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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Gladstone uns die Boörs.

Langalibalele; wenn Großbritannien die ehrliche Absicht hatte, den Boers gerecht
zu werden, so war es jetzt hohe Zeit, Statt dessen betrieb die englische Trans¬
vaalregierung den Bau der Eisenbahn, die unter den obwaltenden Umständen
vornehmlich den britischen Kaufleuten in Transvaal und der britischen Ver¬
gewaltigung des Landes zu Gute zu kommen versprach. Geradezu als eine
Verhöhnung ihrer Rechte und ihres Muthes betrachteten die Boers aber die
Maßregel der Regierung, welche ihnen auch die Lasten des Bahnbaues auflegen
wollte. Von jedem boerischen Hausvater wurde ein Beitrag von dreißig Schillingen
verlangt, und wer sich weigerte, diese Steuer zu bezahlen, wurde verurtheilt
und ausgepfändet. Die Folge dieser unklugen Maßregel war die allgemeine
Entschlossenheit der Boers, an die Waffen zu appelliren. Es ist durch die
Zeitungen allgemein bekannt, wie sie der englischen Behörde ihren Entschluß
kühn und öffentlich ankündigten, wie sie listig als Zeitpunkt des Losbrechens
den achten Januar bestimmten, als an welchem Tage die große Volksversamm¬
lung, die seit dem December 1879 nicht zusammengekommen war, abgehalten
werden sollte. Wenigen bekannt ist, daß der Administrator Lanyon den Ober-
commissar Sir Pomeroy Colley um Verstärkung durch ein englisches Regiment
aus Natal ersuchte, und daß letzterer nicht mehr als zwei schwache Compagnie"!
unter dem Oberst Austrnther aussandte, weil er in Natal, das selbst anfsessig
war, nicht mehr Soldaten entbehren zu können glaubte.

Anscheinend durch tumultuarische Auftritte bei der Eintreibung der Steuer
bewogen, wahrscheinlich aber nach vorgefaßten Plane, wurde die boerische Land¬
gemeinde schon vier Wochen vor dem öffentlich angemeldeten Termin nahe bei Heidel¬
berg versammelt, und obgleich auch hier noch Krüger und Joubert für Aufrecht¬
haltung des Friedens sprachen, indem sie überzeugt waren, den britischen Waffen
ans die Dauer nicht widerstehen zu können, erklärten sie doch schließlich, daß
sie ihr Loos mit demjenigen ihres Volkes zusammenwerfen wollten, wenn die
Majorität der Versammlung sich für den Krieg entschiede. So kam es, daß
die neue republicanische Regierung mit dem Triumvirat Krüger, Joubert und
Pretvrius, der nächst den andern beiden der angesehenste unter den Boers ist,
erwählt und die Austreibung der Engländer bei Pvtschefstrom, der am meisten
boerischen Stadt, zuerst unternommen wurde (16. December).

Die Briten wurden durch das entschlossene Vorgehen der Boers im allge¬
meinen überrascht, weil sie dem Volke, das ihnen so lange umsonst mit einer
Schilderhebung gedroht hatte und sich immer wieder hatte beruhigen und Hin¬
halten lassen, nicht den Muth der offnen Rebellion zutrauten; es war bei ihnen
herkömmlich geworden, über die Boers als feige und militärisch untüchtig zu
spotten: sie haben es daher ihrem eignen Hochmuth zuzuschreiben, daß ihre


Grenzbowi I. 1381. M
Gladstone uns die Boörs.

Langalibalele; wenn Großbritannien die ehrliche Absicht hatte, den Boers gerecht
zu werden, so war es jetzt hohe Zeit, Statt dessen betrieb die englische Trans¬
vaalregierung den Bau der Eisenbahn, die unter den obwaltenden Umständen
vornehmlich den britischen Kaufleuten in Transvaal und der britischen Ver¬
gewaltigung des Landes zu Gute zu kommen versprach. Geradezu als eine
Verhöhnung ihrer Rechte und ihres Muthes betrachteten die Boers aber die
Maßregel der Regierung, welche ihnen auch die Lasten des Bahnbaues auflegen
wollte. Von jedem boerischen Hausvater wurde ein Beitrag von dreißig Schillingen
verlangt, und wer sich weigerte, diese Steuer zu bezahlen, wurde verurtheilt
und ausgepfändet. Die Folge dieser unklugen Maßregel war die allgemeine
Entschlossenheit der Boers, an die Waffen zu appelliren. Es ist durch die
Zeitungen allgemein bekannt, wie sie der englischen Behörde ihren Entschluß
kühn und öffentlich ankündigten, wie sie listig als Zeitpunkt des Losbrechens
den achten Januar bestimmten, als an welchem Tage die große Volksversamm¬
lung, die seit dem December 1879 nicht zusammengekommen war, abgehalten
werden sollte. Wenigen bekannt ist, daß der Administrator Lanyon den Ober-
commissar Sir Pomeroy Colley um Verstärkung durch ein englisches Regiment
aus Natal ersuchte, und daß letzterer nicht mehr als zwei schwache Compagnie«!
unter dem Oberst Austrnther aussandte, weil er in Natal, das selbst anfsessig
war, nicht mehr Soldaten entbehren zu können glaubte.

