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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Aus den Denkwürdigkeiten Zakob Lstienncs.

Dies war die einzige Frucht unsres Feldzuges, denn, nachdem wir unsre
Laufgräben wieder gefüllt hatten, ließen wir hier eine Besatzung und kehrten im
November nach Messina zurück, wo wir den Befehl vorfanden, daß 15 Schiffe
zum Zwecke der Entwaffnung nach Frankreich zurückzuschicken seien. Denn der
Rückzug der Holländer aus diesen Meeren nöthigte nicht mehr dazu so große
Streitkräfte zu unterhalten.

Unser Schiff, welches zu dieser Zahl gehörte, segelte mit den übrigen ab.
Ich war nicht betrübt darüber, denn ich fing an dieses Lebens müde zu werden,
obgleich es mir angenehmer denn je erging. Denn meine Gesundheit war sehr
gut und die kleine Commission, so ich über Lebensmittel hatte, verschaffte mir
deren hinlänglich und die kleine Erlaubniß, welche mir dies gab, in der Proviant-
kannner zu schlafen, schützte mich vor einer gewissen Art Ungeziefer, der man
auf Schiffen ausgesetzt ist.

Unsere Fahrt verlies ziemlich glücklich bis wir auf die Höhe von Corsika
gelangten, wo uns ein fürchterlicher Sturm überfiel, begleitet von Blitz und
Donner, so daß wir Feuer und Wasser zu fürchten hatten. Alle unsre Schiffe
wurden zerstreut. Die Annäherung der Nacht, einige Nochschüsse unsrer in Ge¬
fahr feierten Schiffe vergrößerten den Schrecken, Aber jeder hatte genug mit
sich selbst zu thun. Die Dunkelheit verhinderte uns nicht, das Kap Korsika zu
entdecken, welches von Klippen umgeben war und gegen welches der Wind uns mit
äußerster Gewalt hintrieb. Dn unser Capitän sah, daß es unmöglich war, von
der Küste wegzukommen, ohne unterzugehen und daß es kein anderes Heil für
uns gebe, als wenn wir das Vorgebirge umsegelten, so ließ er einen Theil der
Segel einziehen und hielt sich immer nahe beim Steuermann, um ihn zu er-
muthigen, auf seinem Posten fest zu stehen.

Wir kamen so nahe an diesen Klippen vorüber, daß das Meer, welches sich
gegen sie brach, mit fürchterlichem Geräusch auf unser Schiff zurückfiel. Nach
unerhörter Anstrengung und mit Hilfe der Vorsehung entgingen wir endlich der
Gefahr, während eines unsrer Schiffe wenige Augenblicke nachher zu Grnnde
ging. Der Schrecken ließ uns endlich wieder zu uns kommen und jeder faßte
neuen Muth.

Ich blieb während dieses Tumults ruhig an dem Orte, wo ich schlief, und
befahl mich dem lieben Gott, Die andern, so unten bei mir waren, stiegen im
Hemde in die Höhe, indem sie glaubten, sich besser retten zu können Ich fand
es nicht klug, ihrem Beispiele zu folgen, denn ich dachte, daß wenn das Schiff
an: Sinken sei, ich in dem Verhältnisse, wie das Wasser unten eindringe, immer
höher steigen und mich leichter retten könne, als wenn ich mich in der Menge
befände.


Aus den Denkwürdigkeiten Zakob Lstienncs.

Dies war die einzige Frucht unsres Feldzuges, denn, nachdem wir unsre
Laufgräben wieder gefüllt hatten, ließen wir hier eine Besatzung und kehrten im
November nach Messina zurück, wo wir den Befehl vorfanden, daß 15 Schiffe
zum Zwecke der Entwaffnung nach Frankreich zurückzuschicken seien. Denn der
Rückzug der Holländer aus diesen Meeren nöthigte nicht mehr dazu so große
Streitkräfte zu unterhalten.

Unser Schiff, welches zu dieser Zahl gehörte, segelte mit den übrigen ab.
Ich war nicht betrübt darüber, denn ich fing an dieses Lebens müde zu werden,
obgleich es mir angenehmer denn je erging. Denn meine Gesundheit war sehr
gut und die kleine Commission, so ich über Lebensmittel hatte, verschaffte mir
deren hinlänglich und die kleine Erlaubniß, welche mir dies gab, in der Proviant-
kannner zu schlafen, schützte mich vor einer gewissen Art Ungeziefer, der man
auf Schiffen ausgesetzt ist.

