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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Mcix Maria von Weber.

Weberschen Familiengruft auf dem katholischen Friedhofe zu Friedrichstadt-Dresden
von vielen Wanderzügen rastet. Aber da es, wie der Volksmund in schlichter
Gottergebung sagt "nicht hat sein sollen," wollen wir uns darum den gewissen
Eindruck jener Stunde nicht verkümmern und uns erinnern, daß es, wenn nicht
immer ein glückliches doch ein großes, reichbewegtes, reichthütiges und nicht
fruchtloses Leben war, welches der Sohn des berühmten Carl Maria von Weber
geführt und nun beschlossen hat.

Max Maria von Weber war am 25. April 1822 zu Dresden, nicht ganz
ein Jahr nach dem Triumphe, den seines Vaters "Freischütz" in Berlin gefeiert,
geboren und auf deu Namen des Titelhelden dieser volksthümlichsten deutschen
Oper getauft. Er verlor in früher Kindheit den geistvollen Vater, doch erinnerte
er sich seiner aus bestimmten Momenten seiner Kinderjahre, bei denen ihm die
Erinnerungen andrer nicht zu Hilfe kamen. In seinem "Ausflug nach Nordafrika"
berichtet er: "Wenn mir Wilhelmine Schröder-Devrient von meines Vaters Taet-
stock und dein unheimlichen Glühen seiner Brille erzählte, da stand ich wieder
als Knabe neben dem Souffleurkasten des Hoftheaters zu Dresden, wohin ich
oft während der Proben zur "Eurhanthe" gehoben wurde, neben mir saß wieder
des Vaters großer Jagdhund, der mit mir zuweilen gleiche Vergünstigung genoß
und vor mir bewegte sich die glanzlose Probescenerie. -- Dann sah ich wieder
Ludwig Tieck, das gewaltige Antlitz ernst gefaltet, seinen Platz in der Gitter-
lvge einnehmen. -- Und dann gingen die beiden Meister zusammen heim, der
Musiker, kleiner Gestalt, wankenden Schritts, im grauen Ueberrock, mich an der
Hand führend, der große Dichter, von der Gicht schon gebeugt, im dunkeln langen
Sürtout, und oft standen sie still und sahen sich im Gespräch an und des einen
Brillengläser blitzten in der Mittagssonne, wahrend des andern große, dunkle
Allgen in den: Schatten seines breitkrämpigen Hutes glühten." -- Wenig über
ein Jahr nach dieser zum Jahre 1825 zurückreichenden Erinnerung traf Max
der Verlust seines Baders. Während C. M. von Weber im fernen London den
letzten Hauch seines Lebens und seiner Kraft an die Gewinnung eines kleinen
Vermögens für seine geliebte Familie setzte, weilte seine Gattin Caroline geb. Brandt
(einst die gefeierte Soubrette der Prager Opernbühne) mit ihren beiden Knaben
in dem Wiuzerhänscheu zu Hvsterwitz, wo sie manchen glücklichen Sommer mit
dem Gemahl verlebt. Dorthin flog die schmerzliche Botschaft vom Tode des Meisters
und von dorther stammte auch eine der frühesten Erinnerungen Webers. Frau von
Weber, schon von den schlimmsten Befürchtungen um den kranken fernen Gatten
gequält, sieht eine Freundin aus Dresden plötzlich im Dorfe ankommen und zu
Webers Freund, dem Kammermusikus Noth, anstatt zu ihr eilen. "Die schreck¬
lichste Ahnung faßt sie, sie fliegt mehr, als sie geht nach jenem Hanse -


Mcix Maria von Weber.

Weberschen Familiengruft auf dem katholischen Friedhofe zu Friedrichstadt-Dresden
von vielen Wanderzügen rastet. Aber da es, wie der Volksmund in schlichter
Gottergebung sagt „nicht hat sein sollen," wollen wir uns darum den gewissen
Eindruck jener Stunde nicht verkümmern und uns erinnern, daß es, wenn nicht
immer ein glückliches doch ein großes, reichbewegtes, reichthütiges und nicht
fruchtloses Leben war, welches der Sohn des berühmten Carl Maria von Weber
geführt und nun beschlossen hat.

