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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Ccilderon,

Das eine derselben, "Der wunderthätige Magus" (Hi in"gioo xroäiMvsv)
nimmt nnter den aus der Heiligenlegende geschöpften Stücken unbedingt die erste
Stelle ein und offenbart die dramatische Größe seines Urhebers in glänzendster
Weise. Um einen Begriff von der genialen Conception dieses Werkes zu geben
und zugleich zur Lectüre desselben anzuregen,*) möge eine gedrängte Skizze des
Inhalts folgen.

Im ersten Aete finden wir den heidnischen Gelehrten Cyprianus im einsame"
Gebirge bei Antiochia grübelnd über eine von Gott handelnde Stelle des Plinius.
Der böse Dämon naht sich ihm in Gestalt eines Gelehrten, knüpft ein Gespräch
mit ihm an und beschließt, um ihn von seinen philosophischen Forschungen ab¬
zuziehen, ihn in die Netze der Sinnlichkeit zu verstricken. Zu Antiochia lebt der
greise Lhscmder, der im Auftrage des heiligen Vaters für die Verbreitung des
Christenthums thätig ist. Seine Pflegetochter Justina hat zwei Liebhaber, die
zum Zweikampfe in Cyprians Einsamkeit erscheinen; dieser verhindert den Streit
durch das Versprechen, sich selbst zu dein jungen Mädchen zu begeben und ihren
Entscheid einzuholen. Bei der ersten Begegnung entbrennt er selbst zu ihr in
Liebe, die jedoch keine Erwiderung findet. Während die beiden Bewerber um
Justinas Hand Nachts vor deren Hause stehen, steigt der Dämon auf einer
Strickleiter vom Balcon herab; jeder der beide" Nebenbuhler vermuthet in der
Gestalt den ander" "ut so geben beide ihre Ansprüche auf das Mädchen auf.

Von Liebessehnsucht getrieben und seinen Büchern untreu geworden, tritt
Cyprianus festlich gekleidet im zweiten Acte vor Justina und wirbt um ihre
Hand. Nochmals weist sie ihn ab und erklärt ihm, daß sie ihn nie lieben könne,
als im Tode. In seiner Liebespein bietet er dein Bösen seine Seele an; ein
Ungewitter erhebt sich, und der Dämon tritt uuter der Gestalt eines Gestrandeten
auf, dem Cyprian seine Hilfe zusagt und bewogen durch geheimnißvolle Andeutungen,
daß er im Besitze überirdischer Kräfte, sein Haus als Obdach antrügt. Nach
einer Seene, in der die beiden Liebhaber der Justina, deren einer der Sohn des
Statthalters, dnrch den letztern ins Gefängniß gesetzt werden, da man sie beim
Zweikampfe überraschte, erbietet sich der Dämon, bei Chpricm zu Gaste, diesen in
die Geheimnisse der Magie einzuweihen und ihm so zu Justinas Besitz zu ver¬
helfen. Cyprian "ruß ihm dafür mit seinem Blute seine Seele verschreiben. Nach
Verlauf eines Jahres fordert derselbe, mit den geheimen Künsten vertraut, die
Erfüllung seiner Zusage von dem Dämon. Da der freie Wille der Jungfrau
nicht unter dessen Macht steht, so nimmt er seine Zuflucht zu Erscheinungen voll
glühender Sinnlichkeit, die er ihr vorspiegelt, sie aber entzieht sich seinem Einflüsse



*) Das Stück ist enthalt,!!! im 2. Bande der Groschen Ueberhebung.
Ccilderon,

Das eine derselben, „Der wunderthätige Magus" (Hi in»gioo xroäiMvsv)
nimmt nnter den aus der Heiligenlegende geschöpften Stücken unbedingt die erste
Stelle ein und offenbart die dramatische Größe seines Urhebers in glänzendster
Weise. Um einen Begriff von der genialen Conception dieses Werkes zu geben
und zugleich zur Lectüre desselben anzuregen,*) möge eine gedrängte Skizze des
Inhalts folgen.

Im ersten Aete finden wir den heidnischen Gelehrten Cyprianus im einsame»
Gebirge bei Antiochia grübelnd über eine von Gott handelnde Stelle des Plinius.
Der böse Dämon naht sich ihm in Gestalt eines Gelehrten, knüpft ein Gespräch
mit ihm an und beschließt, um ihn von seinen philosophischen Forschungen ab¬
zuziehen, ihn in die Netze der Sinnlichkeit zu verstricken. Zu Antiochia lebt der
greise Lhscmder, der im Auftrage des heiligen Vaters für die Verbreitung des
Christenthums thätig ist. Seine Pflegetochter Justina hat zwei Liebhaber, die
zum Zweikampfe in Cyprians Einsamkeit erscheinen; dieser verhindert den Streit
durch das Versprechen, sich selbst zu dein jungen Mädchen zu begeben und ihren
Entscheid einzuholen. Bei der ersten Begegnung entbrennt er selbst zu ihr in
Liebe, die jedoch keine Erwiderung findet. Während die beiden Bewerber um
Justinas Hand Nachts vor deren Hause stehen, steigt der Dämon auf einer
Strickleiter vom Balcon herab; jeder der beide» Nebenbuhler vermuthet in der
Gestalt den ander» »ut so geben beide ihre Ansprüche auf das Mädchen auf.

