Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.Ein neuer Rubens in der königlichen Gcmcildegalene in Berlin. Hand nicht gleichkommt, hinsichtlich der Correctheit nichts zu wünschen übrig. So heftige Angriffe, die natürlich in der Tngesprcsse ihren Wiederhall Statt von unzweifelhaften Werken der Epoche von 1608--1612, also dem Ein neuer Rubens in der königlichen Gcmcildegalene in Berlin. Hand nicht gleichkommt, hinsichtlich der Correctheit nichts zu wünschen übrig. So heftige Angriffe, die natürlich in der Tngesprcsse ihren Wiederhall Statt von unzweifelhaften Werken der Epoche von 1608—1612, also dem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0188" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149760"/> <fw type="header" place="top"> Ein neuer Rubens in der königlichen Gcmcildegalene in Berlin.</fw><lb/> <p xml:id="ID_619" prev="#ID_618"> Hand nicht gleichkommt, hinsichtlich der Correctheit nichts zu wünschen übrig.<lb/> Mißlicher sieht es schon mit dem Krokodile aus, welches einem ausgestopften<lb/> Exemplare nachgebildet zu sein scheint und sich deshalb an Lebendigkeit mit dem<lb/> Krokodile ans den „vier Erdtheilen" nicht messen kann. Bei dem Nashorn hat<lb/> die Autopsie ganz und gar gefehlt, da es, wie u. a. das Horn auf dem Nacken<lb/> beweist, nach dem bekannten Holzschnitte Dürers gemalt ist. Am schlimmsten<lb/> aber steht es mit dem Tiger, welchem der Schwanz falsch eingesetzt ist, eine so<lb/> grobe Nachlässigkeit, daß nimmermehr anzunehmen ist, Rubens habe dieses<lb/> Monstrum selbst gemalt. Noch schwerer sind die Verzeichnungen, an welche»<lb/> die beiden Hauptfiguren, Neptun und Amphitrite oder Libhc, leiden Die Arme<lb/> sind lange Wülste ohne Knochen, welche schlaff von den Schultern „herab¬<lb/> bammeln": ein andres Wort ist für den Sachverhalt nicht zu finde». Dazu<lb/> gesellt sich ein unerfreuliches, fahles und kaltes Colorit mit schweren, grünblauen<lb/> Schatten im Fleisch. Was Wunder, daß der Eindruck des Bildes fast überall<lb/> ein abschreckender war und daß namentlich unter den Künstlern eine Bewegung<lb/> entstand, die sich in Anbetracht deS Preises von 200 000 Mark bis zur Ent¬<lb/> rüstung steigerte. Man ging so weit, das Gemälde für ein Machwerk des<lb/> 18. Jahrhunderts zu erklären, welches mit Rubens absolut nichts zu thun habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_620"> So heftige Angriffe, die natürlich in der Tngesprcsse ihren Wiederhall<lb/> fanden, konnten von Seiten der Direction der Gemäldegalerie nicht ohne Ant¬<lb/> wort bleiben. Director 1)r. Bode übernahm die Vertheidigung des so hart mit¬<lb/> genommenen Bildes in einem Artikel des Aprilheftes der „Preußischen Jahr¬<lb/> bücher", in welchem nicht nur alle Gegner mit souveräner Verachtung abgestraft<lb/> wurden, sondern auch — was das größte Erstaunen hervorrief — der Nach¬<lb/> weis versucht wurde, daß das Bild erstens in den Jahren 1609 oder 1610,<lb/> also in der erste» Periode von Rubens' Thätigkeit, gemalt sei, daß es zweitens<lb/> ganz von Rubens' eigner Hand stamme und daß es drittens ein Bild sei,<lb/> welches sich durch „Großartigkeit der Composition und Gestaltung, Pracht und<lb/> Harmonie der Färbung, Reiz des Helldunkels, Lebenswahrheit und Leuchtkraft<lb/> des Colorits" auszeichne. Auf eine so gründliche „Rettung" war niemand gefaßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_621" next="#ID_622"> Statt von unzweifelhaften Werken der Epoche von 1608—1612, also dem<lb/> oben erwähnten Altarbilde von Grenoble und dem geistig und technisch mit<lb/> letzterm verwandten Jldefonsvbilde im Wiener Belvedere, auszugehen, hat or.<lb/> Bode zur Stütze seiner Behauptung eine Anzahl von Gemälden zusammengestellt,<lb/> die alle in jener Zeit entstanden sein sollen, für deren Datirung aber nicht der<lb/> geringste Beweis beigebracht wird. Nur ein einziges dieser Bilder (Jupiter und<lb/> Callisto) trägt eine Jahreszahl, und diese — 1K13 —- fällt bereits in jene<lb/> zweite Epoche, für welche ich das Berliner Bild in Anspruch genommen habe.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0188]
Ein neuer Rubens in der königlichen Gcmcildegalene in Berlin.