Max Maria von Weber war am 25. April 1822 zu Dresden, nicht ganz
ein Jahr nach dem Triumphe, den seines Vaters „Freischütz" in Berlin gefeiert,
geboren und auf deu Namen des Titelhelden dieser volksthümlichsten deutschen
Oper getauft. Er verlor in früher Kindheit den geistvollen Vater, doch erinnerte
er sich seiner aus bestimmten Momenten seiner Kinderjahre, bei denen ihm die
Erinnerungen andrer nicht zu Hilfe kamen. In seinem „Ausflug nach Nordafrika"
berichtet er: „Wenn mir Wilhelmine Schröder-Devrient von meines Vaters Taet-
stock und dein unheimlichen Glühen seiner Brille erzählte, da stand ich wieder
als Knabe neben dem Souffleurkasten des Hoftheaters zu Dresden, wohin ich
oft während der Proben zur „Eurhanthe" gehoben wurde, neben mir saß wieder
des Vaters großer Jagdhund, der mit mir zuweilen gleiche Vergünstigung genoß
und vor mir bewegte sich die glanzlose Probescenerie. — Dann sah ich wieder
Ludwig Tieck, das gewaltige Antlitz ernst gefaltet, seinen Platz in der Gitter-
lvge einnehmen. — Und dann gingen die beiden Meister zusammen heim, der
Musiker, kleiner Gestalt, wankenden Schritts, im grauen Ueberrock, mich an der
Hand führend, der große Dichter, von der Gicht schon gebeugt, im dunkeln langen
Sürtout, und oft standen sie still und sahen sich im Gespräch an und des einen
Brillengläser blitzten in der Mittagssonne, wahrend des andern große, dunkle
Allgen in den: Schatten seines breitkrämpigen Hutes glühten." — Wenig über
ein Jahr nach dieser zum Jahre 1825 zurückreichenden Erinnerung traf Max
der Verlust seines Baders. Während C. M. von Weber im fernen London den
letzten Hauch seines Lebens und seiner Kraft an die Gewinnung eines kleinen
Vermögens für seine geliebte Familie setzte, weilte seine Gattin Caroline geb. Brandt
(einst die gefeierte Soubrette der Prager Opernbühne) mit ihren beiden Knaben
in dem Wiuzerhänscheu zu Hvsterwitz, wo sie manchen glücklichen Sommer mit
dem Gemahl verlebt. Dorthin flog die schmerzliche Botschaft vom Tode des Meisters
und von dorther stammte auch eine der frühesten Erinnerungen Webers. Frau von
Weber, schon von den schlimmsten Befürchtungen um den kranken fernen Gatten
gequält, sieht eine Freundin aus Dresden plötzlich im Dorfe ankommen und zu
Webers Freund, dem Kammermusikus Noth, anstatt zu ihr eilen. „Die schreck¬
lichste Ahnung faßt sie, sie fliegt mehr, als sie geht nach jenem Hanse -


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[0175] Mcix Maria von Weber. Weberschen Familiengruft auf dem katholischen Friedhofe zu Friedrichstadt-Dresden von vielen Wanderzügen rastet. Aber da es, wie der Volksmund in schlichter Gottergebung sagt „nicht hat sein sollen," wollen wir uns darum den gewissen Eindruck jener Stunde nicht verkümmern und uns erinnern, daß es, wenn nicht immer ein glückliches doch ein großes, reichbewegtes, reichthütiges und nicht fruchtloses Leben war, welches der Sohn des berühmten Carl Maria von Weber geführt und nun beschlossen hat. Max Maria von Weber war am 25. April 1822 zu Dresden, nicht ganz ein Jahr nach dem Triumphe, den seines Vaters „Freischütz" in Berlin gefeiert, geboren und auf deu Namen des Titelhelden dieser volksthümlichsten deutschen Oper getauft. Er verlor in früher Kindheit den geistvollen Vater, doch erinnerte er sich seiner aus bestimmten Momenten seiner Kinderjahre, bei denen ihm die Erinnerungen andrer nicht zu Hilfe kamen. In seinem „Ausflug nach Nordafrika" berichtet er: „Wenn mir Wilhelmine Schröder-Devrient von meines Vaters Taet- stock und dein unheimlichen Glühen seiner Brille erzählte, da stand ich wieder als Knabe neben dem Souffleurkasten des Hoftheaters zu Dresden, wohin ich oft während der Proben zur „Eurhanthe" gehoben wurde, neben mir saß wieder des Vaters großer Jagdhund, der mit mir zuweilen gleiche Vergünstigung genoß und vor mir bewegte sich die glanzlose Probescenerie. — Dann sah ich wieder Ludwig Tieck, das gewaltige Antlitz ernst gefaltet, seinen Platz in der Gitter- lvge einnehmen. — Und dann gingen die beiden Meister zusammen heim, der Musiker, kleiner Gestalt, wankenden Schritts, im grauen Ueberrock, mich an der Hand führend, der große Dichter, von der Gicht schon gebeugt, im dunkeln langen Sürtout, und oft standen sie still und sahen sich im Gespräch an und des einen Brillengläser blitzten in der Mittagssonne, wahrend des andern große, dunkle Allgen in den: Schatten seines breitkrämpigen Hutes glühten." — Wenig über ein Jahr nach dieser zum Jahre 1825 zurückreichenden Erinnerung traf Max der Verlust seines Baders. Während C. M. von Weber im fernen London den letzten Hauch seines Lebens und seiner Kraft an die Gewinnung eines kleinen Vermögens für seine geliebte Familie setzte, weilte seine Gattin Caroline geb. Brandt (einst die gefeierte Soubrette der Prager Opernbühne) mit ihren beiden Knaben in dem Wiuzerhänscheu zu Hvsterwitz, wo sie manchen glücklichen Sommer mit dem Gemahl verlebt. Dorthin flog die schmerzliche Botschaft vom Tode des Meisters und von dorther stammte auch eine der frühesten Erinnerungen Webers. Frau von Weber, schon von den schlimmsten Befürchtungen um den kranken fernen Gatten gequält, sieht eine Freundin aus Dresden plötzlich im Dorfe ankommen und zu Webers Freund, dem Kammermusikus Noth, anstatt zu ihr eilen. „Die schreck¬ lichste Ahnung faßt sie, sie fliegt mehr, als sie geht nach jenem Hanse -

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/175>, abgerufen am 01.10.2024.