Von Liebessehnsucht getrieben und seinen Büchern untreu geworden, tritt
Cyprianus festlich gekleidet im zweiten Acte vor Justina und wirbt um ihre
Hand. Nochmals weist sie ihn ab und erklärt ihm, daß sie ihn nie lieben könne,
als im Tode. In seiner Liebespein bietet er dein Bösen seine Seele an; ein
Ungewitter erhebt sich, und der Dämon tritt uuter der Gestalt eines Gestrandeten
auf, dem Cyprian seine Hilfe zusagt und bewogen durch geheimnißvolle Andeutungen,
daß er im Besitze überirdischer Kräfte, sein Haus als Obdach antrügt. Nach
einer Seene, in der die beiden Liebhaber der Justina, deren einer der Sohn des
Statthalters, dnrch den letztern ins Gefängniß gesetzt werden, da man sie beim
Zweikampfe überraschte, erbietet sich der Dämon, bei Chpricm zu Gaste, diesen in
die Geheimnisse der Magie einzuweihen und ihm so zu Justinas Besitz zu ver¬
helfen. Cyprian »ruß ihm dafür mit seinem Blute seine Seele verschreiben. Nach
Verlauf eines Jahres fordert derselbe, mit den geheimen Künsten vertraut, die
Erfüllung seiner Zusage von dem Dämon. Da der freie Wille der Jungfrau
nicht unter dessen Macht steht, so nimmt er seine Zuflucht zu Erscheinungen voll
glühender Sinnlichkeit, die er ihr vorspiegelt, sie aber entzieht sich seinem Einflüsse



*) Das Stück ist enthalt,!!! im 2. Bande der Groschen Ueberhebung.
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[0241] Ccilderon, Das eine derselben, „Der wunderthätige Magus" (Hi in»gioo xroäiMvsv) nimmt nnter den aus der Heiligenlegende geschöpften Stücken unbedingt die erste Stelle ein und offenbart die dramatische Größe seines Urhebers in glänzendster Weise. Um einen Begriff von der genialen Conception dieses Werkes zu geben und zugleich zur Lectüre desselben anzuregen,*) möge eine gedrängte Skizze des Inhalts folgen. Im ersten Aete finden wir den heidnischen Gelehrten Cyprianus im einsame» Gebirge bei Antiochia grübelnd über eine von Gott handelnde Stelle des Plinius. Der böse Dämon naht sich ihm in Gestalt eines Gelehrten, knüpft ein Gespräch mit ihm an und beschließt, um ihn von seinen philosophischen Forschungen ab¬ zuziehen, ihn in die Netze der Sinnlichkeit zu verstricken. Zu Antiochia lebt der greise Lhscmder, der im Auftrage des heiligen Vaters für die Verbreitung des Christenthums thätig ist. Seine Pflegetochter Justina hat zwei Liebhaber, die zum Zweikampfe in Cyprians Einsamkeit erscheinen; dieser verhindert den Streit durch das Versprechen, sich selbst zu dein jungen Mädchen zu begeben und ihren Entscheid einzuholen. Bei der ersten Begegnung entbrennt er selbst zu ihr in Liebe, die jedoch keine Erwiderung findet. Während die beiden Bewerber um Justinas Hand Nachts vor deren Hause stehen, steigt der Dämon auf einer Strickleiter vom Balcon herab; jeder der beide» Nebenbuhler vermuthet in der Gestalt den ander» »ut so geben beide ihre Ansprüche auf das Mädchen auf. Von Liebessehnsucht getrieben und seinen Büchern untreu geworden, tritt Cyprianus festlich gekleidet im zweiten Acte vor Justina und wirbt um ihre Hand. Nochmals weist sie ihn ab und erklärt ihm, daß sie ihn nie lieben könne, als im Tode. In seiner Liebespein bietet er dein Bösen seine Seele an; ein Ungewitter erhebt sich, und der Dämon tritt uuter der Gestalt eines Gestrandeten auf, dem Cyprian seine Hilfe zusagt und bewogen durch geheimnißvolle Andeutungen, daß er im Besitze überirdischer Kräfte, sein Haus als Obdach antrügt. Nach einer Seene, in der die beiden Liebhaber der Justina, deren einer der Sohn des Statthalters, dnrch den letztern ins Gefängniß gesetzt werden, da man sie beim Zweikampfe überraschte, erbietet sich der Dämon, bei Chpricm zu Gaste, diesen in die Geheimnisse der Magie einzuweihen und ihm so zu Justinas Besitz zu ver¬ helfen. Cyprian »ruß ihm dafür mit seinem Blute seine Seele verschreiben. Nach Verlauf eines Jahres fordert derselbe, mit den geheimen Künsten vertraut, die Erfüllung seiner Zusage von dem Dämon. Da der freie Wille der Jungfrau nicht unter dessen Macht steht, so nimmt er seine Zuflucht zu Erscheinungen voll glühender Sinnlichkeit, die er ihr vorspiegelt, sie aber entzieht sich seinem Einflüsse *) Das Stück ist enthalt,!!! im 2. Bande der Groschen Ueberhebung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/241>, abgerufen am 23.07.2024.