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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Aus den Denkwürdigkeiten Jakob Lstiennes.

mürrischen Meister unzufrieden wurde, und in ihm der Gedanke erwachte, sich
in der Welt ein wenig umzusehen, gab ihm sein gefangner Freund Empfehlungs¬
schreiben an Frauen angesehener Offiziere, damit er auf einem Kriegsschiffe Auf¬
nahme finden und die Expedition nach Sicilien mitmachen könne. In der That
glückte es Esticnne auf diese Empfehlungen hin, bei der königlichen Flotte in
Toulon angeworben zu werden und eine angenehme Stellung auf einem Schiffe
zu erhalten, Hören wir ihn weiter, "Der Schiffscapitän, Herr de la Mothe, empfing
mich sehr artig und schickte mich an Bord, indem er mich seinem Lieutenant, Chevalier
de Digoine, empfahl, welcher für die Bewaffnung Sorge trug. Auch er nahm
mich sehr freundschaftlich auf, und als er sah, daß ich den Dienst und die Hand¬
habung der Waffen verstand, so gebrauchte er mich sogleich dazu, 25 bis 30 Re¬
kruten, welche mein Capitän zu Valence in der Dauphin" geworben hatte, darin
zu unterrichten. Dies gab mir Gelegenheit, meine Geduld zu üben. Jedoch um
mich diese Anstrengung vergnügter ertragen zu lassen, gab er mir Sergeanten-
Löhnung, welches mir einen kleinen Ruhm verschaffte, worauf sich meine Eitel¬
keit nicht wenig zu gute that. Ich hätte mich auf diesem Fuße halten können,
wenn ich mehr Lebensart und Erfahrung gehabt hätte, denn ich war in sehr
gute Hände gerathen. Mein Capitän war der angenehmste und beste Einäugige (?),
den ich in meinem Leben gekannt habe, und sein Lieutenant ein sehr kluger und
im Seewesen sehr geschickter Edelmann. Da unsere aus acht schönen Schiffen und
drei Brandern bestehende Escadre bereit war in See zu gehen, so begab sich
unser Capitän an Bord des Schiffes "der Ungestüme," von 46 Kanonen und
250 Mann. Kurz nachher kam auch ein Marinekommissär, um Revue zu halten
und uns mit erhobener Rechten den Eid ablegen zu lassen, dem Könige gut und
treu zu dienen, welches von der Mannschaft mit einem dreifachen "Es lebe der
König" beendigt wurde. Nachdem sich Herr d'Almeras, Chef der Escadre, und
bestimmt dieselbe zu befehligen, gegen Ende Mai 1675 an Bord seines Schiffes
begeben hatte, ließ er daselbst seine Flagge aufhissen, welches durch jedes Schiff
mit 13 Kanonenschüssen begrüßt wurde, die er einem jeden mit 11 erwiederte.
Bald nachher wurde der Schuß zur Abfahrt gegeben, wir verließen das Gestade
von Toulon und nahmen unsern Cours nach Messina."

Die Fahrt verlief ohne ein bemerkenswerthes Ereigniß. "Endlich kamen
wir zu Messina nach zehn- bis zwölftägigcr Fahrt an und salutirten die Flaggen
der Schiffe und Galeeren. Nachdem unser Gruß erwiedert worden war, fuhren
wir in den Hafen, welcher schön und geräumig genug ist, 100 Schiffe zu bergen.
Der Eingang ist sehr eng und von der einen Seite durch das Schloß Se.
Salvador, von der andern durch das Castell der Kgl. Pforte gesperrt. Wir
fanden hier die Escadre des Chevaliers de Valbelle von neun Schiffen und


Aus den Denkwürdigkeiten Jakob Lstiennes.

mürrischen Meister unzufrieden wurde, und in ihm der Gedanke erwachte, sich
in der Welt ein wenig umzusehen, gab ihm sein gefangner Freund Empfehlungs¬
schreiben an Frauen angesehener Offiziere, damit er auf einem Kriegsschiffe Auf¬
nahme finden und die Expedition nach Sicilien mitmachen könne. In der That
glückte es Esticnne auf diese Empfehlungen hin, bei der königlichen Flotte in
Toulon angeworben zu werden und eine angenehme Stellung auf einem Schiffe
zu erhalten, Hören wir ihn weiter, „Der Schiffscapitän, Herr de la Mothe, empfing
mich sehr artig und schickte mich an Bord, indem er mich seinem Lieutenant, Chevalier
de Digoine, empfahl, welcher für die Bewaffnung Sorge trug. Auch er nahm
mich sehr freundschaftlich auf, und als er sah, daß ich den Dienst und die Hand¬
habung der Waffen verstand, so gebrauchte er mich sogleich dazu, 25 bis 30 Re¬
kruten, welche mein Capitän zu Valence in der Dauphin» geworben hatte, darin
zu unterrichten. Dies gab mir Gelegenheit, meine Geduld zu üben. Jedoch um
mich diese Anstrengung vergnügter ertragen zu lassen, gab er mir Sergeanten-
Löhnung, welches mir einen kleinen Ruhm verschaffte, worauf sich meine Eitel¬
keit nicht wenig zu gute that. Ich hätte mich auf diesem Fuße halten können,
wenn ich mehr Lebensart und Erfahrung gehabt hätte, denn ich war in sehr
gute Hände gerathen. Mein Capitän war der angenehmste und beste Einäugige (?),
den ich in meinem Leben gekannt habe, und sein Lieutenant ein sehr kluger und
im Seewesen sehr geschickter Edelmann. Da unsere aus acht schönen Schiffen und
drei Brandern bestehende Escadre bereit war in See zu gehen, so begab sich
unser Capitän an Bord des Schiffes „der Ungestüme," von 46 Kanonen und
250 Mann. Kurz nachher kam auch ein Marinekommissär, um Revue zu halten
und uns mit erhobener Rechten den Eid ablegen zu lassen, dem Könige gut und
treu zu dienen, welches von der Mannschaft mit einem dreifachen „Es lebe der
König" beendigt wurde. Nachdem sich Herr d'Almeras, Chef der Escadre, und
bestimmt dieselbe zu befehligen, gegen Ende Mai 1675 an Bord seines Schiffes
begeben hatte, ließ er daselbst seine Flagge aufhissen, welches durch jedes Schiff
mit 13 Kanonenschüssen begrüßt wurde, die er einem jeden mit 11 erwiederte.
Bald nachher wurde der Schuß zur Abfahrt gegeben, wir verließen das Gestade
von Toulon und nahmen unsern Cours nach Messina."

Die Fahrt verlief ohne ein bemerkenswerthes Ereigniß. „Endlich kamen
wir zu Messina nach zehn- bis zwölftägigcr Fahrt an und salutirten die Flaggen
der Schiffe und Galeeren. Nachdem unser Gruß erwiedert worden war, fuhren
wir in den Hafen, welcher schön und geräumig genug ist, 100 Schiffe zu bergen.
Der Eingang ist sehr eng und von der einen Seite durch das Schloß Se.
Salvador, von der andern durch das Castell der Kgl. Pforte gesperrt. Wir
fanden hier die Escadre des Chevaliers de Valbelle von neun Schiffen und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/120>, abgerufen am 23.07.2024.