Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.Altenglische Dramatiker. Shakespeares materiellem Glück noch nicht ganz klar ist, so bewies er doch wenig später Freilich darf man sich nun nicht vorstellen, wie es das Bedürfniß einzelner Altenglische Dramatiker. Shakespeares materiellem Glück noch nicht ganz klar ist, so bewies er doch wenig später Freilich darf man sich nun nicht vorstellen, wie es das Bedürfniß einzelner <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0519" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149503"/> <fw type="header" place="top"> Altenglische Dramatiker.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1450" prev="#ID_1449"> Shakespeares materiellem Glück noch nicht ganz klar ist, so bewies er doch wenig später<lb/> die Möglichkeit, much unter den Voraussetzungen seines verachteten Standes zu<lb/> gedeihen. Freilich fiel bei einer so raschen Entwicklung, wie es die des alt¬<lb/> englischen Theaters und Dramas war, ein Jahrzehnt gar sehr ins Gewicht. Die<lb/> Dichter der zweiten Generation fanden schon veränderte Verhältnisse, die Existenz<lb/> des Theaters galt, dem fanatischen Eifer der Puritaner zum Trotz, als gefestigt,<lb/> die Theilnahme der Aristokratie und gewisser bürgerlichen Kreise war gewachsen,<lb/> nach dem Tode der Königin Elisabeth, die sich immer spröde und schwankend<lb/> einer Nationalbühne gegenüber gezeigt hatte, welche den Anforderungen ihrer<lb/> classischen Bildung so wenig entsprach, gewann die hervorragendste Schauspieler¬<lb/> truppe ein wenigstens äußerliches Verhältniß zum Hofe, und mit der seit dem<lb/> Beginne des 17. Jahrhunderts ersichtlich zunehmenden Publication erfolgreicher<lb/> und hervorragender Dramen wurde unmerklich auch das Verhältniß der Schcm-<lb/> spicldichtung zur Literatur in günstiger Weise geändert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1451" next="#ID_1452"> Freilich darf man sich nun nicht vorstellen, wie es das Bedürfniß einzelner<lb/> Shakespcarcenthusiasten zu sein scheint, daß das englische Drama und seine Träger<lb/> in dem London König Jacobs etwa eine Stelle eingenommen hätten, wie das<lb/> attische Drama und seine großen Dichter in den Tagen des Perikles oder auch<lb/> uur das spanische in denen Calderons und Philipps IV. Die starre, unversöhnliche<lb/> Feindschaft der Puritaner milderte sich nicht, und die enthusiastischen Bewundrer<lb/> der dramatischen Dichtung wie der Bühne bewahrten doch eine gemischte Reserve<lb/> und mancherlei Vorurtheile der Respcctabilität gegenüber der Phantasie und der<lb/> Vretterwelt. Auch in der Zeit des höchsten Glanzes des altenglischen Theaters,<lb/> in dem Menschenalter zwischen Shakespeares Tod und der Aufhebung der Bühne<lb/> durch das siegreiche lange Parlament, blieb die äußere Stellung der dramatischen<lb/> Dichter mannichfach beengt und bedrückt, und nur too günstige, vom Talent und<lb/> vom poetischen Streben ganz unabhängige Momente hinzutraten, konnte einer<lb/> und der andre zu gesellschaftlichen Ansehen und Wohlstand gelangen. Soweit<lb/> sich die Lebensgeschichte der großen Zahl beliebter Dramatiker ausheilen läßt,<lb/> wird diese Thatsache überall bestätigt.' Sie konnte jedoch — die innere Nöthigung<lb/> des echten Talents und den dämonischen Zug, welcher den Menschen zur Aus¬<lb/> übung seiner eigensten Fähigkeit drängt und zwingt, noch bei Seite gesetzt —<lb/> kaum jemand abhalten, sich der dramatischen Dichtung als Beruf hinzugeben.<lb/> Wie viele Menschen dunklen Ursprungs und lediglich mit geistigen Vorzügen<lb/> begabt, gelangten denn in jenen Tagen überhaupt zu einer begünstigten Lebens-<lb/> Stellung? Selbst die Preise, die in der Theologie und der Rechtsgelehrsamkeit<lb/> dem Strebenden winkten, waren selten hoch, die gedrückte, bedrängte, leid- und<lb/> wechselvolle Existenz für die mittleren Schichten viel mehr als wir uns heute</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0519]
Altenglische Dramatiker.
