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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Aus den Denkwürdigkeiten Jakob Lstiennes.

so fanden sie, wie man allgemein glaubt, Mittel, sich seiner zu entledigen. Der
Herzog von Dort, sein Bruder, ein übertriebner Papist, sehr gehorsamer Sohn
der Societät, schien ihnen besser zu ihren verderblichen Anschlägen geeignet. Er
folgte also seinem Bruder in der Regierung unter dem Namen Jakob II., ob¬
gleich er sich zu den Papisten bekannt hatte. Die Engländer zeigten hierdurch,
daß die Reformation einen Fürsten nicht hindert, die Krone zu tragen, wenngleich
seine Religion derjenigen des Staats entgegen ist. Dieser bigotte Fürst war also
seit langer Zeit in dem Interesse Frankreichs und in seinen Gesinnungen für
die Sache des Bekehrers, und also ein sehr geeignetes Werkzeug zu dem großen
Werke unsrer Zerstörung. -- Die andre Begebenheit, welche er zu seinem Vor¬
haben günstig glaubte, war der Tod des Kurfürsten von der Pfalz Karl, eines
guten protestantischen Fürsten, dessen Nachsolger, der Herzog von Neuburg, ein
eifriger Papist war. Jetzt hatte Frankreich keine Gnade mehr mit seinen armen
protestantischen Unterthanen.

Das Edict von Nantes und alle übrigen zu ihren Gunsten erlassne wurden
durch ein Edict des Königs im Monat Oetober widerrufen. Der zornige Eifer
und der Geist des Betrugs derjenigen, die es dictirten, compromittirten auf eine
schimpfliche Weise die Ehre und das Wort des Königs. Denn nachdem er alle
seine Edicte widerrufen, die Zerstörung der noch stehenden Kirchen befohlen und
die Prediger, welche nicht Papisten werden wollten, bei Lebensstrafe des Landes
verwiesen hatte, -- jedoch mußten sie ihre Kinder unter sieben Jahren und alle
ihre Güter zurücklassen, -- so versprach er allen andern Reformirten, welche
in Ruhe zurückblieben, daß man sie auf keine Art wegen ihrer Religion beun¬
ruhigen würde, wenn sie nur keine öffentlichen Versammlungen anstellten.

Während man ihnen dieses Versprechen machte, überhäufte man sie mit außer¬
ordentlichen Bequartierungen von Soldaten, welche Befehl hatten, bei ihnen flott
zu leben und sie auf alle Weise zu quälen, bis sie eine Abschwörung ihrer Reli¬
gion unterzeichnet hätten. Wie viele hat man nicht mit Gewalt gegen die Ueber¬
zeugung ihrer Seele zum Communiciren gezwungen, und ließ sie also eine Ent¬
Heiligung begehen!

Die Männer, welche Festigkeit genug hatten, die Geduld dieser Henker zu
ermüden, wurden in die untersten Kerker auf die Galeeren oder nach Amerika
und ihre Frauen in die Klöster gebracht. Es ist wahr, daß diese barbarischen
und unmenschlichen Maßregeln, durchaus eines christlichen Fürsten unwürdig,
von dem größten Theile der vernünftigen Katholiken mißbilligt wurden, und daß
sie darüber seufzten. Aber die Jesuiten, welche sie billigten, waren darüber auf
dem Gipfel ihrer Freude.

Die Nachrichten der Widerrufung kamen Sonnabend den 2V. Oetober in


Aus den Denkwürdigkeiten Jakob Lstiennes.

so fanden sie, wie man allgemein glaubt, Mittel, sich seiner zu entledigen. Der
Herzog von Dort, sein Bruder, ein übertriebner Papist, sehr gehorsamer Sohn
der Societät, schien ihnen besser zu ihren verderblichen Anschlägen geeignet. Er
folgte also seinem Bruder in der Regierung unter dem Namen Jakob II., ob¬
gleich er sich zu den Papisten bekannt hatte. Die Engländer zeigten hierdurch,
daß die Reformation einen Fürsten nicht hindert, die Krone zu tragen, wenngleich
seine Religion derjenigen des Staats entgegen ist. Dieser bigotte Fürst war also
seit langer Zeit in dem Interesse Frankreichs und in seinen Gesinnungen für
die Sache des Bekehrers, und also ein sehr geeignetes Werkzeug zu dem großen
Werke unsrer Zerstörung. — Die andre Begebenheit, welche er zu seinem Vor¬
haben günstig glaubte, war der Tod des Kurfürsten von der Pfalz Karl, eines
guten protestantischen Fürsten, dessen Nachsolger, der Herzog von Neuburg, ein
eifriger Papist war. Jetzt hatte Frankreich keine Gnade mehr mit seinen armen
protestantischen Unterthanen.

