Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.Neue Dramen, Situationen, daß sie selbst aus einer mittelmäßigen conventionellen Darstellung Einen oft gewählten, nie mit sonderlichen Glück gestalteten und dennoch Der spätern deutschen Geschichte gehört das Trauerspiel "Dietmar von Neue Dramen, Situationen, daß sie selbst aus einer mittelmäßigen conventionellen Darstellung Einen oft gewählten, nie mit sonderlichen Glück gestalteten und dennoch Der spätern deutschen Geschichte gehört das Trauerspiel „Dietmar von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0136" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149708"/> <fw type="header" place="top"> Neue Dramen,</fw><lb/> <p xml:id="ID_455" prev="#ID_454"> Situationen, daß sie selbst aus einer mittelmäßigen conventionellen Darstellung<lb/> heraus ergreifend zu wirken vermöchten. In der Stoffwahl begegnen wir buntester<lb/> Mannichfaltigkeit. Aus der germanischen Geschichte des frühesten Mittelalters<lb/> sind die Tragödien „König Roderich" von C. G. Ritter (Verlag von C> G.<lb/> Naumann in Leipzig) und „Die Tochter Theodorichs", Trauerspiel in fünf<lb/> Aufzügen von Carl Caro (Wien, Verlag von L. Rosner) geschöpft. Die letztre,<lb/> eine dunkle Episode der Ostgothengeschichte gestaltend, schließt sich in ihrem Auf¬<lb/> bau und ihrem Stil der giltigen Jambentragödie an, enthält einzelne energische<lb/> und interessante Scenen und wäre jedenfalls um der Gestalt der Amalasunth<lb/> willen des Versuchs einer Vorführung werth. Die erstre behandelt den Unter¬<lb/> gang des letzten Westgothenkönigs und den vielbenutzten Verrath des Grafen<lb/> Julian. Das Motiv der Handlung ist hier insofern neu, als König Roderich<lb/> als phantastisch willkürlicher Phantasiekönig dargestellt wird, der unfähig ist, seine<lb/> persönlichen Launen und Neigungen zum Besten des Staates und Volkes, das<lb/> er lenkt, zu beschränken. Was uns an den Figuren und dem Verlauf der Hand¬<lb/> lung interessiren kann, wird durch die sprachliche Form freilich wieder in Frage<lb/> gestellt. Der Verfasser will mit den fünffüßigen Jamben auf unsrer Bühne<lb/> brechen. Er hat seine Gründe hierfür in einer eignen Schrift, „Theorie des<lb/> deutschen Trauerspiels" entwickelt und manches beherzigenswerthe gesagt. Aber<lb/> freilich, „König Roderich" überzeugt nicht, es ist eine seltsame Unruhe, Sprnng-<lb/> haftigkeit und Willkürlichkeit im Ausdruck dieser Tagödie, welche deu Gewinn<lb/> bewegterer und mannichfaltigerer Form zunächst als sehr zweifelhaft erscheinen läßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_456"> Einen oft gewählten, nie mit sonderlichen Glück gestalteten und dennoch<lb/> immer wieder anziehenden Stoff behandelt Hans Herrig in seinem Trauerspiel<lb/> „Konradin" (Berlin, Fr. Luckhardt). Die dramatische Erfindung und der Auf¬<lb/> bau lassen hier manches zu wünschen übrig, aber es ist poetische Stimmung in<lb/> dem Ganzen, deren Werth wir nicht gering anschlagen wollen. Der Dichter hat<lb/> sich bei reicher Phantasie und lyrischer Begabung vor jener lyrischen Fülle zu<lb/> hüten, die dem Drama einen Reiz nimmt, statt ihm einen solchen zu geben, die<lb/> Empfindungen des Schmerzes und der Liebe sind selten so wortreich, wie in dem<lb/> Abschied zwischen Maria und Konradin im zweiten Act.</p><lb/> <p xml:id="ID_457" next="#ID_458"> Der spätern deutschen Geschichte gehört das Trauerspiel „Dietmar von<lb/> Lewen" von Max Lündner (Vühnenmanuseript) an. Was in andern neuern<lb/> Tragödien des Guten zu wenig gethan ist, erscheint hier zu viel gethan. Ein<lb/> Rache- und Ehrgeizmotiv^ mit welchem Dietmar von Lewen, der Kanzler des<lb/> Herzogs Bogislaw von Pommern, von Verbrechen zu Verbrechen schreitet, um<lb/> am Ende seinen Fürsten, dessen Haus und sich selbst zu verderben, entbehrt nicht<lb/> einer gewissen Kraft und Einfachheit. Aber die Fäden, an denen Dietmar von</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0136]
Neue Dramen,
Situationen, daß sie selbst aus einer mittelmäßigen conventionellen Darstellung
heraus ergreifend zu wirken vermöchten. In der Stoffwahl begegnen wir buntester
Mannichfaltigkeit. Aus der germanischen Geschichte des frühesten Mittelalters
sind die Tragödien „König Roderich" von C. G. Ritter (Verlag von C> G.
