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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Gin neuer Rubens in der königlichen Gemäldegalerie in Berlin.

in Vallieella in Rom während der Jahre 1607--1608 gemalt hatte. Das Bild
war dort nicht zur Aufstellung gelangt, weil es auf dem betreffenden Altar wegen
der schlechten Beleuchtung nicht zur Geltung kam. Rubens ersetzte es durch ein
andres, mehr decorativ auf Stein gemaltes und nahm das erste Exemplar mit
in die Heimat, wo er es später in die Se. Michaelisabtei weihte, in welcher
seine Mutter begraben lag^ In unsern: Jahrhundert wurde es von den Franzosen
entführt, und Napoleon schenkte es dem Museum von Grenoble, in welchem es
sich noch heute befindet.

Für uns ist dieses Bild hier insofern wichtig, als man bei der Beurtheilung
von Rubens' Jngcndbildern oder doch derjenigen Bilder, welche in die erste Zeit
seiner Thätigkeit im Vaterlande fallen, von dem Gemälde in Grenoble, als einem
mit Sicherheit datirten, wird ausgehen müssen.

Als Rubens nach Antwerpen zurückkehrte, war dort die Neigung für sinn¬
volle Allegorieen und emblematische Darstellungen schon allgemein verbreitet.
Otto van Been, Rubens ehemaliger Lehrmeister, erging sich mit Vorliebe, in
solchen Allegorieen, an deren Deutung Gelehrte und Ungelehrte ihre Freude hatten.
In Rubens selbst aber schäumte die jugendliche Schöpferkraft so gewaltig, daß
er an der sinnlichen Verkörperung von Begriffen und an dem Spiel mit einer
spitzfindigen Symbolik noch kein Vergnügen fand. Dasselbe stellte sich erst sehr
allmälig ein, genährt durch den Umgang mit Gevaerts und dem Drucker Bal-
thasar Morctns und durch den Briefwechsel mit Peiresc und Dupuy, deren
archäologisches Wissen vorzugsweise in der Hermeneutik zu glänzen suchte. Doch
scheint erst die Arbeit an der Galerie für den Luxemburgpalast, welche die
Königin-Mutter von Frankreich, Maria von Medicis, bei ihm 1621 oder 1622
bestellte, das Interesse für allegorische Darstellungen in ihm völlig erweckt zu
haben, und einen nicht geringe" Einfluß übte dann seine diplomatische Thätig¬
keit aus die Entwicklung seines Geschmacks an einer derartigen Symbolik. Durch
seine diplomatischen und politischen Briefe zieht sich die Sehnsucht nach dem
Frieden wie ein goldner Faden hindurch, und mehr als einmal spricht er seinen
Abscheu gegen den Krieg mit den stärksten Worten aus. In der Wiederherstellung
des Friedens sieht er den Gipfel seiner Thätigkeit, und als es ihm endlich 1630
gelang, nach mühevollen Unterhandlungen in Madrid und London alle Schwierig¬
keiten zu beseitigen, so daß dem Abschluß des Friedens nichts mehr im Wege
stand, malte er ein Bild, welches in reicher Symbolik die Segnungen des Friedens
darstellte, und machte es dem Könige Karl I. von Euglnud zum Geschenk. Es
befindet sich jetzt in der Londoner National-Galerie.

Für die allegorisch-historischen Bilder des großen Cyclus sür den Lnxem-
burgpalast in Paris, der das Leben der Maria von Medicis schildern sollte,


Gin neuer Rubens in der königlichen Gemäldegalerie in Berlin.

in Vallieella in Rom während der Jahre 1607—1608 gemalt hatte. Das Bild
war dort nicht zur Aufstellung gelangt, weil es auf dem betreffenden Altar wegen
der schlechten Beleuchtung nicht zur Geltung kam. Rubens ersetzte es durch ein
andres, mehr decorativ auf Stein gemaltes und nahm das erste Exemplar mit
in die Heimat, wo er es später in die Se. Michaelisabtei weihte, in welcher
seine Mutter begraben lag^ In unsern: Jahrhundert wurde es von den Franzosen
entführt, und Napoleon schenkte es dem Museum von Grenoble, in welchem es
sich noch heute befindet.

Für uns ist dieses Bild hier insofern wichtig, als man bei der Beurtheilung
von Rubens' Jngcndbildern oder doch derjenigen Bilder, welche in die erste Zeit
seiner Thätigkeit im Vaterlande fallen, von dem Gemälde in Grenoble, als einem
mit Sicherheit datirten, wird ausgehen müssen.

