungen in kräftigen Gedanken äußern. Im ganzen spürt<lb/>
man freilich von Goethes Eigenthümlichkeit noch wenig in ihnen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0026] Liu Zugendfreund Gootlies, Haus," Und weiter heißt es: „Wäre damals ein Freund, Doctor Ap . , ,, nicht meines Bruders Stütze gewesen, welches Loos hätte seine Rechnungsab- legung gehabt! sorgloser als der Sorgloseste hatt' er nicht allein nie etwas aufgeschrieben oder von seinem starken Honorar gespart; er hatte sogar nie seinen Geldschrank verschlossen und die gewaltigen Defekte bemerkt; sein Anzug <deu doch niemand bemerkte) hatte ihn immer viel und verschwenderisch angebrachten Geld gekostet. Unbekümmert um Rechnung, von Musik und Gesellschaft blind eingenommen, hielt er seinem Eleven in allem Lehrer, worinnen er ihn selbst hätte unterweisen sollen, , ," Für niemand war Behrischens Abgang von Leipzig schmerzlicher als für Goethe, Er schreibt darüber in „Dichtung und Wahrheit": „Der Verlust eines Freundes wie Behrisch war für mich vou der größten Bedeutung, Er hatte mich verzogen, indem er mich bildete, und seine Gegenwart war nöthig, wenn das einigermaßen für die Societät Frucht bringen sollte, was er an mich zu wenden für gut befunden hatte. Er wußte mich zu allerlei Artigem und Schick¬ lichen zu bewegen, ums gerade am Platz war, und meine geselligen Talente heraus¬ zusetzen. Weil ich aber in solchen Dingen keine Selbständigkeit erworben hatte, so fiel ich gleich, da ich wieder allein war, in mein wirriges, störrisches Wesen zurück, welches immer zunahm, je nnznfriedner ich über meine Umgebung war, indem ich mir einbildete, daß sie nicht mit mir zufrieden sei. Mit der will¬ kürlichsten Laune nahm ich übel auf, was ich mir hätte zum Vortheil rechnen können, entfernte manchen dadurch, mit dem ich bisher in leidlichem Verhältniß gestanden hatte, und mußte bei manchen Widerwärtigkeiten, die ich mir und andern, es sei nun im Thun oder Unterlassen, im Zuviel oder Zuwenig zugezogen hatte, vou Wohlwollenden die Bemerkung hören, daß es mir an Erfahrung fehle," Nach allem, was Goethe selbst darüber berichtet, war sein freundschaftlicher Verkehr mit Behrisch von wesentlicher Bedeutung für seine dichterische wie für seiue gesellschaftliche Entwicklung, und die Bemerkung Elzes, daß Behrisch zu Goethe währeud dessen Leipziger Zeit eine ähnliche Stellung eingenommen habe wie einige Jahre später Merck, ist durchaus zu acceptiren, ja sie wird uus noch glaubhafter werden, wem, nur Behrisch selbst als Kritiker und Dichter werden näher kennen lernen. Was war natürlicher, als daß der Dichter den scheidenden Freund auch dichterisch feierte? Er widmete ihm drei Oden, in denen sich Achtung vor dem Freunde, Widerwille gegen Leipzig und die dortigen Verhältnisse, Grimm gegen die bösen Zungen, die Behrisch angeschwärzt hatten und Sehnsucht eigner Er¬ lösung aus diese» Umgebungen in kräftigen Gedanken äußern. Im ganzen spürt man freilich von Goethes Eigenthümlichkeit noch wenig in ihnen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/26
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/26>, abgerufen am 23.07.2024.