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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Schlionmmis Ilios.

laut herüberkam, Schliemann habe die Gesainmtergebnisse seiner trojanischen Aus¬
grabungen dem deutschen Volke zum Geschenk gemacht, wurde diese Kunde mit
gerechtem Zweifel aufgenommen. Hatte sich doch Schliemann, seit er berühmt
zu werden anfing, herzlich wenig um Deutschland gekümmert. Hatte er doch stets
seinen Schwerpunkt in England gesucht und gefunden, wo seine phantasievollen
Doctrinen schnell eine gläubige Gemeinde fanden, wo die "Times" ihm bereit¬
willigst ihre Spalten öffnete, wo selbst nüchterne Staatsmänner auf eine Weile
die Verdrießlichkeiten der Orientpvlitik vergaßen, um in der Erinnerung an Achill
und Hektor zu schwelgen. Aber die Schenkung ist wirklich zur Thatsache geworden.
Der Kaiser hat die Schenkung im Namen des deutschen Reiches angenommen
und dem Geber in schlichten Worten gedankt. Er hat ferner angeordnet, daß
die trojanische Sammlung Schliemanns ihre definitive Aufstellung in dem im
Bau begriffnen Museum für Ethnologie finden soll. In der Erläuterung, welche
die kaiserliche Verordnung im "Reichsanzeiger" begleitet, ist auf die hohe wissen¬
schaftliche Bedeutung und den Werth dieser Schenkung in Ausdrücken hingewiesen
worden, welche hoffentlich die nähere wissenschaftliche Untersuchung der,,trojanische"
Alterthümer" rechtfertigen wird, Deun zunächst ruhen dieselben noch in Kisten ver¬
packt, da Schliemann sich ihre Aufstellung und Ordnung selbst vorbehalten hat.
Bis zum Mai, wo dieselbe erfolgen soll, wird man also mit einem auf Autopsie
gegründeten Urtheil zurückhalten müssen.

Indessen wird es schon jetzt nicht ohne Nutzen sein, das literarische Material,
welches von den zunächst betheiligten zur Beurtheilung der Frage beigebracht
worden ist, zu prüfen. Diese Aufgabe ist uns insofern leicht gemacht, als das¬
selbe sich in einem fast 900 Seiten umfassenden Bande vereinigt findet, welchen
Schliemann unter dem Titel "Ilios, Stadt und Land der Trojaner. For¬
schungen und Entdeckungen in der Troas und besonders auf der Baustelle von
Troja" herausgegeben hat (Leipzig, Brockhaus, 1881). Als Schliemann im Jahre
1874 eine Sammlung von Briefen, die er unter dem unmittelbaren, berauschenden
Eindrucke seiner Entdeckungen geschrieben, in die Welt sandte, war es leicht, diese
unreifen, dilettantischen Declamationen in ihrer ganzen Verworrenheit und Nichtig¬
keit bloßzulegen. Damals stand Schliemann ganz allein. Das Rüstzeug seiner
Gelehrsamkeit war höchst lückenhaft, und er stolperte bei jedem Schutt über seine
eignen Füße, Inzwischen aber hat er es verstanden, dnrch seine uuenuüdliche
Betriebsamkeit, durch sein großes Geschick, den Specmlinteressen von Gelehrten
aller Fächer zu schmeicheln, durch seinen liebenswürdigen Enthusiasmus, dem sich
auch der Widerstrebende gefangen giebt, eine ganze Cohorte von Männern der
Wissenschaft um sich zu versammeln, die zu seinem neuen Buche Beiträge geliefert
haben und demselben -- anf den ersten Blick -- den Charakter einer internationalen


Schlionmmis Ilios.

laut herüberkam, Schliemann habe die Gesainmtergebnisse seiner trojanischen Aus¬
grabungen dem deutschen Volke zum Geschenk gemacht, wurde diese Kunde mit
gerechtem Zweifel aufgenommen. Hatte sich doch Schliemann, seit er berühmt
zu werden anfing, herzlich wenig um Deutschland gekümmert. Hatte er doch stets
seinen Schwerpunkt in England gesucht und gefunden, wo seine phantasievollen
Doctrinen schnell eine gläubige Gemeinde fanden, wo die „Times" ihm bereit¬
willigst ihre Spalten öffnete, wo selbst nüchterne Staatsmänner auf eine Weile
die Verdrießlichkeiten der Orientpvlitik vergaßen, um in der Erinnerung an Achill
und Hektor zu schwelgen. Aber die Schenkung ist wirklich zur Thatsache geworden.
Der Kaiser hat die Schenkung im Namen des deutschen Reiches angenommen
und dem Geber in schlichten Worten gedankt. Er hat ferner angeordnet, daß
die trojanische Sammlung Schliemanns ihre definitive Aufstellung in dem im
Bau begriffnen Museum für Ethnologie finden soll. In der Erläuterung, welche
die kaiserliche Verordnung im „Reichsanzeiger" begleitet, ist auf die hohe wissen¬
schaftliche Bedeutung und den Werth dieser Schenkung in Ausdrücken hingewiesen
worden, welche hoffentlich die nähere wissenschaftliche Untersuchung der,,trojanische»
Alterthümer" rechtfertigen wird, Deun zunächst ruhen dieselben noch in Kisten ver¬
packt, da Schliemann sich ihre Aufstellung und Ordnung selbst vorbehalten hat.
Bis zum Mai, wo dieselbe erfolgen soll, wird man also mit einem auf Autopsie
gegründeten Urtheil zurückhalten müssen.

