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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Lin neuer Rubens in der königlichen Genuildegalene in Berlin.

war von dem Beichtvater der Königin, dem Ubbo Claude Maugis von Se. Am-
broise, ein detaillirter Plan aufgestellt worden, nach welchem Rubens arbeiten
mußte. Trotzdem wird man nicht fehl gehen, wenn man annimmt, daß Rubens
ungefähr um 1620, also im Beginn der vierziger Jahre seines Lebensalters,
wo der Geist sich schon mehr zur Beschaulichkeit neigte, anfing, seine Gedanken
dnrch Symbole und Allegorieen auszudrücken.

Wir würden also die Entstehung des Berliner Bildes, zu dem wir nun
zurückkehren, in die Zeit nach 1620 zu setzen haben. Denn hinter der Hochzeit
des Neptun mit der Libye und der Huldigung seiner jungen Gattin durch die
Bewohner des Meeres und des durch sie verbildlichten Erdtheils Afrika, ver¬
birgt sich ein tieferer oder allgemeinerer Sinn. Rubens wollte zugleich die Ver¬
mählung des Meeres mit der Erde, speciell mit Afrika, darstellen. Der Meister
hat diesen Gedanken wiederholt zum Ausdruck gebracht. Ein Bild der Peters'
burgcr Ermitage zeigt uns Neptun und Chbelc, letztere durch eine Krone und
ein Füllhorn charakterisirt, und im Vordergrunde einen Triton und zwei badende
Kinder. Lord Lyttelton in Hagley Hall, Worcestershire, besitzt eine Wiederholung
dieses Bildes. Ein etwas verändertes Exemplar derselben Composition, welches
Rubens für den Palazzo Chigi in Rom gemalt haben soll, ist uns durch einen
Stich von Vcmgelisti bekannt. Endlich gehört in diesen Ideenkreis die Dar¬
stellung der vier Welttheile durch ihre Hauptströme im Wiener Belvedere: eine
Versammlung von Flnßgöttern und Najaden, die sich auf einer Insel oder Land¬
zunge in traulichem Verein gelagert haben. Eine Tigerin, die gerade ihre Jungen
sättigt, knurrt ein Krokodil an, welches von Kindern umspielt aus dem Wasser
ans Land kriecht. Wie auf dem Berliner Bilde über Neptun und Amphitrite,
spannt sich auch über diese Gesellschaft von Flnßgöttern und Nymphen ein großes
Segel, welches sie vor deu Strahlen der Sonne schützt.

Es kaun keinem Zweifel unterliegen, daß alle diese Bilder auch ihrer Ent-
stehungszeit nach zusammengehören. Max Rooses versetzt in seiner ausgezeich¬
neten, auf deu gründlichsten Studien beruhenden "Geschichte der Malerschule
Antwerpens", welche auch kürzlich in deutscher Uebersetzung erschienen ist*), das
Bild des Wiener Belvedere, von welchem wir als dem besten und sichersten
Exemplare des Kreises ausgehen müssen, in die zweite Epoche von Rubens'Thätig¬
keit, d. h. in die Zeit von 1612--1625. Diese Epoche beginnt mit der Kreuz¬
abnahme in Antwerpen und schließt mit der Galerie für den Luxemburgpalast,
welche Rubens selbst im Frühjahr 1625 nach Paris überführte. Wenn wir
nun mit dieser Datirung, welche Rooses aus der Beobachtung der Wandlung



Ve>n Dr. F. Reder bei Th. Riedel in München.
Lin neuer Rubens in der königlichen Genuildegalene in Berlin.

war von dem Beichtvater der Königin, dem Ubbo Claude Maugis von Se. Am-
broise, ein detaillirter Plan aufgestellt worden, nach welchem Rubens arbeiten
mußte. Trotzdem wird man nicht fehl gehen, wenn man annimmt, daß Rubens
ungefähr um 1620, also im Beginn der vierziger Jahre seines Lebensalters,
wo der Geist sich schon mehr zur Beschaulichkeit neigte, anfing, seine Gedanken
dnrch Symbole und Allegorieen auszudrücken.

Wir würden also die Entstehung des Berliner Bildes, zu dem wir nun
zurückkehren, in die Zeit nach 1620 zu setzen haben. Denn hinter der Hochzeit
des Neptun mit der Libye und der Huldigung seiner jungen Gattin durch die
Bewohner des Meeres und des durch sie verbildlichten Erdtheils Afrika, ver¬
birgt sich ein tieferer oder allgemeinerer Sinn. Rubens wollte zugleich die Ver¬
mählung des Meeres mit der Erde, speciell mit Afrika, darstellen. Der Meister
hat diesen Gedanken wiederholt zum Ausdruck gebracht. Ein Bild der Peters'
burgcr Ermitage zeigt uns Neptun und Chbelc, letztere durch eine Krone und
ein Füllhorn charakterisirt, und im Vordergrunde einen Triton und zwei badende
Kinder. Lord Lyttelton in Hagley Hall, Worcestershire, besitzt eine Wiederholung
dieses Bildes. Ein etwas verändertes Exemplar derselben Composition, welches
Rubens für den Palazzo Chigi in Rom gemalt haben soll, ist uns durch einen
Stich von Vcmgelisti bekannt. Endlich gehört in diesen Ideenkreis die Dar¬
stellung der vier Welttheile durch ihre Hauptströme im Wiener Belvedere: eine
Versammlung von Flnßgöttern und Najaden, die sich auf einer Insel oder Land¬
zunge in traulichem Verein gelagert haben. Eine Tigerin, die gerade ihre Jungen
sättigt, knurrt ein Krokodil an, welches von Kindern umspielt aus dem Wasser
ans Land kriecht. Wie auf dem Berliner Bilde über Neptun und Amphitrite,
spannt sich auch über diese Gesellschaft von Flnßgöttern und Nymphen ein großes
Segel, welches sie vor deu Strahlen der Sonne schützt.

