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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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regicrungcn du? regelmäßigen und normalen Organe zur Ausführung des gesetz¬
lichen Neichswillcns bleiben, das Reich dürfe sich keinen eignen Apparat zur
Ausführung seines Willens schaffen und seine Behörden mit keinen andern Com-
Petenzen ausstatten, als ans seinem Aufsichtsrechte hervorgehen. Sonst würde
daraus eine sehr erhebliche materielle Beeinträchtigung, eine inhaltliche Verkürzung
der einzelstaatlichen Competenz sich ergeben. Deshalb dürfe das Reich hier nur
gesetzgebend vorgehen, dürfe aber durchaus nicht selbst eine Reichs-Vcrsichcrungs-
anstalt errichten, sondern habe mir die nach reichsgcsetzlichen allgemeinen Normen
einzurichtenden Anstalten der Einzelstaaten zu beaufsichtigen. Außerdem, so be¬
hauptet mau, obwohl die Landesbemnten doch nicht wohl schlechter zu besolden
sein werden als die Reichsbeamten, und obwohl sonst immer eine einheitlich
organisirte Maschinerie präeiser, schneller und vortheilhafter zu arbeite" pflegt
als mehrere getrennte kleine Werkstätten, werde die Verwaltung einer Lcmdes-
anstalt billiger und die Erledigung der Geschäfte eine schnellere sein, da hier
nicht erst ein weitläufiger -- soll heißen reichsläufiger -- Behördeuapparat in
Bewegung gesetzt zu werden brauche. Die Reichsanstalt würde mit der "bunten
MannichfMgteit," in welcher sich unsre Verhältnisse "in völlig zwangloser Weise"
entwickelt haben, im Widerspruche stehen.

Wie man sieht, stellen bei allen Fragen diese partienlaristischen Politiker
die Vorfrage nach der formalen Cvmpetenzberechtigung des Reiches, und die
Vorbedingung, daß diese nirgends und niemals erweitert werden dürfe, selbst
ans die Gefahr hin, daß eine großartig angelegte Maßregel, trotz ihrer aner¬
kannten Nützlichkeit für den socialen und wirthschaftlichen Wohlstand des Volkes,
kläglich verpfuscht werde. So haben sie in gleicher Weise den Volkswirthschafts¬
rath als Reichsinstitut hintertrieben und damit bezweckt, daß er als preußische
Einrichtung ins Leben getreten ist. Was sie damit erreicht haben, ist das, daß
nur die gutachtliche Enquöte dieses Einzelstaates allein für die Reichsregierung
bei ihren Gesetzesvorlagen wesentlich maßgebend sein wird, und daß die Klein¬
staaten sich ihres legitimen Einflusses bei der Vorbereitung der Gesetzentwürfe
selbst beraubt haben.

Es ist von feiten der kleinen Einzelstaaten sehr verkehrt, immer nur die
größte Wichtigkeit ans ihre "Selbständigkeit" zu legen und ihrer "Selbstherr¬
lichkeit" kein Tüpfelchen rauben lassen zu wollen. Je mehr sie sich absperren
gegen den Einfluß der Gesammtheit, desto mehr werden sie von den andern
isolirt und ihres Einflusses beraubt werden. Ihr Streben muß vielmehr dahin
gehen, nicht der Entwicklung des Reiches Hemmnisse zu bereiten, sondern die
Mitwirkung und Betheiligung der Einzelstaaten an der Gesmnmtregiernng des
Reiches -- also im Vuudesrath -- zu einer recht einflußreichen zu machen und


regicrungcn du? regelmäßigen und normalen Organe zur Ausführung des gesetz¬
lichen Neichswillcns bleiben, das Reich dürfe sich keinen eignen Apparat zur
Ausführung seines Willens schaffen und seine Behörden mit keinen andern Com-
Petenzen ausstatten, als ans seinem Aufsichtsrechte hervorgehen. Sonst würde
daraus eine sehr erhebliche materielle Beeinträchtigung, eine inhaltliche Verkürzung
der einzelstaatlichen Competenz sich ergeben. Deshalb dürfe das Reich hier nur
gesetzgebend vorgehen, dürfe aber durchaus nicht selbst eine Reichs-Vcrsichcrungs-
anstalt errichten, sondern habe mir die nach reichsgcsetzlichen allgemeinen Normen
einzurichtenden Anstalten der Einzelstaaten zu beaufsichtigen. Außerdem, so be¬
hauptet mau, obwohl die Landesbemnten doch nicht wohl schlechter zu besolden
sein werden als die Reichsbeamten, und obwohl sonst immer eine einheitlich
organisirte Maschinerie präeiser, schneller und vortheilhafter zu arbeite» pflegt
als mehrere getrennte kleine Werkstätten, werde die Verwaltung einer Lcmdes-
anstalt billiger und die Erledigung der Geschäfte eine schnellere sein, da hier
nicht erst ein weitläufiger — soll heißen reichsläufiger — Behördeuapparat in
Bewegung gesetzt zu werden brauche. Die Reichsanstalt würde mit der „bunten
MannichfMgteit," in welcher sich unsre Verhältnisse „in völlig zwangloser Weise"
entwickelt haben, im Widerspruche stehen.