Indessen wird es schon jetzt nicht ohne Nutzen sein, das literarische Material,
welches von den zunächst betheiligten zur Beurtheilung der Frage beigebracht
worden ist, zu prüfen. Diese Aufgabe ist uns insofern leicht gemacht, als das¬
selbe sich in einem fast 900 Seiten umfassenden Bande vereinigt findet, welchen
Schliemann unter dem Titel „Ilios, Stadt und Land der Trojaner. For¬
schungen und Entdeckungen in der Troas und besonders auf der Baustelle von
Troja" herausgegeben hat (Leipzig, Brockhaus, 1881). Als Schliemann im Jahre
1874 eine Sammlung von Briefen, die er unter dem unmittelbaren, berauschenden
Eindrucke seiner Entdeckungen geschrieben, in die Welt sandte, war es leicht, diese
unreifen, dilettantischen Declamationen in ihrer ganzen Verworrenheit und Nichtig¬
keit bloßzulegen. Damals stand Schliemann ganz allein. Das Rüstzeug seiner
Gelehrsamkeit war höchst lückenhaft, und er stolperte bei jedem Schutt über seine
eignen Füße, Inzwischen aber hat er es verstanden, dnrch seine uuenuüdliche
Betriebsamkeit, durch sein großes Geschick, den Specmlinteressen von Gelehrten
aller Fächer zu schmeicheln, durch seinen liebenswürdigen Enthusiasmus, dem sich
auch der Widerstrebende gefangen giebt, eine ganze Cohorte von Männern der
Wissenschaft um sich zu versammeln, die zu seinem neuen Buche Beiträge geliefert
haben und demselben — anf den ersten Blick — den Charakter einer internationalen


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[0525] Schlionmmis Ilios. laut herüberkam, Schliemann habe die Gesainmtergebnisse seiner trojanischen Aus¬ grabungen dem deutschen Volke zum Geschenk gemacht, wurde diese Kunde mit gerechtem Zweifel aufgenommen. Hatte sich doch Schliemann, seit er berühmt zu werden anfing, herzlich wenig um Deutschland gekümmert. Hatte er doch stets seinen Schwerpunkt in England gesucht und gefunden, wo seine phantasievollen Doctrinen schnell eine gläubige Gemeinde fanden, wo die „Times" ihm bereit¬ willigst ihre Spalten öffnete, wo selbst nüchterne Staatsmänner auf eine Weile die Verdrießlichkeiten der Orientpvlitik vergaßen, um in der Erinnerung an Achill und Hektor zu schwelgen. Aber die Schenkung ist wirklich zur Thatsache geworden. Der Kaiser hat die Schenkung im Namen des deutschen Reiches angenommen und dem Geber in schlichten Worten gedankt. Er hat ferner angeordnet, daß die trojanische Sammlung Schliemanns ihre definitive Aufstellung in dem im Bau begriffnen Museum für Ethnologie finden soll. In der Erläuterung, welche die kaiserliche Verordnung im „Reichsanzeiger" begleitet, ist auf die hohe wissen¬ schaftliche Bedeutung und den Werth dieser Schenkung in Ausdrücken hingewiesen worden, welche hoffentlich die nähere wissenschaftliche Untersuchung der,,trojanische» Alterthümer" rechtfertigen wird, Deun zunächst ruhen dieselben noch in Kisten ver¬ packt, da Schliemann sich ihre Aufstellung und Ordnung selbst vorbehalten hat. Bis zum Mai, wo dieselbe erfolgen soll, wird man also mit einem auf Autopsie gegründeten Urtheil zurückhalten müssen. Indessen wird es schon jetzt nicht ohne Nutzen sein, das literarische Material, welches von den zunächst betheiligten zur Beurtheilung der Frage beigebracht worden ist, zu prüfen. Diese Aufgabe ist uns insofern leicht gemacht, als das¬ selbe sich in einem fast 900 Seiten umfassenden Bande vereinigt findet, welchen Schliemann unter dem Titel „Ilios, Stadt und Land der Trojaner. For¬ schungen und Entdeckungen in der Troas und besonders auf der Baustelle von Troja" herausgegeben hat (Leipzig, Brockhaus, 1881). Als Schliemann im Jahre 1874 eine Sammlung von Briefen, die er unter dem unmittelbaren, berauschenden Eindrucke seiner Entdeckungen geschrieben, in die Welt sandte, war es leicht, diese unreifen, dilettantischen Declamationen in ihrer ganzen Verworrenheit und Nichtig¬ keit bloßzulegen. Damals stand Schliemann ganz allein. Das Rüstzeug seiner Gelehrsamkeit war höchst lückenhaft, und er stolperte bei jedem Schutt über seine eignen Füße, Inzwischen aber hat er es verstanden, dnrch seine uuenuüdliche Betriebsamkeit, durch sein großes Geschick, den Specmlinteressen von Gelehrten aller Fächer zu schmeicheln, durch seinen liebenswürdigen Enthusiasmus, dem sich auch der Widerstrebende gefangen giebt, eine ganze Cohorte von Männern der Wissenschaft um sich zu versammeln, die zu seinem neuen Buche Beiträge geliefert haben und demselben — anf den ersten Blick — den Charakter einer internationalen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/525>, abgerufen am 27.12.2024.