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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Giuv Capponi.

Nicht ohne Mühe gelang es seinein Freunde Reumont, die ängstlichen Bedenken
gegen die Veröffentlichung zu überwinden. Dreiundachtzig Jahre alt nahm
Capponi mit größter Sorgfalt, mit voller Beherrschung des Stoffes, mit un¬
geschwächter Geistesklarheit eine nochmalige Revision vor; im Jahre 1875 er¬
schien die "Geschichte der Republik Florenz" in 2 Bänden, das Hauptwerk
seines Lebens, die erste namhafte Geschichte der Stadt seit Macchiavellis Historien/')
"Es ist ein Buch voll Kraft und Leben, die Frucht reicher Erfahrung, tiefen
Nachdenkens, sorgfältiger Studien, voll Vaterlandsliebe und warmen Gefühls
für die alte Große seiner Heimat, aber ohne Parteigeist und Sucht der Be¬
schönigung, unabhängig, gerecht, ruhig, mit dem moralischen Gefühl, das sich
nicht durch Glanz noch durch lvbsprecherische Sophistik beirren läßt, ohne falschen
Prunk, in gedrängter, aber natürlich fließender, an alte Muster erinnernder,
aber niemals affectirter, reiner und markiger Sprache." (Reumont, G. Capponi,
S. 434.) Hat man dem Verfasser nicht mit Unrecht zum Vorwurf gemacht,
daß es seinem Werke, wenigstens was die ältesten Zeiten anlangt, an kritischer
Sichtung der Quellen mangele, hat er sich nicht ohne eine gewisse Voreinge¬
nommenheit und ohne genügende Begründung gegen den während der Abfassung
seines Buches durch deutsche Gelehrte geführte,, Nachweis der Unechtheit der
Chroniken Malespinis und Dino Coinpagnis ablehnend verhalten, so trägt das
Werk doch, dem Geiste seines Autors entsprechend, in dein die Geschichte der
heißgeliebten Heimat Fleisch und Blut gewonnen hat, und in einer Weise, wie
sie bei einem Nichtflorentiiicr undenkbar wäre, aus dem tiefsten Innern wie ein
organisches Wesen wieder geboren ist, eiuen monumentalen Charakter. Das
pMmüus bleibt ihm gesichert, so viele Einzelheiten auch noch fernerhin
eine eindringende Kritik als irrig erweise", so verdienstvolle Schriftsteller auch
nach ihm, wie schon jetzt der Franzose F. T. Perrens in seine", großen Werke,
denselben Gegenstand behandeln mögen.

In Florenz erregte das Buch eine wahre Begeisterung, wie sie derartigen
literarischen Erzeugnissen in Italien nicht häufig zu theil wird, und, was noch
seltner ist, es wurde nicht nur gepriesen, sondern anch gekauft und gelesen, so
daß bald eine zweite Volksausgabe nothwendig wurde.

Giuv Capponi stand jetzt im 84. Lebensjahre; eS war leer um ihn ge¬
worden, auch Tvmmasev und Manzoni waren gestorben, der letzte seiner Jugend-
freunde, der berühmte Arzt Mcinrizio Bnfalini, i"s Grab gesunken. Eine Reihe
altberühinter Patrieierfamilieu: die Acciajilvli, Alamanni, Alberti, Albizzi,
Aldobrandini, Bnondelmoute, Riemrdi, Rinucciui, Soderini und Tempi waren



*) Eine vortreffliche Uebersetziiilg des Werkes von Hans Diitschte ist 1876 im Verlage
D. Red. von T. O. Weigel in Leipzig erschienen.
Giuv Capponi.

Nicht ohne Mühe gelang es seinein Freunde Reumont, die ängstlichen Bedenken
gegen die Veröffentlichung zu überwinden. Dreiundachtzig Jahre alt nahm
Capponi mit größter Sorgfalt, mit voller Beherrschung des Stoffes, mit un¬
geschwächter Geistesklarheit eine nochmalige Revision vor; im Jahre 1875 er¬
schien die „Geschichte der Republik Florenz" in 2 Bänden, das Hauptwerk
seines Lebens, die erste namhafte Geschichte der Stadt seit Macchiavellis Historien/')
„Es ist ein Buch voll Kraft und Leben, die Frucht reicher Erfahrung, tiefen
Nachdenkens, sorgfältiger Studien, voll Vaterlandsliebe und warmen Gefühls
für die alte Große seiner Heimat, aber ohne Parteigeist und Sucht der Be¬
schönigung, unabhängig, gerecht, ruhig, mit dem moralischen Gefühl, das sich
nicht durch Glanz noch durch lvbsprecherische Sophistik beirren läßt, ohne falschen
Prunk, in gedrängter, aber natürlich fließender, an alte Muster erinnernder,
aber niemals affectirter, reiner und markiger Sprache." (Reumont, G. Capponi,
S. 434.) Hat man dem Verfasser nicht mit Unrecht zum Vorwurf gemacht,
daß es seinem Werke, wenigstens was die ältesten Zeiten anlangt, an kritischer
Sichtung der Quellen mangele, hat er sich nicht ohne eine gewisse Voreinge¬
nommenheit und ohne genügende Begründung gegen den während der Abfassung
seines Buches durch deutsche Gelehrte geführte,, Nachweis der Unechtheit der
Chroniken Malespinis und Dino Coinpagnis ablehnend verhalten, so trägt das
Werk doch, dem Geiste seines Autors entsprechend, in dein die Geschichte der
heißgeliebten Heimat Fleisch und Blut gewonnen hat, und in einer Weise, wie
sie bei einem Nichtflorentiiicr undenkbar wäre, aus dem tiefsten Innern wie ein
organisches Wesen wieder geboren ist, eiuen monumentalen Charakter. Das
pMmüus bleibt ihm gesichert, so viele Einzelheiten auch noch fernerhin
eine eindringende Kritik als irrig erweise», so verdienstvolle Schriftsteller auch
nach ihm, wie schon jetzt der Franzose F. T. Perrens in seine», großen Werke,
denselben Gegenstand behandeln mögen.