Das Edict von Nantes und alle übrigen zu ihren Gunsten erlassne wurden
durch ein Edict des Königs im Monat Oetober widerrufen. Der zornige Eifer
und der Geist des Betrugs derjenigen, die es dictirten, compromittirten auf eine
schimpfliche Weise die Ehre und das Wort des Königs. Denn nachdem er alle
seine Edicte widerrufen, die Zerstörung der noch stehenden Kirchen befohlen und
die Prediger, welche nicht Papisten werden wollten, bei Lebensstrafe des Landes
verwiesen hatte, — jedoch mußten sie ihre Kinder unter sieben Jahren und alle
ihre Güter zurücklassen, — so versprach er allen andern Reformirten, welche
in Ruhe zurückblieben, daß man sie auf keine Art wegen ihrer Religion beun¬
ruhigen würde, wenn sie nur keine öffentlichen Versammlungen anstellten.

Während man ihnen dieses Versprechen machte, überhäufte man sie mit außer¬
ordentlichen Bequartierungen von Soldaten, welche Befehl hatten, bei ihnen flott
zu leben und sie auf alle Weise zu quälen, bis sie eine Abschwörung ihrer Reli¬
gion unterzeichnet hätten. Wie viele hat man nicht mit Gewalt gegen die Ueber¬
zeugung ihrer Seele zum Communiciren gezwungen, und ließ sie also eine Ent¬
Heiligung begehen!

Die Männer, welche Festigkeit genug hatten, die Geduld dieser Henker zu
ermüden, wurden in die untersten Kerker auf die Galeeren oder nach Amerika
und ihre Frauen in die Klöster gebracht. Es ist wahr, daß diese barbarischen
und unmenschlichen Maßregeln, durchaus eines christlichen Fürsten unwürdig,
von dem größten Theile der vernünftigen Katholiken mißbilligt wurden, und daß
sie darüber seufzten. Aber die Jesuiten, welche sie billigten, waren darüber auf
dem Gipfel ihrer Freude.

Die Nachrichten der Widerrufung kamen Sonnabend den 2V. Oetober in


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[0142] Aus den Denkwürdigkeiten Jakob Lstiennes. so fanden sie, wie man allgemein glaubt, Mittel, sich seiner zu entledigen. Der Herzog von Dort, sein Bruder, ein übertriebner Papist, sehr gehorsamer Sohn der Societät, schien ihnen besser zu ihren verderblichen Anschlägen geeignet. Er folgte also seinem Bruder in der Regierung unter dem Namen Jakob II., ob¬ gleich er sich zu den Papisten bekannt hatte. Die Engländer zeigten hierdurch, daß die Reformation einen Fürsten nicht hindert, die Krone zu tragen, wenngleich seine Religion derjenigen des Staats entgegen ist. Dieser bigotte Fürst war also seit langer Zeit in dem Interesse Frankreichs und in seinen Gesinnungen für die Sache des Bekehrers, und also ein sehr geeignetes Werkzeug zu dem großen Werke unsrer Zerstörung. — Die andre Begebenheit, welche er zu seinem Vor¬ haben günstig glaubte, war der Tod des Kurfürsten von der Pfalz Karl, eines guten protestantischen Fürsten, dessen Nachsolger, der Herzog von Neuburg, ein eifriger Papist war. Jetzt hatte Frankreich keine Gnade mehr mit seinen armen protestantischen Unterthanen. Das Edict von Nantes und alle übrigen zu ihren Gunsten erlassne wurden durch ein Edict des Königs im Monat Oetober widerrufen. Der zornige Eifer und der Geist des Betrugs derjenigen, die es dictirten, compromittirten auf eine schimpfliche Weise die Ehre und das Wort des Königs. Denn nachdem er alle seine Edicte widerrufen, die Zerstörung der noch stehenden Kirchen befohlen und die Prediger, welche nicht Papisten werden wollten, bei Lebensstrafe des Landes verwiesen hatte, — jedoch mußten sie ihre Kinder unter sieben Jahren und alle ihre Güter zurücklassen, — so versprach er allen andern Reformirten, welche in Ruhe zurückblieben, daß man sie auf keine Art wegen ihrer Religion beun¬ ruhigen würde, wenn sie nur keine öffentlichen Versammlungen anstellten. Während man ihnen dieses Versprechen machte, überhäufte man sie mit außer¬ ordentlichen Bequartierungen von Soldaten, welche Befehl hatten, bei ihnen flott zu leben und sie auf alle Weise zu quälen, bis sie eine Abschwörung ihrer Reli¬ gion unterzeichnet hätten. Wie viele hat man nicht mit Gewalt gegen die Ueber¬ zeugung ihrer Seele zum Communiciren gezwungen, und ließ sie also eine Ent¬ Heiligung begehen! Die Männer, welche Festigkeit genug hatten, die Geduld dieser Henker zu ermüden, wurden in die untersten Kerker auf die Galeeren oder nach Amerika und ihre Frauen in die Klöster gebracht. Es ist wahr, daß diese barbarischen und unmenschlichen Maßregeln, durchaus eines christlichen Fürsten unwürdig, von dem größten Theile der vernünftigen Katholiken mißbilligt wurden, und daß sie darüber seufzten. Aber die Jesuiten, welche sie billigten, waren darüber auf dem Gipfel ihrer Freude. Die Nachrichten der Widerrufung kamen Sonnabend den 2V. Oetober in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/142>, abgerufen am 23.07.2024.