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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Aus den Denkwürdigkeiten Jakob Lftiennes.

ersteren ganz nahe folgte und im Vergleich zu ihm nur eine Schaluppe zu sein
schien, es am Hintertheile enterte und augenblicklich in Flamme setzte. Die Mann¬
schaft dieses großen Schiffes, 700 an der Zahl, strengte während einer Stunde
alle Kräfte an, diesen Brand zu lösche". Dennoch mußte sie unterliegen.

Da das Feuer die Pulverkammer ergriffen hatte, so sahen wir das Schiff
auffliegen. Es war ein trauriges Schauspiel, den Rauch und die Flammen zu
sehen, dabei Balken und Bretter, Fässer und Koffer mit Kleidungsstücken und
Menschen in die Luft gehoben und durch einander ins Meer zurückfallend, welches
davon ganz schwarz wurde.

Wir sahen dieses Schauspiel noch acht bis zehnmal um uns herum. Es
ist gewiß, daß die Feinde bei dieser Gelegenheit 3--4000 Mann verloren und
wir ungefähr 200. Die Bestürzung war so groß auf ihrer Flotte und sogar
in der Stadt, daß das Volk haufenweis hinauslief, um der Gefahr zu entfliehe".
Obgleich wir in dem halben Bereiche ihrer Kanonen vor Anker lagen, so ließen
sie uns dennoch den ganzen übrigen Theil des Tages und die Nacht in Ruhe.
Den andern Tag nahm du Quesne mit den Linienschiffen den Weg "ach Frank¬
reich zurück, de Vivonne ging mit den Galeeren nach Messina.

Wir langten nachher bald bei den Hysrischen-Jnseln an, nicht weit entfernt
von Toulon. Es war uns befohlen, daselbst und sogar auf den Schiffen zu
bleiben und keinen Fuß ans Land zu setzen, um desto geschwinder die Schiffe zu
verproviantiren und schleunigst nach Sizilien zurückzukehren. Zu diesem Zwecke
brachte man uns alles, was wir nöthig hatten, in Ueberfluß, ja man errichtete
sogar auf jedem Schiffe eine Art von Messe, wohin sich mehrere Kaufleute mit
.allen Arten von Waaren begaben, damit die Schiffe sich ihre verschiednen Be¬
dürfnisse anschaffen konnten."

Als die Auszahlung des rückständigen Soldes erfolgte, machte Estienne die
üble Erfahrung, daß er wegen des Vorschusses, den er erhalten hatte, nur noch
eine Kleinigkeit beanspruchen konnte. Er war um so übler daran, als sein An¬
zug ganz zerrissen war und es ihm an der nothwendigsten Wüsche fehlte. Da
aber Estienne gute Freunde besaß und besonders sein Capitän ihm günstig ge¬
sinnt war, so wurde ihm in Anbetracht dessen, daß er sich als Geschichtschreiber
um die Flotte Wohl verdient gemacht habe, der Sold eines desertirten Soldaten
als Geschenk bewilligt. Der Zahlmeister mochte wohl auf jene Summe sich
selbst Hoffnung gemacht haben und verweigerte anfänglich die Auszahlung. Als
ihm aber gemessener Befehl zuging, war er so unwillig, daß er das Geld ihm
zuwarf und zwar aus Versehen einen Thaler mehr, als der Sold betragen
sollte.

Estienne erkannte den Irrthum erst später. Im Augenblicke half ihm wohl


Aus den Denkwürdigkeiten Jakob Lftiennes.

ersteren ganz nahe folgte und im Vergleich zu ihm nur eine Schaluppe zu sein
schien, es am Hintertheile enterte und augenblicklich in Flamme setzte. Die Mann¬
schaft dieses großen Schiffes, 700 an der Zahl, strengte während einer Stunde
alle Kräfte an, diesen Brand zu lösche». Dennoch mußte sie unterliegen.

Da das Feuer die Pulverkammer ergriffen hatte, so sahen wir das Schiff
auffliegen. Es war ein trauriges Schauspiel, den Rauch und die Flammen zu
sehen, dabei Balken und Bretter, Fässer und Koffer mit Kleidungsstücken und
Menschen in die Luft gehoben und durch einander ins Meer zurückfallend, welches
davon ganz schwarz wurde.

Wir sahen dieses Schauspiel noch acht bis zehnmal um uns herum. Es
ist gewiß, daß die Feinde bei dieser Gelegenheit 3—4000 Mann verloren und
wir ungefähr 200. Die Bestürzung war so groß auf ihrer Flotte und sogar
in der Stadt, daß das Volk haufenweis hinauslief, um der Gefahr zu entfliehe».
Obgleich wir in dem halben Bereiche ihrer Kanonen vor Anker lagen, so ließen
sie uns dennoch den ganzen übrigen Theil des Tages und die Nacht in Ruhe.
Den andern Tag nahm du Quesne mit den Linienschiffen den Weg »ach Frank¬
reich zurück, de Vivonne ging mit den Galeeren nach Messina.

