Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Sie Liichiillungen über die russische Politik in Asien-

Schlange hält, öffentlich Frieden machen und insgeheim sich ans den Krieg vor¬
bereiten und, wenn Gott Ihnen seinen Befehl offenbart, ihn erklären. Es wird
ant sein, wenn Sie, sobald der Gesandte Ihres Feindes das Land zu betreten
wünscht, einen geschickten Emissär, der die Zunge einer Schlange besitzt und voll
Truglist ist, in das Land des Feindes abschicken, damit er mit süßen Worten das
Herz des Feindes bethöre und ihn bewege, von seiner Absicht, mit Ihnen zu
kämpfen, abzustehen. Mein lieber Freund, ich befehle Sie dem Schutze Gottes
an. Möge Gott der Schirmherr des Reiches des Emirs sein, und möge Zittern
fallen auf die Glieder Ihrer Feinde! Amen."

Inzwischen aber war Lord Lytton von der Gegenwart der russischen Ge¬
sandtschaft in Kabul benachrichtigt worden, und dann folgte die Zurückweisung der
britischen Mission von Seiten schir Alis und die Kriegserklärung. In Bezug
auf letzteres Ereigniß schrieb der Emir an Kaufmann: "Nach der Abreise des
Generals Stvljeteff, des Gesandten der erlauchten Regierung zu Taschkend, sind
die Beamten der britischen Regierung dreist geworden und haben offen eine feind¬
selige Haltung gegenüber dieser gottverliehenen Negierung angenommen und ihre
Lenden gegürtet, um ihr Schaden zuzufügen -- Thatsachen, von denen Ihnen
brieflich Kunde zugekommen sein wird. Während ich jetzt schreibe, sind sie bis
zum Khhberpaß, der Grenze dieses gottverlieheneu Gebietes von Afghanistan, vor¬
gerückt, und es bleibt uns beiden um nichts mehr übrig, als mit einander zu
kämpfen. Indem ich mich auf Ihre Freundschaft verlasse, erwarte ich, daß Sie
diesem Gegenstand Ihre besondere Aufmerksamkeit zuwenden und mir Ihren freund-
schaftlichen Beistand in jeder Weise, die Sie für angemessen halten, zu Theil
werden lassen werden. Ich bitte, diesem freundschaftlichen Briefe die Abschrift
eines herzlichen Schreibens beilegen zu dürfen, welches ich Sr. Kaiserlichen Maje¬
stät dem Zaren übersandt habe."

Der letzterwähnte Brief des Emirs an den Kaiser Alexander enthielt nach
vielen Klagen über die Thätigkeit, die Lord Lytton entwickelt, um dem russischen
Einflüsse in Afghanistan entgegenzuwirken, die Bitte um "freundschaftliche Unter¬
stützung nach Maßgabe der Größe des Zaren, damit die Ruhe in Afghanistan
aufrecht erhalten bleibe." Ein ähnliches Schreiben richtete schir Ali um dieselbe
Zeit an den General Stvljeteff. Bald nachher ging ein andres an den General
v. Kaufmann ab, der in seiner Antwort sagte: "Ich habe Nachricht, daß die Eng¬
länder mit Ihnen Frieden zu schließen wünschen, und als Freund gebe ich Ihnen
den Rath, sich mit ihnen auf Bedingungen hin zu verständigen, wenn sie solche
anbieten." In einem zweiten Briefe bemerkte der General: "Die britischen Minister
haben sich gegen unsern Botschafter in London verpflichtet, die Unabhängigkeit
Afghanistans zu achten. Ich habe Auftrag vom Kaiser, Ihnen das mitzutheilen


Sie Liichiillungen über die russische Politik in Asien-

Schlange hält, öffentlich Frieden machen und insgeheim sich ans den Krieg vor¬
bereiten und, wenn Gott Ihnen seinen Befehl offenbart, ihn erklären. Es wird
ant sein, wenn Sie, sobald der Gesandte Ihres Feindes das Land zu betreten
wünscht, einen geschickten Emissär, der die Zunge einer Schlange besitzt und voll
Truglist ist, in das Land des Feindes abschicken, damit er mit süßen Worten das
Herz des Feindes bethöre und ihn bewege, von seiner Absicht, mit Ihnen zu
kämpfen, abzustehen. Mein lieber Freund, ich befehle Sie dem Schutze Gottes
an. Möge Gott der Schirmherr des Reiches des Emirs sein, und möge Zittern
fallen auf die Glieder Ihrer Feinde! Amen."