Unsere Fahrt verlies ziemlich glücklich bis wir auf die Höhe von Corsika
gelangten, wo uns ein fürchterlicher Sturm überfiel, begleitet von Blitz und
Donner, so daß wir Feuer und Wasser zu fürchten hatten. Alle unsre Schiffe
wurden zerstreut. Die Annäherung der Nacht, einige Nochschüsse unsrer in Ge¬
fahr feierten Schiffe vergrößerten den Schrecken, Aber jeder hatte genug mit
sich selbst zu thun. Die Dunkelheit verhinderte uns nicht, das Kap Korsika zu
entdecken, welches von Klippen umgeben war und gegen welches der Wind uns mit
äußerster Gewalt hintrieb. Dn unser Capitän sah, daß es unmöglich war, von
der Küste wegzukommen, ohne unterzugehen und daß es kein anderes Heil für
uns gebe, als wenn wir das Vorgebirge umsegelten, so ließ er einen Theil der
Segel einziehen und hielt sich immer nahe beim Steuermann, um ihn zu er-
muthigen, auf seinem Posten fest zu stehen.

Wir kamen so nahe an diesen Klippen vorüber, daß das Meer, welches sich
gegen sie brach, mit fürchterlichem Geräusch auf unser Schiff zurückfiel. Nach
unerhörter Anstrengung und mit Hilfe der Vorsehung entgingen wir endlich der
Gefahr, während eines unsrer Schiffe wenige Augenblicke nachher zu Grnnde
ging. Der Schrecken ließ uns endlich wieder zu uns kommen und jeder faßte
neuen Muth.

Ich blieb während dieses Tumults ruhig an dem Orte, wo ich schlief, und
befahl mich dem lieben Gott, Die andern, so unten bei mir waren, stiegen im
Hemde in die Höhe, indem sie glaubten, sich besser retten zu können Ich fand
es nicht klug, ihrem Beispiele zu folgen, denn ich dachte, daß wenn das Schiff
an: Sinken sei, ich in dem Verhältnisse, wie das Wasser unten eindringe, immer
höher steigen und mich leichter retten könne, als wenn ich mich in der Menge
befände.


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[0131] Aus den Denkwürdigkeiten Zakob Lstienncs. Dies war die einzige Frucht unsres Feldzuges, denn, nachdem wir unsre Laufgräben wieder gefüllt hatten, ließen wir hier eine Besatzung und kehrten im November nach Messina zurück, wo wir den Befehl vorfanden, daß 15 Schiffe zum Zwecke der Entwaffnung nach Frankreich zurückzuschicken seien. Denn der Rückzug der Holländer aus diesen Meeren nöthigte nicht mehr dazu so große Streitkräfte zu unterhalten. Unser Schiff, welches zu dieser Zahl gehörte, segelte mit den übrigen ab. Ich war nicht betrübt darüber, denn ich fing an dieses Lebens müde zu werden, obgleich es mir angenehmer denn je erging. Denn meine Gesundheit war sehr gut und die kleine Commission, so ich über Lebensmittel hatte, verschaffte mir deren hinlänglich und die kleine Erlaubniß, welche mir dies gab, in der Proviant- kannner zu schlafen, schützte mich vor einer gewissen Art Ungeziefer, der man auf Schiffen ausgesetzt ist. Unsere Fahrt verlies ziemlich glücklich bis wir auf die Höhe von Corsika gelangten, wo uns ein fürchterlicher Sturm überfiel, begleitet von Blitz und Donner, so daß wir Feuer und Wasser zu fürchten hatten. Alle unsre Schiffe wurden zerstreut. Die Annäherung der Nacht, einige Nochschüsse unsrer in Ge¬ fahr feierten Schiffe vergrößerten den Schrecken, Aber jeder hatte genug mit sich selbst zu thun. Die Dunkelheit verhinderte uns nicht, das Kap Korsika zu entdecken, welches von Klippen umgeben war und gegen welches der Wind uns mit äußerster Gewalt hintrieb. Dn unser Capitän sah, daß es unmöglich war, von der Küste wegzukommen, ohne unterzugehen und daß es kein anderes Heil für uns gebe, als wenn wir das Vorgebirge umsegelten, so ließ er einen Theil der Segel einziehen und hielt sich immer nahe beim Steuermann, um ihn zu er- muthigen, auf seinem Posten fest zu stehen. Wir kamen so nahe an diesen Klippen vorüber, daß das Meer, welches sich gegen sie brach, mit fürchterlichem Geräusch auf unser Schiff zurückfiel. Nach unerhörter Anstrengung und mit Hilfe der Vorsehung entgingen wir endlich der Gefahr, während eines unsrer Schiffe wenige Augenblicke nachher zu Grnnde ging. Der Schrecken ließ uns endlich wieder zu uns kommen und jeder faßte neuen Muth. Ich blieb während dieses Tumults ruhig an dem Orte, wo ich schlief, und befahl mich dem lieben Gott, Die andern, so unten bei mir waren, stiegen im Hemde in die Höhe, indem sie glaubten, sich besser retten zu können Ich fand es nicht klug, ihrem Beispiele zu folgen, denn ich dachte, daß wenn das Schiff an: Sinken sei, ich in dem Verhältnisse, wie das Wasser unten eindringe, immer höher steigen und mich leichter retten könne, als wenn ich mich in der Menge befände.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/131>, abgerufen am 23.07.2024.