Anscheinend durch tumultuarische Auftritte bei der Eintreibung der Steuer
bewogen, wahrscheinlich aber nach vorgefaßten Plane, wurde die boerische Land¬
gemeinde schon vier Wochen vor dem öffentlich angemeldeten Termin nahe bei Heidel¬
berg versammelt, und obgleich auch hier noch Krüger und Joubert für Aufrecht¬
haltung des Friedens sprachen, indem sie überzeugt waren, den britischen Waffen
ans die Dauer nicht widerstehen zu können, erklärten sie doch schließlich, daß
sie ihr Loos mit demjenigen ihres Volkes zusammenwerfen wollten, wenn die
Majorität der Versammlung sich für den Krieg entschiede. So kam es, daß
die neue republicanische Regierung mit dem Triumvirat Krüger, Joubert und
Pretvrius, der nächst den andern beiden der angesehenste unter den Boers ist,
erwählt und die Austreibung der Engländer bei Pvtschefstrom, der am meisten
boerischen Stadt, zuerst unternommen wurde (16. December).

Die Briten wurden durch das entschlossene Vorgehen der Boers im allge¬
meinen überrascht, weil sie dem Volke, das ihnen so lange umsonst mit einer
Schilderhebung gedroht hatte und sich immer wieder hatte beruhigen und Hin¬
halten lassen, nicht den Muth der offnen Rebellion zutrauten; es war bei ihnen
herkömmlich geworden, über die Boers als feige und militärisch untüchtig zu
spotten: sie haben es daher ihrem eignen Hochmuth zuzuschreiben, daß ihre


Grenzbowi I. 1381. M
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[0297] Gladstone uns die Boörs. Langalibalele; wenn Großbritannien die ehrliche Absicht hatte, den Boers gerecht zu werden, so war es jetzt hohe Zeit, Statt dessen betrieb die englische Trans¬ vaalregierung den Bau der Eisenbahn, die unter den obwaltenden Umständen vornehmlich den britischen Kaufleuten in Transvaal und der britischen Ver¬ gewaltigung des Landes zu Gute zu kommen versprach. Geradezu als eine Verhöhnung ihrer Rechte und ihres Muthes betrachteten die Boers aber die Maßregel der Regierung, welche ihnen auch die Lasten des Bahnbaues auflegen wollte. Von jedem boerischen Hausvater wurde ein Beitrag von dreißig Schillingen verlangt, und wer sich weigerte, diese Steuer zu bezahlen, wurde verurtheilt und ausgepfändet. Die Folge dieser unklugen Maßregel war die allgemeine Entschlossenheit der Boers, an die Waffen zu appelliren. Es ist durch die Zeitungen allgemein bekannt, wie sie der englischen Behörde ihren Entschluß kühn und öffentlich ankündigten, wie sie listig als Zeitpunkt des Losbrechens den achten Januar bestimmten, als an welchem Tage die große Volksversamm¬ lung, die seit dem December 1879 nicht zusammengekommen war, abgehalten werden sollte. Wenigen bekannt ist, daß der Administrator Lanyon den Ober- commissar Sir Pomeroy Colley um Verstärkung durch ein englisches Regiment aus Natal ersuchte, und daß letzterer nicht mehr als zwei schwache Compagnie«! unter dem Oberst Austrnther aussandte, weil er in Natal, das selbst anfsessig war, nicht mehr Soldaten entbehren zu können glaubte. Anscheinend durch tumultuarische Auftritte bei der Eintreibung der Steuer bewogen, wahrscheinlich aber nach vorgefaßten Plane, wurde die boerische Land¬ gemeinde schon vier Wochen vor dem öffentlich angemeldeten Termin nahe bei Heidel¬ berg versammelt, und obgleich auch hier noch Krüger und Joubert für Aufrecht¬ haltung des Friedens sprachen, indem sie überzeugt waren, den britischen Waffen ans die Dauer nicht widerstehen zu können, erklärten sie doch schließlich, daß sie ihr Loos mit demjenigen ihres Volkes zusammenwerfen wollten, wenn die Majorität der Versammlung sich für den Krieg entschiede. So kam es, daß die neue republicanische Regierung mit dem Triumvirat Krüger, Joubert und Pretvrius, der nächst den andern beiden der angesehenste unter den Boers ist, erwählt und die Austreibung der Engländer bei Pvtschefstrom, der am meisten boerischen Stadt, zuerst unternommen wurde (16. December). Die Briten wurden durch das entschlossene Vorgehen der Boers im allge¬ meinen überrascht, weil sie dem Volke, das ihnen so lange umsonst mit einer Schilderhebung gedroht hatte und sich immer wieder hatte beruhigen und Hin¬ halten lassen, nicht den Muth der offnen Rebellion zutrauten; es war bei ihnen herkömmlich geworden, über die Boers als feige und militärisch untüchtig zu spotten: sie haben es daher ihrem eignen Hochmuth zuzuschreiben, daß ihre Grenzbowi I. 1381. M

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/297>, abgerufen am 29.12.2024.