In Florenz erregte das Buch eine wahre Begeisterung, wie sie derartigen
literarischen Erzeugnissen in Italien nicht häufig zu theil wird, und, was noch
seltner ist, es wurde nicht nur gepriesen, sondern anch gekauft und gelesen, so
daß bald eine zweite Volksausgabe nothwendig wurde.

Giuv Capponi stand jetzt im 84. Lebensjahre; eS war leer um ihn ge¬
worden, auch Tvmmasev und Manzoni waren gestorben, der letzte seiner Jugend-
freunde, der berühmte Arzt Mcinrizio Bnfalini, i»s Grab gesunken. Eine Reihe
altberühinter Patrieierfamilieu: die Acciajilvli, Alamanni, Alberti, Albizzi,
Aldobrandini, Bnondelmoute, Riemrdi, Rinucciui, Soderini und Tempi waren



*) Eine vortreffliche Uebersetziiilg des Werkes von Hans Diitschte ist 1876 im Verlage
D. Red. von T. O. Weigel in Leipzig erschienen.
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[0263] Giuv Capponi. Nicht ohne Mühe gelang es seinein Freunde Reumont, die ängstlichen Bedenken gegen die Veröffentlichung zu überwinden. Dreiundachtzig Jahre alt nahm Capponi mit größter Sorgfalt, mit voller Beherrschung des Stoffes, mit un¬ geschwächter Geistesklarheit eine nochmalige Revision vor; im Jahre 1875 er¬ schien die „Geschichte der Republik Florenz" in 2 Bänden, das Hauptwerk seines Lebens, die erste namhafte Geschichte der Stadt seit Macchiavellis Historien/') „Es ist ein Buch voll Kraft und Leben, die Frucht reicher Erfahrung, tiefen Nachdenkens, sorgfältiger Studien, voll Vaterlandsliebe und warmen Gefühls für die alte Große seiner Heimat, aber ohne Parteigeist und Sucht der Be¬ schönigung, unabhängig, gerecht, ruhig, mit dem moralischen Gefühl, das sich nicht durch Glanz noch durch lvbsprecherische Sophistik beirren läßt, ohne falschen Prunk, in gedrängter, aber natürlich fließender, an alte Muster erinnernder, aber niemals affectirter, reiner und markiger Sprache." (Reumont, G. Capponi, S. 434.) Hat man dem Verfasser nicht mit Unrecht zum Vorwurf gemacht, daß es seinem Werke, wenigstens was die ältesten Zeiten anlangt, an kritischer Sichtung der Quellen mangele, hat er sich nicht ohne eine gewisse Voreinge¬ nommenheit und ohne genügende Begründung gegen den während der Abfassung seines Buches durch deutsche Gelehrte geführte,, Nachweis der Unechtheit der Chroniken Malespinis und Dino Coinpagnis ablehnend verhalten, so trägt das Werk doch, dem Geiste seines Autors entsprechend, in dein die Geschichte der heißgeliebten Heimat Fleisch und Blut gewonnen hat, und in einer Weise, wie sie bei einem Nichtflorentiiicr undenkbar wäre, aus dem tiefsten Innern wie ein organisches Wesen wieder geboren ist, eiuen monumentalen Charakter. Das pMmüus bleibt ihm gesichert, so viele Einzelheiten auch noch fernerhin eine eindringende Kritik als irrig erweise», so verdienstvolle Schriftsteller auch nach ihm, wie schon jetzt der Franzose F. T. Perrens in seine», großen Werke, denselben Gegenstand behandeln mögen. In Florenz erregte das Buch eine wahre Begeisterung, wie sie derartigen literarischen Erzeugnissen in Italien nicht häufig zu theil wird, und, was noch seltner ist, es wurde nicht nur gepriesen, sondern anch gekauft und gelesen, so daß bald eine zweite Volksausgabe nothwendig wurde. Giuv Capponi stand jetzt im 84. Lebensjahre; eS war leer um ihn ge¬ worden, auch Tvmmasev und Manzoni waren gestorben, der letzte seiner Jugend- freunde, der berühmte Arzt Mcinrizio Bnfalini, i»s Grab gesunken. Eine Reihe altberühinter Patrieierfamilieu: die Acciajilvli, Alamanni, Alberti, Albizzi, Aldobrandini, Bnondelmoute, Riemrdi, Rinucciui, Soderini und Tempi waren *) Eine vortreffliche Uebersetziiilg des Werkes von Hans Diitschte ist 1876 im Verlage D. Red. von T. O. Weigel in Leipzig erschienen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/263>, abgerufen am 29.12.2024.