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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Die Lnchnllmilzon über dio russische Politik in Asien,

Majestät, dem Zaren und der gottverliehenen Regierung Afghanistans sowohl auf
Grund alter Freundschaft wie infolge des neulich von Seiten der kaiserlichen
Regierung durch General Stoljeteff abgeschlvssuen Bündnisses vollkommnes Ein¬
vernehmen besteht, im Falle, daß der afghanischen Regierung ein Schaden oder
Unrecht widerfahren sollte, was Gott verhüte, sicherlich der Staub der Schande
auf den Saum der Regierung Sr, Kaiserlichen Majestät fallen würde. Da die
Interessen beider Regierungen aus eins hinauslaufen, so erwarte ich von Ihnen
selbstverständlich Beistand in Gestalt von Truppen. Ich hoffe, daß Sie alle
Truppen, die unter Ihrem Befehle zu Taschkend verwendbar sind, zusammenziehen
und eiligst nach dem afghanischen Tnckstcm absenden werden."

So der letzte Hilferuf des Emirs. Aber, wie wir wissen, kam aus Rußland
kein Beistand, und als die britischen Heersäulen weiter vordrangen, floh schir
Ali aus Kabul auf russisches Gebiet, nachdem er einen Brief an General von
Kaufmann vorausgesandt, in welchem er denselben benachrichtigte, daß man in
einer zu Kabul abgehaltnen Rathsversammlung seiner Edlen den Beschluß ge¬
faßt, er solle Petersburg eiuen Besuch abstatten. "Dort soll," so hieß es in
dein Schreiben weiter, "ein Congreß abgehalten werden zur Erkundigung über meine
Angelegenheit mit den Engländern und zur Schlichtung des Streites, nachdem
sie gefragt worden sind, was für ein Recht sie gehabt, ans Afghanistan loszurückcn."
Aber bevor der Emir zur Flucht nach Norden aufbrach, versammelte er einen
neuen Durbar seiner Edlen, um ihnen den folgenden ihm aus Livadia zugegangnen
Brief Stoljeteffs vorzulegen: "Der Kaiser betrachtet Sie als einen Bruder, und
auch Sie, der Sie auf der andern Seite des Wassers sind, müssen dieses Ge¬
fühl der Freundschaft und Brüderlichkeit an den Tag legen. Die englische Regierung
hegt den dringenden Wunsch, sich durch die Vermittlung des Sultans mit Ihnen
zu verständigen, und wünscht, daß Sie dessen Rath und Vorschlag annehmen.
Aber der Kaiser begehrt, daß Sie die Engländer nicht in Ihr Land aufnehmen,
und wie das letzte Jahr müssen Sie dieselben mit Truglist und Täuschung be¬
handeln, bis die jetzige kalte Jahreszeit vorüber ist. Dann wird sich der Wille
Gottes Ihnen offenbaren, d. h. nachdem die (russische) Regierung zweimal das
Bismillah (im Namen Gottes) wiederholt hat, wird das Bismillah Ihnen zu
Hilfe kommen. (Wohl eine mit Absicht gewählte orientalisch mystische Redensart.)
Kurz und gut, Sie können versichert bleiben, daß die Angelegenheiten ein gutes
Ende nehmen werden. Wenn Gott es erlaubt, werden wir in Se. Petersburg
eine Versammlung von Regierungen zusammentreten lassen, d. h. einen Congreß,
welcher Ausdruck eine Versammlung von Mächten bedeutet. Wir werden dann
eine officielle Erörterung mit der englischen Regierung eröffnen und entweder
durch Kraft von Worten und diplomatischer Wirksamkeit allen Verkehr und alle


Die Lnchnllmilzon über dio russische Politik in Asien,

Majestät, dem Zaren und der gottverliehenen Regierung Afghanistans sowohl auf
Grund alter Freundschaft wie infolge des neulich von Seiten der kaiserlichen
Regierung durch General Stoljeteff abgeschlvssuen Bündnisses vollkommnes Ein¬
vernehmen besteht, im Falle, daß der afghanischen Regierung ein Schaden oder
Unrecht widerfahren sollte, was Gott verhüte, sicherlich der Staub der Schande
auf den Saum der Regierung Sr, Kaiserlichen Majestät fallen würde. Da die
Interessen beider Regierungen aus eins hinauslaufen, so erwarte ich von Ihnen
selbstverständlich Beistand in Gestalt von Truppen. Ich hoffe, daß Sie alle
Truppen, die unter Ihrem Befehle zu Taschkend verwendbar sind, zusammenziehen
und eiligst nach dem afghanischen Tnckstcm absenden werden."

