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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Aus den Lrinnenmgen eines dänischen Staatsmannes,

Wortes so höflich als möglich: Wir müßten sehen, ob die norwegische Freiheit
so vielen Succeß als ihre übrigen Werke haben würde; die andern Dänen wollten
doch eine Verfassung lieber von ihrem König als von dem Kronprinzen von
Schweden erhaltein Es scheint, daß Frau von StaÄ damals Agentin Berna-
dottes war, der noch immer verlangende Blicke nach dem französischen Throne
richtete. Bald nachher muß übrigens die unstäte, intrigante Frau in ihrem
Heroenkultus gewechselt haben, ES wurden Briefe an Murat aufgefangen, in
denen sie ihn mit Schmeicheleien überhäuft und als 1s Äernivr 8outieir as 1a
liberte on Luroxv preist.

Wenden Nur uns schließlich zu dem Bilde, das uns Rist vom bourbonischen
Hofe zeichnet. Es ist wenig günstig. Der König, klein, schwammig, mit gichtisch
geschwollnen Beinen, einem gerundeten Kopf mit herabhängenden Wangen, Ge-
sichtszügen, mit deren heiterm Ausdruck der kalte Blick der Augen contrastirte,
imponirte nieder noch konnte er anziehen, auch nicht durch die geistreiche, freund¬
liche Conversation, in der er Meister war. Seine Nichte vollends, die Herzogin
von Augonlömc, die Tochter Ludwigs XVI., mußte gradezu Antipathien er¬
wecken. Ihre traurige Jngend hatte sie bitter und hart gemacht. Der trockne,
herbe Ton ihrer Stimme, die starren Zuge, das bleierne Auge verwandelten das
Mitleid, das ihre Vergangenheit in Anspruch nahm, in Grauen. Ihr Gemahl
war eine winzige, alltägliche Gestalt, nüchtern von Ansehen, trivial und beweglich
in seineu Manieren, Semen Bruder, den Herzog von Berry, schildert Rist als
einen kurzen, dicken, rohen Gesellen von dem unedelsten Ausdruck und nennt ihn
einen gemeinen, rohen Wüstling. Der Vater beider Prinzen, Graf Artois, war
der Mittelpunkt der Kreise, die eine Restauration der Verhältnisse vor der Re¬
volution forderten. Seine äußere Erscheinung war noch nicht verfallen, wie die
seines Bruders, auch an sich angenehmer. Sein inneres Wesen entbehrte aber
des Gehalts.

Wir begreifen es, daß dieser so repräsentirte Thron kein festes Fundament
im Volke finden und fast ohne Schwertstreich bei der Rückkehr des Imperators
zufamiuenbrechen konnte. Damit endete auch die Mission Nists in Paris, und
er kehrte in die Heimat zurück.

Die Memoiren Rists sind im Zusammenhange nicht weiter geführt worden,
und dies mit gutem Grunde, Von 1816 bis 1834 lebte Rist in unfreiwilliger
Muße, die nur durch einzelne kommissarische Arbeiten unterbrochen wurde. Erst
1834 erhielt er eine feste Anstellung in der nen errichteten Schleswig-holsteinischen
Regierung, bei deren Umbildung 1846 er sein Amt niederlegte; 1847 starb er.

Sein frommer Sinn hat dankbar auf seine Lebensführungen zurückgeblickt,
in denen wir einen tragischen Zug nicht verkennen können. Fast alle diplomatischen


Aus den Lrinnenmgen eines dänischen Staatsmannes,

Wortes so höflich als möglich: Wir müßten sehen, ob die norwegische Freiheit
so vielen Succeß als ihre übrigen Werke haben würde; die andern Dänen wollten
doch eine Verfassung lieber von ihrem König als von dem Kronprinzen von
Schweden erhaltein Es scheint, daß Frau von StaÄ damals Agentin Berna-
dottes war, der noch immer verlangende Blicke nach dem französischen Throne
richtete. Bald nachher muß übrigens die unstäte, intrigante Frau in ihrem
Heroenkultus gewechselt haben, ES wurden Briefe an Murat aufgefangen, in
denen sie ihn mit Schmeicheleien überhäuft und als 1s Äernivr 8outieir as 1a
liberte on Luroxv preist.

Wenden Nur uns schließlich zu dem Bilde, das uns Rist vom bourbonischen
Hofe zeichnet. Es ist wenig günstig. Der König, klein, schwammig, mit gichtisch
geschwollnen Beinen, einem gerundeten Kopf mit herabhängenden Wangen, Ge-
sichtszügen, mit deren heiterm Ausdruck der kalte Blick der Augen contrastirte,
imponirte nieder noch konnte er anziehen, auch nicht durch die geistreiche, freund¬
liche Conversation, in der er Meister war. Seine Nichte vollends, die Herzogin
von Augonlömc, die Tochter Ludwigs XVI., mußte gradezu Antipathien er¬
wecken. Ihre traurige Jngend hatte sie bitter und hart gemacht. Der trockne,
herbe Ton ihrer Stimme, die starren Zuge, das bleierne Auge verwandelten das
Mitleid, das ihre Vergangenheit in Anspruch nahm, in Grauen. Ihr Gemahl
war eine winzige, alltägliche Gestalt, nüchtern von Ansehen, trivial und beweglich
in seineu Manieren, Semen Bruder, den Herzog von Berry, schildert Rist als
einen kurzen, dicken, rohen Gesellen von dem unedelsten Ausdruck und nennt ihn
einen gemeinen, rohen Wüstling. Der Vater beider Prinzen, Graf Artois, war
der Mittelpunkt der Kreise, die eine Restauration der Verhältnisse vor der Re¬
volution forderten. Seine äußere Erscheinung war noch nicht verfallen, wie die
seines Bruders, auch an sich angenehmer. Sein inneres Wesen entbehrte aber
des Gehalts.

