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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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seine Klage "zu viel zu thun" bei dem spät nach Hause heimkehrenden Vater ein
bereitwilliges Entgegenkommen.

Ich sagte, daß in jener Versammlung 200 Familienväter zugegen waren.
An demselben Abend gab eS, schlecht gerechnet, noch wenigstens zehn Vereinigungen,
die ungefähr aus derselben Gesellschaftsclasse rekrutirten Man rechne die Zahl
der Väter hinzu, die in diesen Vereinen versammelt waren, endlich die, welche
Privatgesellschaften oder das Theater besuchten. Wir wollen ferner an jene er¬
innern, die ohne wissenschaftliche oder kiinstlerische Folie, ohne Statuten und
Vorstand dem Bierphilisterthnm verfalle" sind. Das Resultat ist: Nicht 25°/"
unsrer Familienväter findest du am Abend oder wenigstens den bedeutendsten
Theil des Abends zu Hause, d, h. das vielgerühmte Familienleben der
Deutschen ist eine Fabel.

Wir haben gegen die jährlichen Bercinigungeu deutscher Gelehrten nichts
einzuwenden, obschon sie von seiten solcher, die Phrasen nicht zugänglich sind,
lediglich als große Kneipereien bezeichnet wordeu sind; alle die Wanderversamm-
luugeu von Vereinen verschiednen Charakters mögen, wenn sie auch die Wissen¬
schaft nicht fördern, gestattet sein. Ihre kurze Dauer, die Möglichkeit, alte Be¬
kannte zu treffen, neue Bekanntschaften anzuknüpfen, machen sie empfehlenswert!).
Gegen die Vereinskraukheit aber, wie sie neuerdings in unserm Vaterlande
gmssirt, gegen die Vereinskraukheit, die mit Wahlen, Sitzungen, Protokollen,
Agitationen, Vortrage", Festen unserm Volke die Zeit stiehlt und ihm das Bier¬
haus zum Heime macht, fordern wir Heilmittel. Möchte der gesunde Sinn des
Volkes das verlogne Phrascnthum, das Streberthum, wie es in den meisten
Vereinen existirt, allgemein erkennen, möchte an die Stelle der Vereinsbummelei
ernste Arbeit, an die Stelle des Wirthshauslebens ein segensreiches Familien¬
leben wieder treten. Wahrlich, man würde weniger von wirthschaftlichen Mi߬
ständen reden hören und ruhiger könnte der wahre Batcrlandsfreuno auf unsre
Jugend, auf unsre Zukunft sehen.




seine Klage „zu viel zu thun" bei dem spät nach Hause heimkehrenden Vater ein
bereitwilliges Entgegenkommen.

Ich sagte, daß in jener Versammlung 200 Familienväter zugegen waren.
An demselben Abend gab eS, schlecht gerechnet, noch wenigstens zehn Vereinigungen,
die ungefähr aus derselben Gesellschaftsclasse rekrutirten Man rechne die Zahl
der Väter hinzu, die in diesen Vereinen versammelt waren, endlich die, welche
Privatgesellschaften oder das Theater besuchten. Wir wollen ferner an jene er¬
innern, die ohne wissenschaftliche oder kiinstlerische Folie, ohne Statuten und
Vorstand dem Bierphilisterthnm verfalle» sind. Das Resultat ist: Nicht 25°/«
unsrer Familienväter findest du am Abend oder wenigstens den bedeutendsten
Theil des Abends zu Hause, d, h. das vielgerühmte Familienleben der
Deutschen ist eine Fabel.

Wir haben gegen die jährlichen Bercinigungeu deutscher Gelehrten nichts
einzuwenden, obschon sie von seiten solcher, die Phrasen nicht zugänglich sind,
lediglich als große Kneipereien bezeichnet wordeu sind; alle die Wanderversamm-
luugeu von Vereinen verschiednen Charakters mögen, wenn sie auch die Wissen¬
schaft nicht fördern, gestattet sein. Ihre kurze Dauer, die Möglichkeit, alte Be¬
kannte zu treffen, neue Bekanntschaften anzuknüpfen, machen sie empfehlenswert!).
Gegen die Vereinskraukheit aber, wie sie neuerdings in unserm Vaterlande
gmssirt, gegen die Vereinskraukheit, die mit Wahlen, Sitzungen, Protokollen,
Agitationen, Vortrage», Festen unserm Volke die Zeit stiehlt und ihm das Bier¬
haus zum Heime macht, fordern wir Heilmittel. Möchte der gesunde Sinn des
Volkes das verlogne Phrascnthum, das Streberthum, wie es in den meisten
Vereinen existirt, allgemein erkennen, möchte an die Stelle der Vereinsbummelei
ernste Arbeit, an die Stelle des Wirthshauslebens ein segensreiches Familien¬
leben wieder treten. Wahrlich, man würde weniger von wirthschaftlichen Mi߬
ständen reden hören und ruhiger könnte der wahre Batcrlandsfreuno auf unsre
Jugend, auf unsre Zukunft sehen.




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[0199] seine Klage „zu viel zu thun" bei dem spät nach Hause heimkehrenden Vater ein bereitwilliges Entgegenkommen. Ich sagte, daß in jener Versammlung 200 Familienväter zugegen waren. An demselben Abend gab eS, schlecht gerechnet, noch wenigstens zehn Vereinigungen, die ungefähr aus derselben Gesellschaftsclasse rekrutirten Man rechne die Zahl der Väter hinzu, die in diesen Vereinen versammelt waren, endlich die, welche Privatgesellschaften oder das Theater besuchten. Wir wollen ferner an jene er¬ innern, die ohne wissenschaftliche oder kiinstlerische Folie, ohne Statuten und Vorstand dem Bierphilisterthnm verfalle» sind. Das Resultat ist: Nicht 25°/« unsrer Familienväter findest du am Abend oder wenigstens den bedeutendsten Theil des Abends zu Hause, d, h. das vielgerühmte Familienleben der Deutschen ist eine Fabel. Wir haben gegen die jährlichen Bercinigungeu deutscher Gelehrten nichts einzuwenden, obschon sie von seiten solcher, die Phrasen nicht zugänglich sind, lediglich als große Kneipereien bezeichnet wordeu sind; alle die Wanderversamm- luugeu von Vereinen verschiednen Charakters mögen, wenn sie auch die Wissen¬ schaft nicht fördern, gestattet sein. Ihre kurze Dauer, die Möglichkeit, alte Be¬ kannte zu treffen, neue Bekanntschaften anzuknüpfen, machen sie empfehlenswert!). Gegen die Vereinskraukheit aber, wie sie neuerdings in unserm Vaterlande gmssirt, gegen die Vereinskraukheit, die mit Wahlen, Sitzungen, Protokollen, Agitationen, Vortrage», Festen unserm Volke die Zeit stiehlt und ihm das Bier¬ haus zum Heime macht, fordern wir Heilmittel. Möchte der gesunde Sinn des Volkes das verlogne Phrascnthum, das Streberthum, wie es in den meisten Vereinen existirt, allgemein erkennen, möchte an die Stelle der Vereinsbummelei ernste Arbeit, an die Stelle des Wirthshauslebens ein segensreiches Familien¬ leben wieder treten. Wahrlich, man würde weniger von wirthschaftlichen Mi߬ ständen reden hören und ruhiger könnte der wahre Batcrlandsfreuno auf unsre Jugend, auf unsre Zukunft sehen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/199>, abgerufen am 23.07.2024.