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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Lalderon.

die Weiterentwicklung des spanischen Dramas und ward besonders durch Cervantes'
Wirksamkeit von Bedeutung für dieselbe. In seiner "Numaneia" bei aller poetischen
Pracht der dramatischen Technik noch wenig mächtig und anch in den acht Komödien
seines Alters hohem Anforderungen nicht entsprechend, hat der berühmte Ver¬
fasser des Don Quixote, der sich übrigens erst spät nach dem Erscheinen dieses
seines Meisterwerks der Bühnendichtung zuwandte, weitaus sein Bestes in einer
Reihe von Zwischenspielen (öntrsmWW) geliefert, die zusammen mit jenem 1615
herauskamen und von denen vier in? ersten Bande von Schacks "Spanischen
Theater" sich verdeutscht finden/') Im tragischen Fache zeichnete sich Argensvla
der Aeltere (geb, 156S) durch eine bisher unerreichte Herrschaft über die sprach¬
liche Form aus, während freilich der Aufbau seiner von den wüstesten Unthaten
strotzenden Trauerspiele noch vieles zu wünschen übrig ließ,

Ist sonach bis jetzt die dramatische Kunst zu einem harmonischen Verhältniß
zwischen Form und Inhalt noch nicht durchgerungen, so hat doch der nationale
Charakter seine Herrschaft auf der Bühne siegreich befestigt, und alle kommenden
Talente finden zu ihren: großen Heile bestimmte Grenzen vorgezeichnet, inner¬
halb deren sich ihr Schaffen zu bewegen hat.

Das Ende des 16. Jahrhunderts, an dem die politische Macht Spaniens
auf ihrem glorreichen Gipfel angelangt war und für diese Nation, während
Frankreich und Deutschland nnter den religiösen Spaltungen schwer zu leiden
hatten, eine Aera innerer Kraftentwicklung anhob, bezeichnet für das spanische
Drama einen entscheidenden Wendepunkt. Wie die bildende Kunst in Zurbaran,
Velasauez und Murillo, in Luis Tristan, Antonio Pereda, Juan Carenv de
Miranda und andern großen Malern ihren höchsten Aufschwung nahm, so trat
auch das Drama, nachdem genau wie in Althellas die epische und lyrische Poesie
ihre Ausbildung erreicht, als die letzte und reifste Frucht der Dichtkunst in den
Vordergrund des geistigen Lebens. Bildete doch das Theater eine der bevor¬
zugtesten Heimstätten für die Verguügungslust, welche die in üppiger Fülle dem
Lande zuströmenden Reichthümer im Gefolge hatten. Der religiöse Druck, der
namentlich seit Philipps II. Regierung auf dem Reiche lastete, war, wie Schack
init Recht betont hat, weniger ein Hinderniß als eine Förderung für die dramatische
Kunst, indem er ihr Talente zuführte, die unter andern Verhältnissen sich viel¬
leicht ganz verschiednen Gebieten gewidmet hätten, bei den gegebnen Zustünden
aber gerade in der Bühne einen Boden vorfanden, auf dem sie sich unter dem
Deckmantel poetischer Licenz eine oft weitgehende Freiheit erlauben durften. Und
so ist die Kenntniß der damaligen spanischen Bühne, in der sich das geistige



Eins auch im ersten Bande von Dohms Spanischen Dramen,
Lalderon.

die Weiterentwicklung des spanischen Dramas und ward besonders durch Cervantes'
Wirksamkeit von Bedeutung für dieselbe. In seiner „Numaneia" bei aller poetischen
Pracht der dramatischen Technik noch wenig mächtig und anch in den acht Komödien
seines Alters hohem Anforderungen nicht entsprechend, hat der berühmte Ver¬
fasser des Don Quixote, der sich übrigens erst spät nach dem Erscheinen dieses
seines Meisterwerks der Bühnendichtung zuwandte, weitaus sein Bestes in einer
Reihe von Zwischenspielen (öntrsmWW) geliefert, die zusammen mit jenem 1615
herauskamen und von denen vier in? ersten Bande von Schacks „Spanischen
Theater" sich verdeutscht finden/') Im tragischen Fache zeichnete sich Argensvla
der Aeltere (geb, 156S) durch eine bisher unerreichte Herrschaft über die sprach¬
liche Form aus, während freilich der Aufbau seiner von den wüstesten Unthaten
strotzenden Trauerspiele noch vieles zu wünschen übrig ließ,

Ist sonach bis jetzt die dramatische Kunst zu einem harmonischen Verhältniß
zwischen Form und Inhalt noch nicht durchgerungen, so hat doch der nationale
Charakter seine Herrschaft auf der Bühne siegreich befestigt, und alle kommenden
Talente finden zu ihren: großen Heile bestimmte Grenzen vorgezeichnet, inner¬
halb deren sich ihr Schaffen zu bewegen hat.