Shakespeares materiellem Glück noch nicht ganz klar ist, so bewies er doch wenig später
die Möglichkeit, much unter den Voraussetzungen seines verachteten Standes zu
gedeihen. Freilich fiel bei einer so raschen Entwicklung, wie es die des alt¬
englischen Theaters und Dramas war, ein Jahrzehnt gar sehr ins Gewicht. Die
Dichter der zweiten Generation fanden schon veränderte Verhältnisse, die Existenz
des Theaters galt, dem fanatischen Eifer der Puritaner zum Trotz, als gefestigt,
die Theilnahme der Aristokratie und gewisser bürgerlichen Kreise war gewachsen,
nach dem Tode der Königin Elisabeth, die sich immer spröde und schwankend
einer Nationalbühne gegenüber gezeigt hatte, welche den Anforderungen ihrer
classischen Bildung so wenig entsprach, gewann die hervorragendste Schauspieler¬
truppe ein wenigstens äußerliches Verhältniß zum Hofe, und mit der seit dem
Beginne des 17. Jahrhunderts ersichtlich zunehmenden Publication erfolgreicher
und hervorragender Dramen wurde unmerklich auch das Verhältniß der Schcm-
spicldichtung zur Literatur in günstiger Weise geändert.
Freilich darf man sich nun nicht vorstellen, wie es das Bedürfniß einzelner
Shakespcarcenthusiasten zu sein scheint, daß das englische Drama und seine Träger
in dem London König Jacobs etwa eine Stelle eingenommen hätten, wie das
attische Drama und seine großen Dichter in den Tagen des Perikles oder auch
uur das spanische in denen Calderons und Philipps IV. Die starre, unversöhnliche
Feindschaft der Puritaner milderte sich nicht, und die enthusiastischen Bewundrer
der dramatischen Dichtung wie der Bühne bewahrten doch eine gemischte Reserve
und mancherlei Vorurtheile der Respcctabilität gegenüber der Phantasie und der
Vretterwelt. Auch in der Zeit des höchsten Glanzes des altenglischen Theaters,
in dem Menschenalter zwischen Shakespeares Tod und der Aufhebung der Bühne
durch das siegreiche lange Parlament, blieb die äußere Stellung der dramatischen
Dichter mannichfach beengt und bedrückt, und nur too günstige, vom Talent und
vom poetischen Streben ganz unabhängige Momente hinzutraten, konnte einer
und der andre zu gesellschaftlichen Ansehen und Wohlstand gelangen. Soweit
sich die Lebensgeschichte der großen Zahl beliebter Dramatiker ausheilen läßt,
wird diese Thatsache überall bestätigt.' Sie konnte jedoch — die innere Nöthigung
des echten Talents und den dämonischen Zug, welcher den Menschen zur Aus¬
übung seiner eigensten Fähigkeit drängt und zwingt, noch bei Seite gesetzt —
kaum jemand abhalten, sich der dramatischen Dichtung als Beruf hinzugeben.
Wie viele Menschen dunklen Ursprungs und lediglich mit geistigen Vorzügen
begabt, gelangten denn in jenen Tagen überhaupt zu einer begünstigten Lebens-
Stellung? Selbst die Preise, die in der Theologie und der Rechtsgelehrsamkeit
dem Strebenden winkten, waren selten hoch, die gedrückte, bedrängte, leid- und
wechselvolle Existenz für die mittleren Schichten viel mehr als wir uns heute
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