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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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die gegenwärtige mit einem Verhalten begeht, das einer Nullifieirnug des preu¬
ßischen Oberhauses nahe kommt.

Der erwähnte Mangel an Theilnahme für die öffentlichen Angelegenheiten,
welcher die größere Anzahl der Mitglieder des Herrenhauses charakterisirt, ist
zweifelsohne theilweise Folge unzweckmäßiger Einrichtungen, welche jene Körper¬
schaft ihrer Entstehung und Ergänzung zu verdanken hat. Infolge bereu fehlt
den meisten Mitgliedern des Hauses eine lebendige Beziehung zum öffentlichen
Leben, Der warme Pulsschlag desselben erreicht sie nicht. Es wird Politiker
geben, die sich noch der ebenso lebhaften als wirksamen Thätigkeit erinnern, mit
welcher die ehemalige erste Kammer, die durch das Herrenhaus ersetzt worden
ist, in das staatliche Leben eingriff, und der solcher Lebhaftigkeit entsprechenden
Theilnahme, welche die öffentliche Meinung damals gerade vorzugsweise für die
Verhandlungen dieser Kammer an den Tag legte, weil sie in Wahrheit inhalt¬
reicher waren und mehr geistige Capacität gewahren ließen als die Debatten der
zweiten. Wem dies noch gegenwärtig ist, der kaun nicht ohne Bedauern damit
das Gewicht und die Wirksamkeit vergleichen, die dem Herrenhause, dem umge¬
stalteten Machthaber jener Körperschaft verblieben sind.

Der Fehler, dem wir hier begegnen, liegt aber nicht lediglich an den unzu-
reichenden Wurzeln, welche das Herrenhaus nach seiner Ergänzung mit dem
Lande verbinden; denn much so wie der jetzige Senat Preußens entsteht und
zusammengesetzt ist, würde er mehr Bedeutung haben, wenn die Regierung ihm
mehr Bedeutung beilegen wollte und uicht durch die Art und Weise seiner Be¬
theiligung an den Landtagsgeschäften und durch die Auswahl bei deu Er¬
nennungen dazu beitrüge, daß das Haus auf einen nur geringen Antheil an
den gesetzgeberischen Arbeiten beschränkt wird und beschränkt bleibt. Die Form,
in welcher unser Oberhaus seine Betheiligung an diesen Arbeilen hinzunehmen
genöthigt ist, hat die Folge, daß die Vorbereitungen in den Commissionen und
die laufenden Geschäfte im wesentlichen von den Mitgliedern in die Hand ge¬
nommen werden, die ihren Wohnsitz in der Hauptstadt haben, und letztere sind
größtentheils zurückgetretene und mit ihrem Rücktritte mehr oder weniger un¬
zufriedene Beamte. Wir glauben nicht zu hoch zu greifen, wenn wir annehmen,
daß diese Berliner mit Zurechnung einiger Vertreter großer Städte die zur Be¬
schlußfähigkeit erforderliche Zahl 60 stellen. Die übrigen Mitglieder des Hanfes,
namentlich die Vertreter des großen Grundbesitzes in den Provinzen, denen das
Hauptgewicht in dieser Versammlung zugedacht war, erscheinen neben den Ge¬
nannten nur bei den seltenen Gelegenheiten, wo der Abstimmungs-Apparcit im
Verlaufe weniger Tage die Ergebnisse der Session sanetioniren soll, und das
ist ein ganz entschiedener Nachtheil,


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die gegenwärtige mit einem Verhalten begeht, das einer Nullifieirnug des preu¬
ßischen Oberhauses nahe kommt.

Der erwähnte Mangel an Theilnahme für die öffentlichen Angelegenheiten,
welcher die größere Anzahl der Mitglieder des Herrenhauses charakterisirt, ist
zweifelsohne theilweise Folge unzweckmäßiger Einrichtungen, welche jene Körper¬
schaft ihrer Entstehung und Ergänzung zu verdanken hat. Infolge bereu fehlt
den meisten Mitgliedern des Hauses eine lebendige Beziehung zum öffentlichen
Leben, Der warme Pulsschlag desselben erreicht sie nicht. Es wird Politiker
geben, die sich noch der ebenso lebhaften als wirksamen Thätigkeit erinnern, mit
welcher die ehemalige erste Kammer, die durch das Herrenhaus ersetzt worden
ist, in das staatliche Leben eingriff, und der solcher Lebhaftigkeit entsprechenden
Theilnahme, welche die öffentliche Meinung damals gerade vorzugsweise für die
Verhandlungen dieser Kammer an den Tag legte, weil sie in Wahrheit inhalt¬
reicher waren und mehr geistige Capacität gewahren ließen als die Debatten der
zweiten. Wem dies noch gegenwärtig ist, der kaun nicht ohne Bedauern damit
das Gewicht und die Wirksamkeit vergleichen, die dem Herrenhause, dem umge¬
stalteten Machthaber jener Körperschaft verblieben sind.

Der Fehler, dem wir hier begegnen, liegt aber nicht lediglich an den unzu-
reichenden Wurzeln, welche das Herrenhaus nach seiner Ergänzung mit dem
Lande verbinden; denn much so wie der jetzige Senat Preußens entsteht und
zusammengesetzt ist, würde er mehr Bedeutung haben, wenn die Regierung ihm
mehr Bedeutung beilegen wollte und uicht durch die Art und Weise seiner Be¬
theiligung an den Landtagsgeschäften und durch die Auswahl bei deu Er¬
nennungen dazu beitrüge, daß das Haus auf einen nur geringen Antheil an
den gesetzgeberischen Arbeiten beschränkt wird und beschränkt bleibt. Die Form,
in welcher unser Oberhaus seine Betheiligung an diesen Arbeilen hinzunehmen
genöthigt ist, hat die Folge, daß die Vorbereitungen in den Commissionen und
die laufenden Geschäfte im wesentlichen von den Mitgliedern in die Hand ge¬
nommen werden, die ihren Wohnsitz in der Hauptstadt haben, und letztere sind
größtentheils zurückgetretene und mit ihrem Rücktritte mehr oder weniger un¬
zufriedene Beamte. Wir glauben nicht zu hoch zu greifen, wenn wir annehmen,
daß diese Berliner mit Zurechnung einiger Vertreter großer Städte die zur Be¬
schlußfähigkeit erforderliche Zahl 60 stellen. Die übrigen Mitglieder des Hanfes,
namentlich die Vertreter des großen Grundbesitzes in den Provinzen, denen das
Hauptgewicht in dieser Versammlung zugedacht war, erscheinen neben den Ge¬
nannten nur bei den seltenen Gelegenheiten, wo der Abstimmungs-Apparcit im
Verlaufe weniger Tage die Ergebnisse der Session sanetioniren soll, und das
ist ein ganz entschiedener Nachtheil,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/378>, abgerufen am 28.12.2024.