Naumann in Leipzig) und „Die Tochter Theodorichs", Trauerspiel in fünf
Aufzügen von Carl Caro (Wien, Verlag von L. Rosner) geschöpft. Die letztre,
eine dunkle Episode der Ostgothengeschichte gestaltend, schließt sich in ihrem Auf¬
bau und ihrem Stil der giltigen Jambentragödie an, enthält einzelne energische
und interessante Scenen und wäre jedenfalls um der Gestalt der Amalasunth
willen des Versuchs einer Vorführung werth. Die erstre behandelt den Unter¬
gang des letzten Westgothenkönigs und den vielbenutzten Verrath des Grafen
Julian. Das Motiv der Handlung ist hier insofern neu, als König Roderich
als phantastisch willkürlicher Phantasiekönig dargestellt wird, der unfähig ist, seine
persönlichen Launen und Neigungen zum Besten des Staates und Volkes, das
er lenkt, zu beschränken. Was uns an den Figuren und dem Verlauf der Hand¬
lung interessiren kann, wird durch die sprachliche Form freilich wieder in Frage
gestellt. Der Verfasser will mit den fünffüßigen Jamben auf unsrer Bühne
brechen. Er hat seine Gründe hierfür in einer eignen Schrift, „Theorie des
deutschen Trauerspiels" entwickelt und manches beherzigenswerthe gesagt. Aber
freilich, „König Roderich" überzeugt nicht, es ist eine seltsame Unruhe, Sprnng-
haftigkeit und Willkürlichkeit im Ausdruck dieser Tagödie, welche deu Gewinn
bewegterer und mannichfaltigerer Form zunächst als sehr zweifelhaft erscheinen läßt.
Einen oft gewählten, nie mit sonderlichen Glück gestalteten und dennoch
immer wieder anziehenden Stoff behandelt Hans Herrig in seinem Trauerspiel
„Konradin" (Berlin, Fr. Luckhardt). Die dramatische Erfindung und der Auf¬
bau lassen hier manches zu wünschen übrig, aber es ist poetische Stimmung in
dem Ganzen, deren Werth wir nicht gering anschlagen wollen. Der Dichter hat
sich bei reicher Phantasie und lyrischer Begabung vor jener lyrischen Fülle zu
hüten, die dem Drama einen Reiz nimmt, statt ihm einen solchen zu geben, die
Empfindungen des Schmerzes und der Liebe sind selten so wortreich, wie in dem
Abschied zwischen Maria und Konradin im zweiten Act.
Der spätern deutschen Geschichte gehört das Trauerspiel „Dietmar von
Lewen" von Max Lündner (Vühnenmanuseript) an. Was in andern neuern
Tragödien des Guten zu wenig gethan ist, erscheint hier zu viel gethan. Ein
Rache- und Ehrgeizmotiv^ mit welchem Dietmar von Lewen, der Kanzler des
Herzogs Bogislaw von Pommern, von Verbrechen zu Verbrechen schreitet, um
am Ende seinen Fürsten, dessen Haus und sich selbst zu verderben, entbehrt nicht
einer gewissen Kraft und Einfachheit. Aber die Fäden, an denen Dietmar von
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