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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Calderon.

Von Calderons Dramen, welche die Zahl 10l> übersteigen, erschien die erste
Sammlung 1635, eine zweite 1637, beide je zwölf Stücke enthaltend, während
die folgenden zwei Bände, von gleichem Umfange, erst 1664 und 1672 zur
Veröffentlichung gelangten.") Daß Caldero" selbst, wie mancher andre große
Bühnendichter, sich wenig um den Druck seiner Schauspiele kümmerte, geht aus
den: Briefe hervor, den er ein Jahr vor seinem Tode an den Herzog von Veraguci
richtete; derselbe hatte ihn in einem äußerst schmeichelhaften Schreiben aufs
angelegentlichste gebeten, seine Komödien und Autos zu sammeln, und ihm die
für die Herausgabe nöthigen Mittel angeboten. Der Dichter äußerte in seiner
Antwort, daß er im Mißmuth über den Unfug, der von der buchhändlerischen
Speculation mit seinen Stücken getrieben werde, über die Rücksichtslosigkeit, mit
der man nicht nur seine schwächste" Werke edire, sondern ihm sogar fremde Mach¬
werke unterschiede, und über die groben Entstellungen seiner Dramen"*) es auf¬
gegeben, deren Schicksal feine Anfmerksamkeit zu schenken, um so mehr als seine
Beschwerden so gut wie fruchtlos geblieben seien; die Autos (deren Zahl er auf
68 angiebt) feien das einzige, was er, der besondern Bedeutung der heiligen
Gegenstände wegen, zu sammeln bedacht gewesen, und diese wolle er gern dem
Wunsche des Herzogs entsprechend weiter drucken lassen. In dem Verzeichnis?
der 111 von ihm als sein Eigenthum anerkannten Dramen, welches diesem Briefe
beigefügt ist, fehlt indeß eine Anzahl unstreitig echter Stücke, und wenn man
vier andre hinzunimmt, die Vera Tassis uuter den Werken des Dichters auf¬
führt, fo ergeben sich nicht weniger als 121, bei denen die Urheberschaft Cal¬
derons außer Zweifel steht. Für die Bestimmung der Entstehungszeit bieten
leider nur bei einigen Stücken äußre Daten mehr oder weniger sichre Unterlagen,
bei einer großen Anzahl dagegen nur Compositionsweise und Stil einen un¬
gefähren Anhalt. Anstatt daher die Dramen nach ihrer im einzelnen doch nicht
feststellbare" chronologischen Folge zu betrachten, was freilich den großen Vor¬
theil hätte, daß dabei ein Einblick in die künstlerische Entwicklung ihres Urhebers




Die beiden Gesammtansgabcn, deren erste, wie schon erwähnt, Vera Tassis bald nach
Calderons Tode (1684), die andre Apontes 1750 veranstaltete, umfassen 108 Stücke. Unter
den neuern Ausgabe" sieht obenan diejenige des deutsch-spanischen Dramatikers Juan Eugeuio
Hartzenbusch, die durch wichtiges bibliographisches und kritisches Material besondern Werth
erhält.
Am Schlüsse der Tragödie IÄ in">n,' lunnstnw las oolas macht der Dichter seinem
Unwille" darüber Lust, indem er auf die Worte deS Philipp"?: "Und so schließt das Trauer,
spiel, da sich nnn erfüllt ihr Unstern" den Polydor sagen läßt:

Wie es der Verfasser schrieb,

Nicht wie es der Diebstahl druckte,

Dessen Müh' ist, daß er richte

Andrer Mühe stets zu Grunde.

Calderon.

Von Calderons Dramen, welche die Zahl 10l> übersteigen, erschien die erste
Sammlung 1635, eine zweite 1637, beide je zwölf Stücke enthaltend, während
die folgenden zwei Bände, von gleichem Umfange, erst 1664 und 1672 zur
Veröffentlichung gelangten.") Daß Caldero» selbst, wie mancher andre große
Bühnendichter, sich wenig um den Druck seiner Schauspiele kümmerte, geht aus
den: Briefe hervor, den er ein Jahr vor seinem Tode an den Herzog von Veraguci
richtete; derselbe hatte ihn in einem äußerst schmeichelhaften Schreiben aufs
angelegentlichste gebeten, seine Komödien und Autos zu sammeln, und ihm die
für die Herausgabe nöthigen Mittel angeboten. Der Dichter äußerte in seiner
Antwort, daß er im Mißmuth über den Unfug, der von der buchhändlerischen
Speculation mit seinen Stücken getrieben werde, über die Rücksichtslosigkeit, mit
der man nicht nur seine schwächste» Werke edire, sondern ihm sogar fremde Mach¬
werke unterschiede, und über die groben Entstellungen seiner Dramen"*) es auf¬
gegeben, deren Schicksal feine Anfmerksamkeit zu schenken, um so mehr als seine
Beschwerden so gut wie fruchtlos geblieben seien; die Autos (deren Zahl er auf
68 angiebt) feien das einzige, was er, der besondern Bedeutung der heiligen
Gegenstände wegen, zu sammeln bedacht gewesen, und diese wolle er gern dem
Wunsche des Herzogs entsprechend weiter drucken lassen. In dem Verzeichnis?
der 111 von ihm als sein Eigenthum anerkannten Dramen, welches diesem Briefe
beigefügt ist, fehlt indeß eine Anzahl unstreitig echter Stücke, und wenn man
vier andre hinzunimmt, die Vera Tassis uuter den Werken des Dichters auf¬
führt, fo ergeben sich nicht weniger als 121, bei denen die Urheberschaft Cal¬
derons außer Zweifel steht. Für die Bestimmung der Entstehungszeit bieten
leider nur bei einigen Stücken äußre Daten mehr oder weniger sichre Unterlagen,
bei einer großen Anzahl dagegen nur Compositionsweise und Stil einen un¬
gefähren Anhalt. Anstatt daher die Dramen nach ihrer im einzelnen doch nicht
feststellbare» chronologischen Folge zu betrachten, was freilich den großen Vor¬
theil hätte, daß dabei ein Einblick in die künstlerische Entwicklung ihres Urhebers