Hand nicht gleichkommt, hinsichtlich der Correctheit nichts zu wünschen übrig.
Mißlicher sieht es schon mit dem Krokodile aus, welches einem ausgestopften
Exemplare nachgebildet zu sein scheint und sich deshalb an Lebendigkeit mit dem
Krokodile ans den „vier Erdtheilen" nicht messen kann. Bei dem Nashorn hat
die Autopsie ganz und gar gefehlt, da es, wie u. a. das Horn auf dem Nacken
beweist, nach dem bekannten Holzschnitte Dürers gemalt ist. Am schlimmsten
aber steht es mit dem Tiger, welchem der Schwanz falsch eingesetzt ist, eine so
grobe Nachlässigkeit, daß nimmermehr anzunehmen ist, Rubens habe dieses
Monstrum selbst gemalt. Noch schwerer sind die Verzeichnungen, an welche»
die beiden Hauptfiguren, Neptun und Amphitrite oder Libhc, leiden Die Arme
sind lange Wülste ohne Knochen, welche schlaff von den Schultern „herab¬
bammeln": ein andres Wort ist für den Sachverhalt nicht zu finde». Dazu
gesellt sich ein unerfreuliches, fahles und kaltes Colorit mit schweren, grünblauen
Schatten im Fleisch. Was Wunder, daß der Eindruck des Bildes fast überall
ein abschreckender war und daß namentlich unter den Künstlern eine Bewegung
entstand, die sich in Anbetracht deS Preises von 200 000 Mark bis zur Ent¬
rüstung steigerte. Man ging so weit, das Gemälde für ein Machwerk des
18. Jahrhunderts zu erklären, welches mit Rubens absolut nichts zu thun habe.
So heftige Angriffe, die natürlich in der Tngesprcsse ihren Wiederhall
fanden, konnten von Seiten der Direction der Gemäldegalerie nicht ohne Ant¬
wort bleiben. Director 1)r. Bode übernahm die Vertheidigung des so hart mit¬
genommenen Bildes in einem Artikel des Aprilheftes der „Preußischen Jahr¬
bücher", in welchem nicht nur alle Gegner mit souveräner Verachtung abgestraft
wurden, sondern auch — was das größte Erstaunen hervorrief — der Nach¬
weis versucht wurde, daß das Bild erstens in den Jahren 1609 oder 1610,
also in der erste» Periode von Rubens' Thätigkeit, gemalt sei, daß es zweitens
ganz von Rubens' eigner Hand stamme und daß es drittens ein Bild sei,
welches sich durch „Großartigkeit der Composition und Gestaltung, Pracht und
Harmonie der Färbung, Reiz des Helldunkels, Lebenswahrheit und Leuchtkraft
des Colorits" auszeichne. Auf eine so gründliche „Rettung" war niemand gefaßt.
Statt von unzweifelhaften Werken der Epoche von 1608—1612, also dem
oben erwähnten Altarbilde von Grenoble und dem geistig und technisch mit
letzterm verwandten Jldefonsvbilde im Wiener Belvedere, auszugehen, hat or.
Bode zur Stütze seiner Behauptung eine Anzahl von Gemälden zusammengestellt,
die alle in jener Zeit entstanden sein sollen, für deren Datirung aber nicht der
geringste Beweis beigebracht wird. Nur ein einziges dieser Bilder (Jupiter und
Callisto) trägt eine Jahreszahl, und diese — 1K13 —- fällt bereits in jene
zweite Epoche, für welche ich das Berliner Bild in Anspruch genommen habe.
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