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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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kostet hatte, meldete, begann derselbe: "Ich habe eine Erfcchrnng gemacht, die
mir nicht verloren sein soll/' Man begreift, wie diese Worte Goethe an die
Leipziger Discussion mit Behrisch erinnern mußten.

Nicht so sympathisch wie mit Goethe verkehrte Behrisch mit seinem Bruder
Heinrich, der denn auch weniger harmlose Züge von ihm mittheilt: "Er, der
so feine künstlerische Empfindung hatte," war nach Heinrichs Urtheil "blinder
als ein Maulwurf," sobald ein Vorurtheil mitsprach. "Ein Gedicht des Königs
von Preußen wurde ihm, ohne daß ers kannte, von Jemand vorgelegt, gegen
dessen Talente er eingenommen war (^'"i ?u 1s iwiurt, cle os morals "t,v.); er
fand es äußerst schlecht und tadelte alle Beiwörter, so bestimmt und schöngemalt
sie waren. Eins der Meisterstücke der Poesie, welches Voltaire av nurin. ac
mMro nannte, war schlecht in seinen Angen, weil es seinen Bruder zum Ver¬
fasser haben sollte." Auch von Wolfgangs Jähzorn erzählt Heinrich. Eines
Abends waren beide im Apelschen Garten und fuhren Gondel, Eine Kleinig¬
keit hatte Anlaß zu Meinungsverschiedenheit gegeben, und Heinrich nannte ein
Vorhaben seines Bruders einfältig. Da ergriff Wolfgang das lange Ander und
schlug mit voller Gewalt auf des Bruders Kopf zu, so daß denselben nur eine
schnelle Wendung des Oberkörpers vom Tode rettete. Uebrigens höhnten sich
beide beim Abendessen wieder aus, Wolfgang gestand sein Unrecht ein, und eine
brüderliche Umarmung beschloß den Streit.

Rücksichtlich der Führung des jungen Grafen Lindenau theilt Goethe mit,
daß Behrisch denselben stets um sich gehabt, ihn ins Colleg begleitet und zu
den Partien mit den Freunden mitgenommen habe. Auch hierüber schreibt
Heinrich, wie wir noch weiter unten sehen werden, weniger anerkennend. Endlich
löste sich das Verhältniß: die Veranlassung dazu wird wieder von Goethe anders
als von Heinrich Behrisch angegeben. Goethe bringt den Vorfall mit einem
Spottgedicht zusammen, das, ans den Kuchenbäcker Hendel gemacht, von einem
der Freunde zu einer Satire ans den "Mabon" des Professors Clodius, der
wiederholt die Zielscheibe der Witze Behrischs gewesen, erweitert worden war,
und meint, daß auch wohl der Verkehr des ganzen Freundeskreises, zu dem ja
anch der junge Lindenau zählte, in einem Garten, dessen Besitzerinnen in zwei¬
deutigem Rufe standen, dem Rufe Behrischs nicht förderlich gewesen sein möge,
Heinrich Behrisch weiß dagegen von einem ganz speciellen drastischen Vorfall zu
erzählen: "Er hatte das Unglück, das grast, Linde . . . Hans verlassen zu
müssen, einer Ohrfeige zuzuschreiben, die er seinem Eleven gab, da er schon
Uniform trug. Ein Bedienter, der unbefugter Weise den Fall Sr. Excellenz
meldete, veranlaßte die ebenso schnelle als lächerliche Relegation und diese war
wieder die Ursache der Promotion meines Bruders in das fürstliche Aus . . .


kostet hatte, meldete, begann derselbe: „Ich habe eine Erfcchrnng gemacht, die
mir nicht verloren sein soll/' Man begreift, wie diese Worte Goethe an die
Leipziger Discussion mit Behrisch erinnern mußten.

Nicht so sympathisch wie mit Goethe verkehrte Behrisch mit seinem Bruder
Heinrich, der denn auch weniger harmlose Züge von ihm mittheilt: „Er, der
so feine künstlerische Empfindung hatte," war nach Heinrichs Urtheil „blinder
als ein Maulwurf," sobald ein Vorurtheil mitsprach. „Ein Gedicht des Königs
von Preußen wurde ihm, ohne daß ers kannte, von Jemand vorgelegt, gegen
dessen Talente er eingenommen war (^'»i ?u 1s iwiurt, cle os morals «t,v.); er
fand es äußerst schlecht und tadelte alle Beiwörter, so bestimmt und schöngemalt
sie waren. Eins der Meisterstücke der Poesie, welches Voltaire av nurin. ac
mMro nannte, war schlecht in seinen Angen, weil es seinen Bruder zum Ver¬
fasser haben sollte." Auch von Wolfgangs Jähzorn erzählt Heinrich. Eines
Abends waren beide im Apelschen Garten und fuhren Gondel, Eine Kleinig¬
keit hatte Anlaß zu Meinungsverschiedenheit gegeben, und Heinrich nannte ein
Vorhaben seines Bruders einfältig. Da ergriff Wolfgang das lange Ander und
schlug mit voller Gewalt auf des Bruders Kopf zu, so daß denselben nur eine
schnelle Wendung des Oberkörpers vom Tode rettete. Uebrigens höhnten sich
beide beim Abendessen wieder aus, Wolfgang gestand sein Unrecht ein, und eine
brüderliche Umarmung beschloß den Streit.

Rücksichtlich der Führung des jungen Grafen Lindenau theilt Goethe mit,
daß Behrisch denselben stets um sich gehabt, ihn ins Colleg begleitet und zu
den Partien mit den Freunden mitgenommen habe. Auch hierüber schreibt
Heinrich, wie wir noch weiter unten sehen werden, weniger anerkennend. Endlich
löste sich das Verhältniß: die Veranlassung dazu wird wieder von Goethe anders
als von Heinrich Behrisch angegeben. Goethe bringt den Vorfall mit einem
Spottgedicht zusammen, das, ans den Kuchenbäcker Hendel gemacht, von einem
der Freunde zu einer Satire ans den „Mabon" des Professors Clodius, der
wiederholt die Zielscheibe der Witze Behrischs gewesen, erweitert worden war,
und meint, daß auch wohl der Verkehr des ganzen Freundeskreises, zu dem ja
anch der junge Lindenau zählte, in einem Garten, dessen Besitzerinnen in zwei¬
deutigem Rufe standen, dem Rufe Behrischs nicht förderlich gewesen sein möge,
Heinrich Behrisch weiß dagegen von einem ganz speciellen drastischen Vorfall zu
erzählen: „Er hatte das Unglück, das grast, Linde . . . Hans verlassen zu
müssen, einer Ohrfeige zuzuschreiben, die er seinem Eleven gab, da er schon
Uniform trug. Ein Bedienter, der unbefugter Weise den Fall Sr. Excellenz
meldete, veranlaßte die ebenso schnelle als lächerliche Relegation und diese war
wieder die Ursache der Promotion meines Bruders in das fürstliche Aus . . .


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/25>, abgerufen am 23.07.2024.