So der letzte Hilferuf des Emirs. Aber, wie wir wissen, kam aus Rußland
kein Beistand, und als die britischen Heersäulen weiter vordrangen, floh schir
Ali aus Kabul auf russisches Gebiet, nachdem er einen Brief an General von
Kaufmann vorausgesandt, in welchem er denselben benachrichtigte, daß man in
einer zu Kabul abgehaltnen Rathsversammlung seiner Edlen den Beschluß ge¬
faßt, er solle Petersburg eiuen Besuch abstatten. „Dort soll," so hieß es in
dein Schreiben weiter, „ein Congreß abgehalten werden zur Erkundigung über meine
Angelegenheit mit den Engländern und zur Schlichtung des Streites, nachdem
sie gefragt worden sind, was für ein Recht sie gehabt, ans Afghanistan loszurückcn."
Aber bevor der Emir zur Flucht nach Norden aufbrach, versammelte er einen
neuen Durbar seiner Edlen, um ihnen den folgenden ihm aus Livadia zugegangnen
Brief Stoljeteffs vorzulegen: „Der Kaiser betrachtet Sie als einen Bruder, und
auch Sie, der Sie auf der andern Seite des Wassers sind, müssen dieses Ge¬
fühl der Freundschaft und Brüderlichkeit an den Tag legen. Die englische Regierung
hegt den dringenden Wunsch, sich durch die Vermittlung des Sultans mit Ihnen
zu verständigen, und wünscht, daß Sie dessen Rath und Vorschlag annehmen.
Aber der Kaiser begehrt, daß Sie die Engländer nicht in Ihr Land aufnehmen,
und wie das letzte Jahr müssen Sie dieselben mit Truglist und Täuschung be¬
handeln, bis die jetzige kalte Jahreszeit vorüber ist. Dann wird sich der Wille
Gottes Ihnen offenbaren, d. h. nachdem die (russische) Regierung zweimal das
Bismillah (im Namen Gottes) wiederholt hat, wird das Bismillah Ihnen zu
Hilfe kommen. (Wohl eine mit Absicht gewählte orientalisch mystische Redensart.)
Kurz und gut, Sie können versichert bleiben, daß die Angelegenheiten ein gutes
Ende nehmen werden. Wenn Gott es erlaubt, werden wir in Se. Petersburg
eine Versammlung von Regierungen zusammentreten lassen, d. h. einen Congreß,
welcher Ausdruck eine Versammlung von Mächten bedeutet. Wir werden dann
eine officielle Erörterung mit der englischen Regierung eröffnen und entweder
durch Kraft von Worten und diplomatischer Wirksamkeit allen Verkehr und alle


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[0419] Die Lnchnllmilzon über dio russische Politik in Asien, Majestät, dem Zaren und der gottverliehenen Regierung Afghanistans sowohl auf Grund alter Freundschaft wie infolge des neulich von Seiten der kaiserlichen Regierung durch General Stoljeteff abgeschlvssuen Bündnisses vollkommnes Ein¬ vernehmen besteht, im Falle, daß der afghanischen Regierung ein Schaden oder Unrecht widerfahren sollte, was Gott verhüte, sicherlich der Staub der Schande auf den Saum der Regierung Sr, Kaiserlichen Majestät fallen würde. Da die Interessen beider Regierungen aus eins hinauslaufen, so erwarte ich von Ihnen selbstverständlich Beistand in Gestalt von Truppen. Ich hoffe, daß Sie alle Truppen, die unter Ihrem Befehle zu Taschkend verwendbar sind, zusammenziehen und eiligst nach dem afghanischen Tnckstcm absenden werden." So der letzte Hilferuf des Emirs. Aber, wie wir wissen, kam aus Rußland kein Beistand, und als die britischen Heersäulen weiter vordrangen, floh schir Ali aus Kabul auf russisches Gebiet, nachdem er einen Brief an General von Kaufmann vorausgesandt, in welchem er denselben benachrichtigte, daß man in einer zu Kabul abgehaltnen Rathsversammlung seiner Edlen den Beschluß ge¬ faßt, er solle Petersburg eiuen Besuch abstatten. „Dort soll," so hieß es in dein Schreiben weiter, „ein Congreß abgehalten werden zur Erkundigung über meine Angelegenheit mit den Engländern und zur Schlichtung des Streites, nachdem sie gefragt worden sind, was für ein Recht sie gehabt, ans Afghanistan loszurückcn." Aber bevor der Emir zur Flucht nach Norden aufbrach, versammelte er einen neuen Durbar seiner Edlen, um ihnen den folgenden ihm aus Livadia zugegangnen Brief Stoljeteffs vorzulegen: „Der Kaiser betrachtet Sie als einen Bruder, und auch Sie, der Sie auf der andern Seite des Wassers sind, müssen dieses Ge¬ fühl der Freundschaft und Brüderlichkeit an den Tag legen. Die englische Regierung hegt den dringenden Wunsch, sich durch die Vermittlung des Sultans mit Ihnen zu verständigen, und wünscht, daß Sie dessen Rath und Vorschlag annehmen. Aber der Kaiser begehrt, daß Sie die Engländer nicht in Ihr Land aufnehmen, und wie das letzte Jahr müssen Sie dieselben mit Truglist und Täuschung be¬ handeln, bis die jetzige kalte Jahreszeit vorüber ist. Dann wird sich der Wille Gottes Ihnen offenbaren, d. h. nachdem die (russische) Regierung zweimal das Bismillah (im Namen Gottes) wiederholt hat, wird das Bismillah Ihnen zu Hilfe kommen. (Wohl eine mit Absicht gewählte orientalisch mystische Redensart.) Kurz und gut, Sie können versichert bleiben, daß die Angelegenheiten ein gutes Ende nehmen werden. Wenn Gott es erlaubt, werden wir in Se. Petersburg eine Versammlung von Regierungen zusammentreten lassen, d. h. einen Congreß, welcher Ausdruck eine Versammlung von Mächten bedeutet. Wir werden dann eine officielle Erörterung mit der englischen Regierung eröffnen und entweder durch Kraft von Worten und diplomatischer Wirksamkeit allen Verkehr und alle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/419>, abgerufen am 29.12.2024.