Inzwischen aber war Lord Lytton von der Gegenwart der russischen Ge¬
sandtschaft in Kabul benachrichtigt worden, und dann folgte die Zurückweisung der
britischen Mission von Seiten schir Alis und die Kriegserklärung. In Bezug
auf letzteres Ereigniß schrieb der Emir an Kaufmann: „Nach der Abreise des
Generals Stvljeteff, des Gesandten der erlauchten Regierung zu Taschkend, sind
die Beamten der britischen Regierung dreist geworden und haben offen eine feind¬
selige Haltung gegenüber dieser gottverliehenen Negierung angenommen und ihre
Lenden gegürtet, um ihr Schaden zuzufügen — Thatsachen, von denen Ihnen
brieflich Kunde zugekommen sein wird. Während ich jetzt schreibe, sind sie bis
zum Khhberpaß, der Grenze dieses gottverlieheneu Gebietes von Afghanistan, vor¬
gerückt, und es bleibt uns beiden um nichts mehr übrig, als mit einander zu
kämpfen. Indem ich mich auf Ihre Freundschaft verlasse, erwarte ich, daß Sie
diesem Gegenstand Ihre besondere Aufmerksamkeit zuwenden und mir Ihren freund-
schaftlichen Beistand in jeder Weise, die Sie für angemessen halten, zu Theil
werden lassen werden. Ich bitte, diesem freundschaftlichen Briefe die Abschrift
eines herzlichen Schreibens beilegen zu dürfen, welches ich Sr. Kaiserlichen Maje¬
stät dem Zaren übersandt habe."