Es kaun keinem Zweifel unterliegen, daß alle diese Bilder auch ihrer Ent-
stehungszeit nach zusammengehören. Max Rooses versetzt in seiner ausgezeich¬
neten, auf deu gründlichsten Studien beruhenden „Geschichte der Malerschule
Antwerpens", welche auch kürzlich in deutscher Uebersetzung erschienen ist*), das
Bild des Wiener Belvedere, von welchem wir als dem besten und sichersten
Exemplare des Kreises ausgehen müssen, in die zweite Epoche von Rubens'Thätig¬
keit, d. h. in die Zeit von 1612—1625. Diese Epoche beginnt mit der Kreuz¬
abnahme in Antwerpen und schließt mit der Galerie für den Luxemburgpalast,
welche Rubens selbst im Frühjahr 1625 nach Paris überführte. Wenn wir
nun mit dieser Datirung, welche Rooses aus der Beobachtung der Wandlung



Ve>n Dr. F. Reder bei Th. Riedel in München.
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[0185] Lin neuer Rubens in der königlichen Genuildegalene in Berlin. war von dem Beichtvater der Königin, dem Ubbo Claude Maugis von Se. Am- broise, ein detaillirter Plan aufgestellt worden, nach welchem Rubens arbeiten mußte. Trotzdem wird man nicht fehl gehen, wenn man annimmt, daß Rubens ungefähr um 1620, also im Beginn der vierziger Jahre seines Lebensalters, wo der Geist sich schon mehr zur Beschaulichkeit neigte, anfing, seine Gedanken dnrch Symbole und Allegorieen auszudrücken. Wir würden also die Entstehung des Berliner Bildes, zu dem wir nun zurückkehren, in die Zeit nach 1620 zu setzen haben. Denn hinter der Hochzeit des Neptun mit der Libye und der Huldigung seiner jungen Gattin durch die Bewohner des Meeres und des durch sie verbildlichten Erdtheils Afrika, ver¬ birgt sich ein tieferer oder allgemeinerer Sinn. Rubens wollte zugleich die Ver¬ mählung des Meeres mit der Erde, speciell mit Afrika, darstellen. Der Meister hat diesen Gedanken wiederholt zum Ausdruck gebracht. Ein Bild der Peters' burgcr Ermitage zeigt uns Neptun und Chbelc, letztere durch eine Krone und ein Füllhorn charakterisirt, und im Vordergrunde einen Triton und zwei badende Kinder. Lord Lyttelton in Hagley Hall, Worcestershire, besitzt eine Wiederholung dieses Bildes. Ein etwas verändertes Exemplar derselben Composition, welches Rubens für den Palazzo Chigi in Rom gemalt haben soll, ist uns durch einen Stich von Vcmgelisti bekannt. Endlich gehört in diesen Ideenkreis die Dar¬ stellung der vier Welttheile durch ihre Hauptströme im Wiener Belvedere: eine Versammlung von Flnßgöttern und Najaden, die sich auf einer Insel oder Land¬ zunge in traulichem Verein gelagert haben. Eine Tigerin, die gerade ihre Jungen sättigt, knurrt ein Krokodil an, welches von Kindern umspielt aus dem Wasser ans Land kriecht. Wie auf dem Berliner Bilde über Neptun und Amphitrite, spannt sich auch über diese Gesellschaft von Flnßgöttern und Nymphen ein großes Segel, welches sie vor deu Strahlen der Sonne schützt. Es kaun keinem Zweifel unterliegen, daß alle diese Bilder auch ihrer Ent- stehungszeit nach zusammengehören. Max Rooses versetzt in seiner ausgezeich¬ neten, auf deu gründlichsten Studien beruhenden „Geschichte der Malerschule Antwerpens", welche auch kürzlich in deutscher Uebersetzung erschienen ist*), das Bild des Wiener Belvedere, von welchem wir als dem besten und sichersten Exemplare des Kreises ausgehen müssen, in die zweite Epoche von Rubens'Thätig¬ keit, d. h. in die Zeit von 1612—1625. Diese Epoche beginnt mit der Kreuz¬ abnahme in Antwerpen und schließt mit der Galerie für den Luxemburgpalast, welche Rubens selbst im Frühjahr 1625 nach Paris überführte. Wenn wir nun mit dieser Datirung, welche Rooses aus der Beobachtung der Wandlung Ve>n Dr. F. Reder bei Th. Riedel in München.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/185>, abgerufen am 23.07.2024.