Wir langten nachher bald bei den Hysrischen-Jnseln an, nicht weit entfernt
von Toulon. Es war uns befohlen, daselbst und sogar auf den Schiffen zu
bleiben und keinen Fuß ans Land zu setzen, um desto geschwinder die Schiffe zu
verproviantiren und schleunigst nach Sizilien zurückzukehren. Zu diesem Zwecke
brachte man uns alles, was wir nöthig hatten, in Ueberfluß, ja man errichtete
sogar auf jedem Schiffe eine Art von Messe, wohin sich mehrere Kaufleute mit
.allen Arten von Waaren begaben, damit die Schiffe sich ihre verschiednen Be¬
dürfnisse anschaffen konnten."

Als die Auszahlung des rückständigen Soldes erfolgte, machte Estienne die
üble Erfahrung, daß er wegen des Vorschusses, den er erhalten hatte, nur noch
eine Kleinigkeit beanspruchen konnte. Er war um so übler daran, als sein An¬
zug ganz zerrissen war und es ihm an der nothwendigsten Wüsche fehlte. Da
aber Estienne gute Freunde besaß und besonders sein Capitän ihm günstig ge¬
sinnt war, so wurde ihm in Anbetracht dessen, daß er sich als Geschichtschreiber
um die Flotte Wohl verdient gemacht habe, der Sold eines desertirten Soldaten
als Geschenk bewilligt. Der Zahlmeister mochte wohl auf jene Summe sich
selbst Hoffnung gemacht haben und verweigerte anfänglich die Auszahlung. Als
ihm aber gemessener Befehl zuging, war er so unwillig, daß er das Geld ihm
zuwarf und zwar aus Versehen einen Thaler mehr, als der Sold betragen
sollte.

Estienne erkannte den Irrthum erst später. Im Augenblicke half ihm wohl


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[0128] Aus den Denkwürdigkeiten Jakob Lftiennes. ersteren ganz nahe folgte und im Vergleich zu ihm nur eine Schaluppe zu sein schien, es am Hintertheile enterte und augenblicklich in Flamme setzte. Die Mann¬ schaft dieses großen Schiffes, 700 an der Zahl, strengte während einer Stunde alle Kräfte an, diesen Brand zu lösche». Dennoch mußte sie unterliegen. Da das Feuer die Pulverkammer ergriffen hatte, so sahen wir das Schiff auffliegen. Es war ein trauriges Schauspiel, den Rauch und die Flammen zu sehen, dabei Balken und Bretter, Fässer und Koffer mit Kleidungsstücken und Menschen in die Luft gehoben und durch einander ins Meer zurückfallend, welches davon ganz schwarz wurde. Wir sahen dieses Schauspiel noch acht bis zehnmal um uns herum. Es ist gewiß, daß die Feinde bei dieser Gelegenheit 3—4000 Mann verloren und wir ungefähr 200. Die Bestürzung war so groß auf ihrer Flotte und sogar in der Stadt, daß das Volk haufenweis hinauslief, um der Gefahr zu entfliehe». Obgleich wir in dem halben Bereiche ihrer Kanonen vor Anker lagen, so ließen sie uns dennoch den ganzen übrigen Theil des Tages und die Nacht in Ruhe. Den andern Tag nahm du Quesne mit den Linienschiffen den Weg »ach Frank¬ reich zurück, de Vivonne ging mit den Galeeren nach Messina. Wir langten nachher bald bei den Hysrischen-Jnseln an, nicht weit entfernt von Toulon. Es war uns befohlen, daselbst und sogar auf den Schiffen zu bleiben und keinen Fuß ans Land zu setzen, um desto geschwinder die Schiffe zu verproviantiren und schleunigst nach Sizilien zurückzukehren. Zu diesem Zwecke brachte man uns alles, was wir nöthig hatten, in Ueberfluß, ja man errichtete sogar auf jedem Schiffe eine Art von Messe, wohin sich mehrere Kaufleute mit .allen Arten von Waaren begaben, damit die Schiffe sich ihre verschiednen Be¬ dürfnisse anschaffen konnten." Als die Auszahlung des rückständigen Soldes erfolgte, machte Estienne die üble Erfahrung, daß er wegen des Vorschusses, den er erhalten hatte, nur noch eine Kleinigkeit beanspruchen konnte. Er war um so übler daran, als sein An¬ zug ganz zerrissen war und es ihm an der nothwendigsten Wüsche fehlte. Da aber Estienne gute Freunde besaß und besonders sein Capitän ihm günstig ge¬ sinnt war, so wurde ihm in Anbetracht dessen, daß er sich als Geschichtschreiber um die Flotte Wohl verdient gemacht habe, der Sold eines desertirten Soldaten als Geschenk bewilligt. Der Zahlmeister mochte wohl auf jene Summe sich selbst Hoffnung gemacht haben und verweigerte anfänglich die Auszahlung. Als ihm aber gemessener Befehl zuging, war er so unwillig, daß er das Geld ihm zuwarf und zwar aus Versehen einen Thaler mehr, als der Sold betragen sollte. Estienne erkannte den Irrthum erst später. Im Augenblicke half ihm wohl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/128>, abgerufen am 23.07.2024.