Die beiden Gesammtansgabcn, deren erste, wie schon erwähnt, Vera Tassis bald nach
Calderons Tode (1684), die andre Apontes 1750 veranstaltete, umfassen 108 Stücke. Unter
den neuern Ausgabe» sieht obenan diejenige des deutsch-spanischen Dramatikers Juan Eugeuio
Hartzenbusch, die durch wichtiges bibliographisches und kritisches Material besondern Werth
erhält.
Am Schlüsse der Tragödie IÄ in»>n,' lunnstnw las oolas macht der Dichter seinem
Unwille» darüber Lust, indem er auf die Worte deS Philipp»?: „Und so schließt das Trauer,
spiel, da sich nnn erfüllt ihr Unstern" den Polydor sagen läßt:

Wie es der Verfasser schrieb,

Nicht wie es der Diebstahl druckte,

Dessen Müh' ist, daß er richte

Andrer Mühe stets zu Grunde.

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[0238] Calderon. Von Calderons Dramen, welche die Zahl 10l> übersteigen, erschien die erste Sammlung 1635, eine zweite 1637, beide je zwölf Stücke enthaltend, während die folgenden zwei Bände, von gleichem Umfange, erst 1664 und 1672 zur Veröffentlichung gelangten.") Daß Caldero» selbst, wie mancher andre große Bühnendichter, sich wenig um den Druck seiner Schauspiele kümmerte, geht aus den: Briefe hervor, den er ein Jahr vor seinem Tode an den Herzog von Veraguci richtete; derselbe hatte ihn in einem äußerst schmeichelhaften Schreiben aufs angelegentlichste gebeten, seine Komödien und Autos zu sammeln, und ihm die für die Herausgabe nöthigen Mittel angeboten. Der Dichter äußerte in seiner Antwort, daß er im Mißmuth über den Unfug, der von der buchhändlerischen Speculation mit seinen Stücken getrieben werde, über die Rücksichtslosigkeit, mit der man nicht nur seine schwächste» Werke edire, sondern ihm sogar fremde Mach¬ werke unterschiede, und über die groben Entstellungen seiner Dramen"*) es auf¬ gegeben, deren Schicksal feine Anfmerksamkeit zu schenken, um so mehr als seine Beschwerden so gut wie fruchtlos geblieben seien; die Autos (deren Zahl er auf 68 angiebt) feien das einzige, was er, der besondern Bedeutung der heiligen Gegenstände wegen, zu sammeln bedacht gewesen, und diese wolle er gern dem Wunsche des Herzogs entsprechend weiter drucken lassen. In dem Verzeichnis? der 111 von ihm als sein Eigenthum anerkannten Dramen, welches diesem Briefe beigefügt ist, fehlt indeß eine Anzahl unstreitig echter Stücke, und wenn man vier andre hinzunimmt, die Vera Tassis uuter den Werken des Dichters auf¬ führt, fo ergeben sich nicht weniger als 121, bei denen die Urheberschaft Cal¬ derons außer Zweifel steht. Für die Bestimmung der Entstehungszeit bieten leider nur bei einigen Stücken äußre Daten mehr oder weniger sichre Unterlagen, bei einer großen Anzahl dagegen nur Compositionsweise und Stil einen un¬ gefähren Anhalt. Anstatt daher die Dramen nach ihrer im einzelnen doch nicht feststellbare» chronologischen Folge zu betrachten, was freilich den großen Vor¬ theil hätte, daß dabei ein Einblick in die künstlerische Entwicklung ihres Urhebers Die beiden Gesammtansgabcn, deren erste, wie schon erwähnt, Vera Tassis bald nach Calderons Tode (1684), die andre Apontes 1750 veranstaltete, umfassen 108 Stücke. Unter den neuern Ausgabe» sieht obenan diejenige des deutsch-spanischen Dramatikers Juan Eugeuio Hartzenbusch, die durch wichtiges bibliographisches und kritisches Material besondern Werth erhält. Am Schlüsse der Tragödie IÄ in»>n,' lunnstnw las oolas macht der Dichter seinem Unwille» darüber Lust, indem er auf die Worte deS Philipp»?: „Und so schließt das Trauer, spiel, da sich nnn erfüllt ihr Unstern" den Polydor sagen läßt: Wie es der Verfasser schrieb, Nicht wie es der Diebstahl druckte, Dessen Müh' ist, daß er richte Andrer Mühe stets zu Grunde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/238>, abgerufen am 23.07.2024.