Das Ende des 16. Jahrhunderts, an dem die politische Macht Spaniens
auf ihrem glorreichen Gipfel angelangt war und für diese Nation, während
Frankreich und Deutschland nnter den religiösen Spaltungen schwer zu leiden
hatten, eine Aera innerer Kraftentwicklung anhob, bezeichnet für das spanische
Drama einen entscheidenden Wendepunkt. Wie die bildende Kunst in Zurbaran,
Velasauez und Murillo, in Luis Tristan, Antonio Pereda, Juan Carenv de
Miranda und andern großen Malern ihren höchsten Aufschwung nahm, so trat
auch das Drama, nachdem genau wie in Althellas die epische und lyrische Poesie
ihre Ausbildung erreicht, als die letzte und reifste Frucht der Dichtkunst in den
Vordergrund des geistigen Lebens. Bildete doch das Theater eine der bevor¬
zugtesten Heimstätten für die Verguügungslust, welche die in üppiger Fülle dem
Lande zuströmenden Reichthümer im Gefolge hatten. Der religiöse Druck, der
namentlich seit Philipps II. Regierung auf dem Reiche lastete, war, wie Schack
init Recht betont hat, weniger ein Hinderniß als eine Förderung für die dramatische
Kunst, indem er ihr Talente zuführte, die unter andern Verhältnissen sich viel¬
leicht ganz verschiednen Gebieten gewidmet hätten, bei den gegebnen Zustünden
aber gerade in der Bühne einen Boden vorfanden, auf dem sie sich unter dem
Deckmantel poetischer Licenz eine oft weitgehende Freiheit erlauben durften. Und
so ist die Kenntniß der damaligen spanischen Bühne, in der sich das geistige



Eins auch im ersten Bande von Dohms Spanischen Dramen,
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[0232] Lalderon. die Weiterentwicklung des spanischen Dramas und ward besonders durch Cervantes' Wirksamkeit von Bedeutung für dieselbe. In seiner „Numaneia" bei aller poetischen Pracht der dramatischen Technik noch wenig mächtig und anch in den acht Komödien seines Alters hohem Anforderungen nicht entsprechend, hat der berühmte Ver¬ fasser des Don Quixote, der sich übrigens erst spät nach dem Erscheinen dieses seines Meisterwerks der Bühnendichtung zuwandte, weitaus sein Bestes in einer Reihe von Zwischenspielen (öntrsmWW) geliefert, die zusammen mit jenem 1615 herauskamen und von denen vier in? ersten Bande von Schacks „Spanischen Theater" sich verdeutscht finden/') Im tragischen Fache zeichnete sich Argensvla der Aeltere (geb, 156S) durch eine bisher unerreichte Herrschaft über die sprach¬ liche Form aus, während freilich der Aufbau seiner von den wüstesten Unthaten strotzenden Trauerspiele noch vieles zu wünschen übrig ließ, Ist sonach bis jetzt die dramatische Kunst zu einem harmonischen Verhältniß zwischen Form und Inhalt noch nicht durchgerungen, so hat doch der nationale Charakter seine Herrschaft auf der Bühne siegreich befestigt, und alle kommenden Talente finden zu ihren: großen Heile bestimmte Grenzen vorgezeichnet, inner¬ halb deren sich ihr Schaffen zu bewegen hat. Das Ende des 16. Jahrhunderts, an dem die politische Macht Spaniens auf ihrem glorreichen Gipfel angelangt war und für diese Nation, während Frankreich und Deutschland nnter den religiösen Spaltungen schwer zu leiden hatten, eine Aera innerer Kraftentwicklung anhob, bezeichnet für das spanische Drama einen entscheidenden Wendepunkt. Wie die bildende Kunst in Zurbaran, Velasauez und Murillo, in Luis Tristan, Antonio Pereda, Juan Carenv de Miranda und andern großen Malern ihren höchsten Aufschwung nahm, so trat auch das Drama, nachdem genau wie in Althellas die epische und lyrische Poesie ihre Ausbildung erreicht, als die letzte und reifste Frucht der Dichtkunst in den Vordergrund des geistigen Lebens. Bildete doch das Theater eine der bevor¬ zugtesten Heimstätten für die Verguügungslust, welche die in üppiger Fülle dem Lande zuströmenden Reichthümer im Gefolge hatten. Der religiöse Druck, der namentlich seit Philipps II. Regierung auf dem Reiche lastete, war, wie Schack init Recht betont hat, weniger ein Hinderniß als eine Förderung für die dramatische Kunst, indem er ihr Talente zuführte, die unter andern Verhältnissen sich viel¬ leicht ganz verschiednen Gebieten gewidmet hätten, bei den gegebnen Zustünden aber gerade in der Bühne einen Boden vorfanden, auf dem sie sich unter dem Deckmantel poetischer Licenz eine oft weitgehende Freiheit erlauben durften. Und so ist die Kenntniß der damaligen spanischen Bühne, in der sich das geistige Eins auch im ersten Bande von Dohms Spanischen Dramen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/232>, abgerufen am 23.07.2024.