Der letzterwähnte Brief des Emirs an den Kaiser Alexander enthielt nach
vielen Klagen über die Thätigkeit, die Lord Lytton entwickelt, um dem russischen
Einflüsse in Afghanistan entgegenzuwirken, die Bitte um „freundschaftliche Unter¬
stützung nach Maßgabe der Größe des Zaren, damit die Ruhe in Afghanistan
aufrecht erhalten bleibe." Ein ähnliches Schreiben richtete schir Ali um dieselbe
Zeit an den General Stvljeteff. Bald nachher ging ein andres an den General
v. Kaufmann ab, der in seiner Antwort sagte: „Ich habe Nachricht, daß die Eng¬
länder mit Ihnen Frieden zu schließen wünschen, und als Freund gebe ich Ihnen
den Rath, sich mit ihnen auf Bedingungen hin zu verständigen, wenn sie solche
anbieten." In einem zweiten Briefe bemerkte der General: „Die britischen Minister
haben sich gegen unsern Botschafter in London verpflichtet, die Unabhängigkeit
Afghanistans zu achten. Ich habe Auftrag vom Kaiser, Ihnen das mitzutheilen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0417" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149401"/>
          <fw type="header" place="top"> Sie Liichiillungen über die russische Politik in Asien-</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1133" prev="#ID_1132"> Schlange hält, öffentlich Frieden machen und insgeheim sich ans den Krieg vor¬<lb/>
bereiten und, wenn Gott Ihnen seinen Befehl offenbart, ihn erklären. Es wird<lb/>
ant sein, wenn Sie, sobald der Gesandte Ihres Feindes das Land zu betreten<lb/>
wünscht, einen geschickten Emissär, der die Zunge einer Schlange besitzt und voll<lb/>
Truglist ist, in das Land des Feindes abschicken, damit er mit süßen Worten das<lb/>
Herz des Feindes bethöre und ihn bewege, von seiner Absicht, mit Ihnen zu<lb/>
kämpfen, abzustehen. Mein lieber Freund, ich befehle Sie dem Schutze Gottes<lb/>
an. Möge Gott der Schirmherr des Reiches des Emirs sein, und möge Zittern<lb/>
fallen auf die Glieder Ihrer Feinde! Amen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1134"> Inzwischen aber war Lord Lytton von der Gegenwart der russischen Ge¬<lb/>
sandtschaft in Kabul benachrichtigt worden, und dann folgte die Zurückweisung der<lb/>
britischen Mission von Seiten schir Alis und die Kriegserklärung. In Bezug<lb/>
auf letzteres Ereigniß schrieb der Emir an Kaufmann: &#x201E;Nach der Abreise des<lb/>
Generals Stvljeteff, des Gesandten der erlauchten Regierung zu Taschkend, sind<lb/>
die Beamten der britischen Regierung dreist geworden und haben offen eine feind¬<lb/>
selige Haltung gegenüber dieser gottverliehenen Negierung angenommen und ihre<lb/>
Lenden gegürtet, um ihr Schaden zuzufügen &#x2014; Thatsachen, von denen Ihnen<lb/>
brieflich Kunde zugekommen sein wird. Während ich jetzt schreibe, sind sie bis<lb/>
zum Khhberpaß, der Grenze dieses gottverlieheneu Gebietes von Afghanistan, vor¬<lb/>
gerückt, und es bleibt uns beiden um nichts mehr übrig, als mit einander zu<lb/>
kämpfen. Indem ich mich auf Ihre Freundschaft verlasse, erwarte ich, daß Sie<lb/>
diesem Gegenstand Ihre besondere Aufmerksamkeit zuwenden und mir Ihren freund-<lb/>
schaftlichen Beistand in jeder Weise, die Sie für angemessen halten, zu Theil<lb/>
werden lassen werden. Ich bitte, diesem freundschaftlichen Briefe die Abschrift<lb/>
eines herzlichen Schreibens beilegen zu dürfen, welches ich Sr. Kaiserlichen Maje¬<lb/>
stät dem Zaren übersandt habe."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1135" next="#ID_1136"> Der letzterwähnte Brief des Emirs an den Kaiser Alexander enthielt nach<lb/>
vielen Klagen über die Thätigkeit, die Lord Lytton entwickelt, um dem russischen<lb/>
Einflüsse in Afghanistan entgegenzuwirken, die Bitte um &#x201E;freundschaftliche Unter¬<lb/>
stützung nach Maßgabe der Größe des Zaren, damit die Ruhe in Afghanistan<lb/>
aufrecht erhalten bleibe." Ein ähnliches Schreiben richtete schir Ali um dieselbe<lb/>
Zeit an den General Stvljeteff. Bald nachher ging ein andres an den General<lb/>
v. Kaufmann ab, der in seiner Antwort sagte: &#x201E;Ich habe Nachricht, daß die Eng¬<lb/>
länder mit Ihnen Frieden zu schließen wünschen, und als Freund gebe ich Ihnen<lb/>
den Rath, sich mit ihnen auf Bedingungen hin zu verständigen, wenn sie solche<lb/>
anbieten." In einem zweiten Briefe bemerkte der General: &#x201E;Die britischen Minister<lb/>
haben sich gegen unsern Botschafter in London verpflichtet, die Unabhängigkeit<lb/>
Afghanistans zu achten. Ich habe Auftrag vom Kaiser, Ihnen das mitzutheilen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0417] Sie Liichiillungen über die russische Politik in Asien- Schlange hält, öffentlich Frieden machen und insgeheim sich ans den Krieg vor¬ bereiten und, wenn Gott Ihnen seinen Befehl offenbart, ihn erklären. Es wird ant sein, wenn Sie, sobald der Gesandte Ihres Feindes das Land zu betreten wünscht, einen geschickten Emissär, der die Zunge einer Schlange besitzt und voll Truglist ist, in das Land des Feindes abschicken, damit er mit süßen Worten das Herz des Feindes bethöre und ihn bewege, von seiner Absicht, mit Ihnen zu kämpfen, abzustehen. Mein lieber Freund, ich befehle Sie dem Schutze Gottes an. Möge Gott der Schirmherr des Reiches des Emirs sein, und möge Zittern fallen auf die Glieder Ihrer Feinde! Amen." Inzwischen aber war Lord Lytton von der Gegenwart der russischen Ge¬ sandtschaft in Kabul benachrichtigt worden, und dann folgte die Zurückweisung der britischen Mission von Seiten schir Alis und die Kriegserklärung. In Bezug auf letzteres Ereigniß schrieb der Emir an Kaufmann: „Nach der Abreise des Generals Stvljeteff, des Gesandten der erlauchten Regierung zu Taschkend, sind die Beamten der britischen Regierung dreist geworden und haben offen eine feind¬ selige Haltung gegenüber dieser gottverliehenen Negierung angenommen und ihre Lenden gegürtet, um ihr Schaden zuzufügen — Thatsachen, von denen Ihnen brieflich Kunde zugekommen sein wird. Während ich jetzt schreibe, sind sie bis zum Khhberpaß, der Grenze dieses gottverlieheneu Gebietes von Afghanistan, vor¬ gerückt, und es bleibt uns beiden um nichts mehr übrig, als mit einander zu kämpfen. Indem ich mich auf Ihre Freundschaft verlasse, erwarte ich, daß Sie diesem Gegenstand Ihre besondere Aufmerksamkeit zuwenden und mir Ihren freund- schaftlichen Beistand in jeder Weise, die Sie für angemessen halten, zu Theil werden lassen werden. Ich bitte, diesem freundschaftlichen Briefe die Abschrift eines herzlichen Schreibens beilegen zu dürfen, welches ich Sr. Kaiserlichen Maje¬ stät dem Zaren übersandt habe." Der letzterwähnte Brief des Emirs an den Kaiser Alexander enthielt nach vielen Klagen über die Thätigkeit, die Lord Lytton entwickelt, um dem russischen Einflüsse in Afghanistan entgegenzuwirken, die Bitte um „freundschaftliche Unter¬ stützung nach Maßgabe der Größe des Zaren, damit die Ruhe in Afghanistan aufrecht erhalten bleibe." Ein ähnliches Schreiben richtete schir Ali um dieselbe Zeit an den General Stvljeteff. Bald nachher ging ein andres an den General v. Kaufmann ab, der in seiner Antwort sagte: „Ich habe Nachricht, daß die Eng¬ länder mit Ihnen Frieden zu schließen wünschen, und als Freund gebe ich Ihnen den Rath, sich mit ihnen auf Bedingungen hin zu verständigen, wenn sie solche anbieten." In einem zweiten Briefe bemerkte der General: „Die britischen Minister haben sich gegen unsern Botschafter in London verpflichtet, die Unabhängigkeit Afghanistans zu achten. Ich habe Auftrag vom Kaiser, Ihnen das mitzutheilen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/417
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/417>, abgerufen am 29.12.2024.