Als Rubens nach Antwerpen zurückkehrte, war dort die Neigung für sinn¬
volle Allegorieen und emblematische Darstellungen schon allgemein verbreitet.
Otto van Been, Rubens ehemaliger Lehrmeister, erging sich mit Vorliebe, in
solchen Allegorieen, an deren Deutung Gelehrte und Ungelehrte ihre Freude hatten.
In Rubens selbst aber schäumte die jugendliche Schöpferkraft so gewaltig, daß
er an der sinnlichen Verkörperung von Begriffen und an dem Spiel mit einer
spitzfindigen Symbolik noch kein Vergnügen fand. Dasselbe stellte sich erst sehr
allmälig ein, genährt durch den Umgang mit Gevaerts und dem Drucker Bal-
thasar Morctns und durch den Briefwechsel mit Peiresc und Dupuy, deren
archäologisches Wissen vorzugsweise in der Hermeneutik zu glänzen suchte. Doch
scheint erst die Arbeit an der Galerie für den Luxemburgpalast, welche die
Königin-Mutter von Frankreich, Maria von Medicis, bei ihm 1621 oder 1622
bestellte, das Interesse für allegorische Darstellungen in ihm völlig erweckt zu
haben, und einen nicht geringe» Einfluß übte dann seine diplomatische Thätig¬
keit aus die Entwicklung seines Geschmacks an einer derartigen Symbolik. Durch
seine diplomatischen und politischen Briefe zieht sich die Sehnsucht nach dem
Frieden wie ein goldner Faden hindurch, und mehr als einmal spricht er seinen
Abscheu gegen den Krieg mit den stärksten Worten aus. In der Wiederherstellung
des Friedens sieht er den Gipfel seiner Thätigkeit, und als es ihm endlich 1630
gelang, nach mühevollen Unterhandlungen in Madrid und London alle Schwierig¬
keiten zu beseitigen, so daß dem Abschluß des Friedens nichts mehr im Wege
stand, malte er ein Bild, welches in reicher Symbolik die Segnungen des Friedens
darstellte, und machte es dem Könige Karl I. von Euglnud zum Geschenk. Es
befindet sich jetzt in der Londoner National-Galerie.

Für die allegorisch-historischen Bilder des großen Cyclus sür den Lnxem-
burgpalast in Paris, der das Leben der Maria von Medicis schildern sollte,


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[0184] Gin neuer Rubens in der königlichen Gemäldegalerie in Berlin. in Vallieella in Rom während der Jahre 1607—1608 gemalt hatte. Das Bild war dort nicht zur Aufstellung gelangt, weil es auf dem betreffenden Altar wegen der schlechten Beleuchtung nicht zur Geltung kam. Rubens ersetzte es durch ein andres, mehr decorativ auf Stein gemaltes und nahm das erste Exemplar mit in die Heimat, wo er es später in die Se. Michaelisabtei weihte, in welcher seine Mutter begraben lag^ In unsern: Jahrhundert wurde es von den Franzosen entführt, und Napoleon schenkte es dem Museum von Grenoble, in welchem es sich noch heute befindet. Für uns ist dieses Bild hier insofern wichtig, als man bei der Beurtheilung von Rubens' Jngcndbildern oder doch derjenigen Bilder, welche in die erste Zeit seiner Thätigkeit im Vaterlande fallen, von dem Gemälde in Grenoble, als einem mit Sicherheit datirten, wird ausgehen müssen. Als Rubens nach Antwerpen zurückkehrte, war dort die Neigung für sinn¬ volle Allegorieen und emblematische Darstellungen schon allgemein verbreitet. Otto van Been, Rubens ehemaliger Lehrmeister, erging sich mit Vorliebe, in solchen Allegorieen, an deren Deutung Gelehrte und Ungelehrte ihre Freude hatten. In Rubens selbst aber schäumte die jugendliche Schöpferkraft so gewaltig, daß er an der sinnlichen Verkörperung von Begriffen und an dem Spiel mit einer spitzfindigen Symbolik noch kein Vergnügen fand. Dasselbe stellte sich erst sehr allmälig ein, genährt durch den Umgang mit Gevaerts und dem Drucker Bal- thasar Morctns und durch den Briefwechsel mit Peiresc und Dupuy, deren archäologisches Wissen vorzugsweise in der Hermeneutik zu glänzen suchte. Doch scheint erst die Arbeit an der Galerie für den Luxemburgpalast, welche die Königin-Mutter von Frankreich, Maria von Medicis, bei ihm 1621 oder 1622 bestellte, das Interesse für allegorische Darstellungen in ihm völlig erweckt zu haben, und einen nicht geringe» Einfluß übte dann seine diplomatische Thätig¬ keit aus die Entwicklung seines Geschmacks an einer derartigen Symbolik. Durch seine diplomatischen und politischen Briefe zieht sich die Sehnsucht nach dem Frieden wie ein goldner Faden hindurch, und mehr als einmal spricht er seinen Abscheu gegen den Krieg mit den stärksten Worten aus. In der Wiederherstellung des Friedens sieht er den Gipfel seiner Thätigkeit, und als es ihm endlich 1630 gelang, nach mühevollen Unterhandlungen in Madrid und London alle Schwierig¬ keiten zu beseitigen, so daß dem Abschluß des Friedens nichts mehr im Wege stand, malte er ein Bild, welches in reicher Symbolik die Segnungen des Friedens darstellte, und machte es dem Könige Karl I. von Euglnud zum Geschenk. Es befindet sich jetzt in der Londoner National-Galerie. Für die allegorisch-historischen Bilder des großen Cyclus sür den Lnxem- burgpalast in Paris, der das Leben der Maria von Medicis schildern sollte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/184>, abgerufen am 23.07.2024.