Wir begreifen es, daß dieser so repräsentirte Thron kein festes Fundament
im Volke finden und fast ohne Schwertstreich bei der Rückkehr des Imperators
zufamiuenbrechen konnte. Damit endete auch die Mission Nists in Paris, und
er kehrte in die Heimat zurück.

Die Memoiren Rists sind im Zusammenhange nicht weiter geführt worden,
und dies mit gutem Grunde, Von 1816 bis 1834 lebte Rist in unfreiwilliger
Muße, die nur durch einzelne kommissarische Arbeiten unterbrochen wurde. Erst
1834 erhielt er eine feste Anstellung in der nen errichteten Schleswig-holsteinischen
Regierung, bei deren Umbildung 1846 er sein Amt niederlegte; 1847 starb er.

Sein frommer Sinn hat dankbar auf seine Lebensführungen zurückgeblickt,
in denen wir einen tragischen Zug nicht verkennen können. Fast alle diplomatischen


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[0479] Aus den Lrinnenmgen eines dänischen Staatsmannes, Wortes so höflich als möglich: Wir müßten sehen, ob die norwegische Freiheit so vielen Succeß als ihre übrigen Werke haben würde; die andern Dänen wollten doch eine Verfassung lieber von ihrem König als von dem Kronprinzen von Schweden erhaltein Es scheint, daß Frau von StaÄ damals Agentin Berna- dottes war, der noch immer verlangende Blicke nach dem französischen Throne richtete. Bald nachher muß übrigens die unstäte, intrigante Frau in ihrem Heroenkultus gewechselt haben, ES wurden Briefe an Murat aufgefangen, in denen sie ihn mit Schmeicheleien überhäuft und als 1s Äernivr 8outieir as 1a liberte on Luroxv preist. Wenden Nur uns schließlich zu dem Bilde, das uns Rist vom bourbonischen Hofe zeichnet. Es ist wenig günstig. Der König, klein, schwammig, mit gichtisch geschwollnen Beinen, einem gerundeten Kopf mit herabhängenden Wangen, Ge- sichtszügen, mit deren heiterm Ausdruck der kalte Blick der Augen contrastirte, imponirte nieder noch konnte er anziehen, auch nicht durch die geistreiche, freund¬ liche Conversation, in der er Meister war. Seine Nichte vollends, die Herzogin von Augonlömc, die Tochter Ludwigs XVI., mußte gradezu Antipathien er¬ wecken. Ihre traurige Jngend hatte sie bitter und hart gemacht. Der trockne, herbe Ton ihrer Stimme, die starren Zuge, das bleierne Auge verwandelten das Mitleid, das ihre Vergangenheit in Anspruch nahm, in Grauen. Ihr Gemahl war eine winzige, alltägliche Gestalt, nüchtern von Ansehen, trivial und beweglich in seineu Manieren, Semen Bruder, den Herzog von Berry, schildert Rist als einen kurzen, dicken, rohen Gesellen von dem unedelsten Ausdruck und nennt ihn einen gemeinen, rohen Wüstling. Der Vater beider Prinzen, Graf Artois, war der Mittelpunkt der Kreise, die eine Restauration der Verhältnisse vor der Re¬ volution forderten. Seine äußere Erscheinung war noch nicht verfallen, wie die seines Bruders, auch an sich angenehmer. Sein inneres Wesen entbehrte aber des Gehalts. Wir begreifen es, daß dieser so repräsentirte Thron kein festes Fundament im Volke finden und fast ohne Schwertstreich bei der Rückkehr des Imperators zufamiuenbrechen konnte. Damit endete auch die Mission Nists in Paris, und er kehrte in die Heimat zurück. Die Memoiren Rists sind im Zusammenhange nicht weiter geführt worden, und dies mit gutem Grunde, Von 1816 bis 1834 lebte Rist in unfreiwilliger Muße, die nur durch einzelne kommissarische Arbeiten unterbrochen wurde. Erst 1834 erhielt er eine feste Anstellung in der nen errichteten Schleswig-holsteinischen Regierung, bei deren Umbildung 1846 er sein Amt niederlegte; 1847 starb er. Sein frommer Sinn hat dankbar auf seine Lebensführungen zurückgeblickt, in denen wir einen tragischen Zug nicht verkennen können. Fast alle diplomatischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/479>, abgerufen am 27.12.2024.