Wie man sieht, stellen bei allen Fragen diese partienlaristischen Politiker
die Vorfrage nach der formalen Cvmpetenzberechtigung des Reiches, und die
Vorbedingung, daß diese nirgends und niemals erweitert werden dürfe, selbst
ans die Gefahr hin, daß eine großartig angelegte Maßregel, trotz ihrer aner¬
kannten Nützlichkeit für den socialen und wirthschaftlichen Wohlstand des Volkes,
kläglich verpfuscht werde. So haben sie in gleicher Weise den Volkswirthschafts¬
rath als Reichsinstitut hintertrieben und damit bezweckt, daß er als preußische
Einrichtung ins Leben getreten ist. Was sie damit erreicht haben, ist das, daß
nur die gutachtliche Enquöte dieses Einzelstaates allein für die Reichsregierung
bei ihren Gesetzesvorlagen wesentlich maßgebend sein wird, und daß die Klein¬
staaten sich ihres legitimen Einflusses bei der Vorbereitung der Gesetzentwürfe
selbst beraubt haben.

Es ist von feiten der kleinen Einzelstaaten sehr verkehrt, immer nur die
größte Wichtigkeit ans ihre „Selbständigkeit" zu legen und ihrer „Selbstherr¬
lichkeit" kein Tüpfelchen rauben lassen zu wollen. Je mehr sie sich absperren
gegen den Einfluß der Gesammtheit, desto mehr werden sie von den andern
isolirt und ihres Einflusses beraubt werden. Ihr Streben muß vielmehr dahin
gehen, nicht der Entwicklung des Reiches Hemmnisse zu bereiten, sondern die
Mitwirkung und Betheiligung der Einzelstaaten an der Gesmnmtregiernng des
Reiches — also im Vuudesrath — zu einer recht einflußreichen zu machen und


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[0367] regicrungcn du? regelmäßigen und normalen Organe zur Ausführung des gesetz¬ lichen Neichswillcns bleiben, das Reich dürfe sich keinen eignen Apparat zur Ausführung seines Willens schaffen und seine Behörden mit keinen andern Com- Petenzen ausstatten, als ans seinem Aufsichtsrechte hervorgehen. Sonst würde daraus eine sehr erhebliche materielle Beeinträchtigung, eine inhaltliche Verkürzung der einzelstaatlichen Competenz sich ergeben. Deshalb dürfe das Reich hier nur gesetzgebend vorgehen, dürfe aber durchaus nicht selbst eine Reichs-Vcrsichcrungs- anstalt errichten, sondern habe mir die nach reichsgcsetzlichen allgemeinen Normen einzurichtenden Anstalten der Einzelstaaten zu beaufsichtigen. Außerdem, so be¬ hauptet mau, obwohl die Landesbemnten doch nicht wohl schlechter zu besolden sein werden als die Reichsbeamten, und obwohl sonst immer eine einheitlich organisirte Maschinerie präeiser, schneller und vortheilhafter zu arbeite» pflegt als mehrere getrennte kleine Werkstätten, werde die Verwaltung einer Lcmdes- anstalt billiger und die Erledigung der Geschäfte eine schnellere sein, da hier nicht erst ein weitläufiger — soll heißen reichsläufiger — Behördeuapparat in Bewegung gesetzt zu werden brauche. Die Reichsanstalt würde mit der „bunten MannichfMgteit," in welcher sich unsre Verhältnisse „in völlig zwangloser Weise" entwickelt haben, im Widerspruche stehen. Wie man sieht, stellen bei allen Fragen diese partienlaristischen Politiker die Vorfrage nach der formalen Cvmpetenzberechtigung des Reiches, und die Vorbedingung, daß diese nirgends und niemals erweitert werden dürfe, selbst ans die Gefahr hin, daß eine großartig angelegte Maßregel, trotz ihrer aner¬ kannten Nützlichkeit für den socialen und wirthschaftlichen Wohlstand des Volkes, kläglich verpfuscht werde. So haben sie in gleicher Weise den Volkswirthschafts¬ rath als Reichsinstitut hintertrieben und damit bezweckt, daß er als preußische Einrichtung ins Leben getreten ist. Was sie damit erreicht haben, ist das, daß nur die gutachtliche Enquöte dieses Einzelstaates allein für die Reichsregierung bei ihren Gesetzesvorlagen wesentlich maßgebend sein wird, und daß die Klein¬ staaten sich ihres legitimen Einflusses bei der Vorbereitung der Gesetzentwürfe selbst beraubt haben. Es ist von feiten der kleinen Einzelstaaten sehr verkehrt, immer nur die größte Wichtigkeit ans ihre „Selbständigkeit" zu legen und ihrer „Selbstherr¬ lichkeit" kein Tüpfelchen rauben lassen zu wollen. Je mehr sie sich absperren gegen den Einfluß der Gesammtheit, desto mehr werden sie von den andern isolirt und ihres Einflusses beraubt werden. Ihr Streben muß vielmehr dahin gehen, nicht der Entwicklung des Reiches Hemmnisse zu bereiten, sondern die Mitwirkung und Betheiligung der Einzelstaaten an der Gesmnmtregiernng des Reiches — also im Vuudesrath — zu einer recht einflußreichen zu machen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/367>, abgerufen am 29.12.2024.